Die Ära der männlichen Anti-Helden neigt sich ihrem Ende zu, mich interessiert diese Art Figur nur noch in Ausnahmefällen. Billy McBride in der Amazon-Produktion „Goliath“ ist eine dieser Ausnahmen: ein Anwalt, der am Boden liegt, tiefer sinken kann er eigentlich nicht mehr. Früher ein Star-Anwalt, jetzt lebt er in einem Motel, verbringt die Tage und den größten Teil der Nächte in der benachbarten Kneipe, Alkohol trinkend. Er hadert nicht, ihm ist einfach alles egal. Das ist der Ausgangspunkt. Und wenn diese Rolle mit jemand anderem als Billy Bob Thornton besetzt wäre, hätte ich vermutlich nicht weitergeschaut, weil ich eine pathetische Aufstiegsgeschichte gewittert hätte. Aber es ist nun mal Billy Bob Thornton (Fun Fact: Er spielt zum ersten Mal in seiner Karriere eine Figur mit dem Namen Billy), und was er aus dieser Figur macht, ist der Knaller. Er spielt den Anwalt fast schüchtern, nachdenklich, unsicher und selbst in Momenten des Erfolges zurückgenommen. Er wirkt zerbrechlich und ist doch in den entscheidenden Momenten widerstandsfähiger als erwartet. An seiner Seite eine Frauenfigur, von der ich gerne viel mehr sehen würde: die mürrische, nicht lockerlassende Immobilienmaklerin/Teilzeit-Anwältin Patty Solis-Papagian, großartig gespielt von Nina Arianda, die leider in Staffel 2 etwas zu kurz kommt.

Wie der Name der Serie schon verrät, ist es eine David-gegen-Goliath-Geschichte, an deren Ende nach vielen schockierenden Entwicklungen dennoch nicht alles gut ist. Und das ist gut.

Die Serie wurde übrigens entwickelt, produziert und größtenteils geschrieben von Anwaltsserien-Veteran David E. Kelley (bekannt für z. B. „Boston Legal“, „Ally McBeal“ oder „The Practice“) und Jonathan Shapiro.

Die im Juni veröffentlichte zweite Staffel ist genauso sehenswert wie die erste. Beide „Goliath“-Staffeln sind bei Amazon Prime verfügbar. Staffel 3 ist in Arbeit.

Wer mehr über Staffel 1 wissen will: bento.de-Kritik

Wer mehr über Staffel 2 wissen will: „Tagesspiegel“-Kritik