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Medien und Gesellschaft

Wie man dem politischen Journalismus die Schlagkraft entzieht

Christoph Zensen
Informationswissenschaft, Medieninformatik, Produktmanagement

#ViewFromSomewhere #MovementJournalism

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Christoph ZensenSonntag, 03.10.2021

In diesem piq geht es um eine politische Angriffsstrategie, die seit über 50 Jahren eingesetzt wird, um dem politischen Journalismus als vierte Gewalt seine Schlagkraft zu entziehen. Der Angriff ist sehr leicht umzusetzen und wirkt oberflächlich sehr harmlos. Dieser Angriff besteht einfach nur aus dem Vorwurf an ein Medium oder an eine Redaktion, nicht ausgewogen, neutral oder unvoreingenommen zu berichten. Das ist es schon. Das ist die ganze Strategie.

Diese Appell-zur-Neutralität-Strategie funktioniert, weil im politischen Journalismus seit den 1890er Jahren ein Modell dominiert, in dem die allgemeine Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Öffentlichkeit in ein Medium vor allem auf seinem Ruf beruhen, neutral und ausgewogen zu berichten. Durch den Vorwurf diesen Idealen nicht zu entsprechen, kann dieser Ruf beschädigt werden.

Über die Effektivität der Appell-zur-Neutralität-Strategie kann ich nur mutmaßen. Ich glaube, dass sie die bestehende Disposition des politischen Journalismus zur falschen Ausgewogenheit und Entpolitisierung noch verstärkt. Ich glaube, dass diese Strategie zu noch mehr Horse-Race-Journalismus, zu mehr False-Balance, zu mehr But-her-Emails, zu mehr Verlautbarungsjournalismus und He-said-She-said-Journalismus führt.

Zumindest sind mehrere Experten auf dem Gebiet der Medienforschung überzeugt, dass die Strategie sehr effektiv ist. Der Journalismus-Professor Jay Rosen von der New York University hält diese Strategie für das effektivste Werkzeug der letzten 25 Jahre, um den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen. Michael Seemann, von dem Sascha Lobo sagt, er vermöge es, die Digitaldebatte in Deutschland auf ein internationales Niveau zu heben, sieht darin die „derzeit größte Bedrohung für den Journalismus“. Und Matthey Jordan, Professor für Medienwissenschaft an der Penn-State-Universität, und Autor des hier gepiqden Artikels, fasst es so zusammen:

For half a century, crying bias has been a strategic communication tactic used against newspapers and broadcasters who strive to adhere to professional norms of dispassionate objectivity. It’s like kryptonite for responsible news organizations: the stronger their piety to journalistic ethics and the ideal of objectivity, the more vulnerable they are to accusations made in bad faith.

Die Beweislage für die Effektivität Appell-zur-Neutralität-Strategie, so überzeugend sie sich für mich in der Theorie anhört, ist allerdings eher dünn. Alles, was ich gefunden habe, ist Hörensagen oder bloße Schilderungen, dass der Druck existiere, nicht aber wie er sich auswirkt.

Der ehemalige Krautreporter, Danijel Višević, berichtete von einer Begegnung mit einem „renommierten Journalisten“, der ihm sagte, dass es problematisch sei, über den Klimawandel zu berichten, weil es zu schnell wie Wahlwerbung für die Grünen aussehen könnte. [Link]

Im Juni berichtet der Wissenschaftsjournalist, Beat Glogger, von einer Auseinandersetzung mit einem Redakteur des SRF (vermutlich ging es um die Sendung Die Freitagsrunde). Es ging um die Frage, warum es die Redaktion für geboten halte, einen „bekannten Corona-Leugner“ als seinen Kontrapart einzuladen. Der Redakteur räumte ein, dass ihm bewusst sei, dass der Gast „nachweislich falsche Behauptungen“ verbreite. „Aber müsse eine Gegenstimme einladen. Sonst werfe man SRF Unausgewogenheit vor.“ [Link]

Die ZDF-Wissenschaftsjournalisten Dirk Steffens [Link] und Özden Terli [Link] berichten, wie sie sich über die Aktivismus-Vorwürfe ärgern, auch wenn sie sich selbst davon nicht einschüchtern lassen.

Die SZ-Kolumnistin, Jagoda Marinić, beschreibt in ihrem Podcast Freiheit Deluxe, dass neben den öffentlichen Shitstorms in den sozialen Medien, auch die direkte Leser-/Hörer-/Zuschauerpost als heimlicher Machtfaktor existiere [Link 53:00]. Die Chefredakteurin der Medienredaktion des Deutschlandfunks, Bettina Schmieding, spricht in der Sendung Nach Redaktionsschluss darüber, dass sie die Vorwürfe aus den Hörerzuschriften, Haltungsjournalismus zu betreiben, oft kränken würden. Und sie deutet an, dass es auch anderen Kolleginnen und Kollegen so gehe [Link 33:00]. Und auch das Podcast-Urgestein, Holger Klein, der u.a. für den RBB, den HR und Deutschlandfunk Nova gearbeitet hat, attestiert den öffentlichen-rechtlichen Redaktionen sich übermäßig von den Zuschriften aus dem Publikum verunsichern zu lassen [Link 20:00].

Fazit

Der politische Journalismus ist auch ohne diese Angriffsstrategie in keinem guten Zustand. Eine Reform des Modells ist sowieso überfällig.

Wie man dem politischen Journalismus die Schlagkraft entzieht

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