(Eine Reihe über MusikerInnen jenseits der aktualitätsgetriebenen angloamerikanischen Popblase, die tagtäglich unsere Hörgewohnheiten bestimmt und die Medien füllt, als gäbe es sonst nichts auf der Welt. Liebe KollegInnen: Schreibt doch mal darüber!)

Gal Costa ist sicher nicht die interessanteste oder kreativste Künstlerin unter den vielen grandiosen brasilianischen Musikerinnen, aber sie steht wie keine andere für weibliches Selbstbewusstsein, Selbstermächtigung und Selbstbehauptung. Das zeigte sich bereits 1967, als sich die 1945 geborene Sängerin dem Tropicalismo anschloss, einer hoch politisierten Avantgarde-Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hatte, verschiedene Künste wie Lyrik, Musik und Theater zu verschmelzen, und dabei gleichzeitig vehemente Systemkritik äußerte. Die Militärregierung steckte einige Akteure in den Knast und drängte andere ins Exil, doch Maria da Graça Costa Penna Burgos blieb in Brasilien – ohne jemals ihre Ideale zu verraten.

Das hat sie in ihrer gesamten Karriere bewiesen. Egal, ob sie als junges Mädchen eine leicht psychedelisierte Ballade singt (Assum Preto, 1970), sich durch die 80er rockt (Vaca Profana, 1985) oder aktuell mit 72 immer noch die Bühne beherrscht (Como Dois e Dois, 2017): Sie ist das Sinnbild der Unbeugsamen.

Im persönlichen Umgang gilt Gal Costa als sehr schwierig und egozentrisch, aber es braucht eben einen robusten Charakter, um über Jahrzehnte einen Tonus zu halten, der so etwas wie das gepiqde Video ermöglicht, das ich auf die frühen 80er datieren würde. Es ist eine heftige Sozialkritik, im Refrain heißt es:

Brasilien

zeig dein Gesicht!

Ich möchte wissen,

wer dafür zahlt,

dass die Menschen so leben müssen.

Brasilien,

was ist dein Geschäft?

Sagt mir den Namen deines Geschäftspartners,

vertrau dich mir an!

Und es ist eine Erinnerung daran, dass ein entblößter Busen früher nicht zu einem US-puritanischen Nippelgate führte, sondern als Ausdruck der Kraft angesehen wurde, wenn nicht gar als Symbol eines endlosen Freiheitskampfs.