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Pop und Kultur

Der lange Schatten des Lautréamont

Fabian Peltsch
Musikjournalist

Fabian Peltsch lebt und arbeitet in Peking und Berlin und schreibt regelmäßig für Rolling Stone, Musikexpress, Mint, China Table, RADII, Fluter und die Berliner Morgenpost. Er interessiert sich vor allem für globale Popkultur-Perspektiven jenseits von World-Music-Klischees.

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Fabian PeltschMontag, 30.11.2020

"Die Gesänge des Maldoror" ist sicher eines der kaputtesten, blasphemischsten, radikalsten Bücher der Literaturgeschichte. Und es ist sicher eines der faszinierendsten: Ein Kapitel ist aus der Sicht eines Haares geschrieben, das Gott auf der Erde in einem Bordell zurückgelassen hat. Ein anderes beschreibt detailliert den Geschlechtsakt mit einem Hai. Im letzten Kapitel taucht der Erzengel in Gestalt eines Taschenkrebses auf. Kein Wunder, dass die Surrealisten ein ganzes Kunst-Genre auf diesem Buch aufbauten.

Über den Erschaffer der "Gesänge" ist nicht viel bekannt. Als gesichert gilt, dass Isidore Lucien Ducasse oder Comte de Lautréamont, wie er sich als Schriftsteller nannte, am 24. November vor 150 Jahren im Alter von nur 24 Jahren starb. Sein einziges, "vollständiges" Werk wurde erst Jahre nach seinem Tod mehr oder weniger durch Zufall entdeckt, wohl auch, weil zeitgenössische Rezensenten es zunächst nicht einordnen konnten. Die Bilderwelt der "Gesänge" sprengt alle literarischen Konventionen des 19. Jahrhunderts, und war möglicherweise unter Drogen und sicher teilweise in automatischer Schreibweise verfasst worden. Zu den ersten Verehrern gehörte Dichter-Dandy Joris Karl Huysmans, der Lautréamont ein "verrücktes Talent" attestierte. André Gide schrieb: „Mit Rimbaud, vielleicht sogar mehr als Rimbaud, [ist er] der Schleusenmeister der Literatur von morgen.“ 

Die Figur des Maldoror, eine "Sonne des Bösen", die sich mit Gott und der Schöpfung anlegt, hallt bis heute in der Kunst, der Literatur und der Popkultur nach. David Bowie hat "Les Chants de Maldoror" in die Liste seiner 100 Lieblingsbücher aufgenommen. Bowie-Biograf John O'Connell schreibt in "Bowies Bücher", dass der Antiheld und Gestaltwandler Maldoror, "halb Teufel und halb Alien", alles verkörperte, was Bowie "zu Zeiten seiner Kokainpsychose entsetzt und begeistert haben dürfte." Zahlreiche andere Musiker und Bands haben sich an dem Buch abgearbeitet, von den Industrial-Pionieren Coil über Faith-No-More-Sänger Mike Patton, der dem Werk 1997 zusammen mit dem Japaner Merzbow ein Noise-Album widmete bis hin zu Black-Metal-Gruppen wie Schammasch, die sich dem Stoff naturgemäß nahe fühlen. 2010 stellte der Komponist Philipp Maintz eine Opern-Adaption vor. Ob man das Buch mit seiner bisweilen pubertären Lust am Tabubruch und den eitlen, langatmigen Rundumschlägen eines verkannten Genies heute noch in Gänze lesen muss, sei dahingestellt. In den besten Momenten ist es jedoch auch 150 Jahre nach Lautréamonts Tod noch immer ein bildgewaltiger, fassungslos machender Mindfuck. 

Nachrufe auf den jung verstorbenen Autoren gab es vergangene Woche vor allem in Frankreich, bei uns hat der Deutschlandfunk einen angemessen dramatisch eingesprochenen Beitrag veröffentlicht. Beim Kunstmagazin Frieze gab es bereits Ende Oktober einen Überblick über Lautréamonts Einfluss auf die bildende Kunst, von Hans Bellmer bis Mike Kelley.




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