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Fundstücke

Die Schwelle des Amokläufers

Lena Niethammer
Journalistin

Lebt und schreibt in Berlin.

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Lena NiethammerSamstag, 23.07.2016

Am 29. April 2014 steht ein 17-jähriger Junge in einem Lagerplatz in Minnesota, als drei Polizisten wissen wollen, was er tue. Er fragt, was sie denn glauben würden. Auf dem Boden steht Motoröl, Dachzement, Styropor-Kühler, Munition und rotes Eisenoxid. Ein Polizist sagt, er glaube, er bastele Bomben.

Der Junge heißt John LaDue. Er ist 17 Jahre alt, als die Polizei ihn festnimmt und somit seinen Plan, erst seine Familie zu töten und dann an seiner Schule Amok zu laufen, vereitelt. Als die Ermittler ihn fragen, was seine Familie getan habe, um das zu verdienen, antwortet LaDue: „Sie haben nichts falsch gemacht. Ich wollte nur so viele Opfer wie möglich.“

Wir gehen bei Amokläufern meist von Psychopathen aus, von schlechter Kindheit, Stimmen im Kopf, brutalen Videospielen, Mobbing. LaDue aber war nicht rachsüchtig, nicht bösartig, nicht emotional. Er spielte kaum Videospiele, hörte keine brutale Musik. Den Polizisten sagte er: „Ich glaube nicht, dass ich jemals in meinem Leben schikaniert worden bin. Ich habe gute Eltern. Ich lebe in einer guten Stadt.“

Laut Malcolm Gladwell, dem Autor dieses Stückes, ist er aber ein absoluter Kenner des Genres Amok. Er spricht von anderen Tätern, die ihn beeinflusst haben, wie ein Filmemacher es womöglich von Fellini oder Bergman täte.

Wir wissen kaum etwas über den 18-Jährigen, der in München so viele Menschen erschoss. Aber als die Polizei sein Zimmer durchsuchte fanden sie das Buch „Amok im Kopf: Warum Schüler töten“, sie fanden Zeitungsartikel über Amokläufe, konkret sei es um den von Winnenden und Anders Breivik gegangen.

In dem Text, den ich empfehle, fragt sich Gladwell, ob es nicht an der Zeit sei, neue Erklärungsmuster abseits der üblichen Psychopathen-Erklärung zu suchen, wenn die Täter doch nichts mehr eint, außer ihr Studium anderer Amokläufer.

Vor Jahrzehnten schrieb der Soziologe Mark Granovetter ein Essay darüber, wie sich erklären lässt, dass eine Gruppe Dinge tut, die mit dem was sie eigentlich für richtig halten im Widerspruch steht. Als Beispiel nimmt er Aufstände. Im Gegensatz zu seinen Kollegen geht er nicht davon aus, dass ein Aufstand eine Ansammlung von Individuen ist, sondern ein sozialer Prozess, bei dem der Mensch auf das Verhalten anderer Menschen reagiert. Ein sozialer Prozess wird, so Granovetter, durch unsere inneren Schwellen angetrieben, welche er durch die Anzahl von Menschen misst, die eine Tat getan haben müssen, bevor wir uns ihnen anschließen.


Es gibt also jemanden der eine Schwelle von Null-Personen hat, um einen Stein zu werfen. Dann kommt jemand, der erst einen Stein wirft, wenn es schon jemand getan hat. Dann jemand, der niemals einen Stein werfen würde, außer zwei Leute vor ihm machen es und so weiter… Bis wir bei jemandem ankommen, einem aufrechten Bürger, der selbst nie von sich gedacht hätte, dass er so eine Tat begehen würde, aber als es hundert vor ihm gemacht haben, lässt er sich dazu hinreißen.

Gladwell adaptiert dieses Modell und fragt: Was, wenn wir Amokläufe nicht als Einzeltaten betrachten, sondern als eine Art sich ständig weiter entwickelnden Aufstand, bei dem jede neue Handlung Sinn macht, wenn man sie als Reaktion auf jene betrachtet, die zuvor kamen.

Ben Taub, ebenfalls Autor des New Yorker, twitterte diesen Text heute mit den Worten: „Re: Munich, this piece on thresholds is essential. We need to learn how to cover terrorism without perpetuating it.“

Volle Zustimmung. 

Die Schwelle des Amokläufers

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