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Medien und Gesellschaft

Politikjournalismus: Im Rausch der Parteilogik

Christoph Zensen
Informationswissenschaft, Medieninformatik, Produktmanagement

#ViewFromSomewhere #MovementJournalism

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Christoph ZensenDienstag, 16.03.2021

Im Politik-Journalismus gibt dieses seltsame Format. Es wird von Journalist:innen in sogenannten Hauptstadtstudios, Hauptstadtbüros oder Parlamentsredaktionen produziert. Und es unterscheidet sich sehr von der Art und Weise, wie Politjournalist:innen sonst über politische Inhalte schreiben.

Dieses Format hat im Deutschen – soweit ich weiß – noch keinen etablierten Namen. Und mir fällt auch kein griffiger Name ein. Das Seltsame an diesem Format ist vor allem die Perspektive. Die Politikjournalist:innen versetzen sich bei diesem Format gedanklich in eine Parteizentrale und analysieren die taktische, strategische und kommunikative Performance der Partei und der Parteiführung. Sie loben gute Manöver und tadeln unsouveränes Auftreten. Sie geben fundierte und konstruktive Ratschläge, wie sich die Partei jetzt positionieren sollte, um die Wählergunst zu erlangen.

Hier ein paar Beispiele aus den vergangenen Tagen:

Den neuen Parteichef Armin Laschet stellt dieser Wahlabend vor eine wichtige, strategische Entscheidung: Soll er frühzeitig nach der Kanzlerkandidatur greifen? Sein Image als rheinisch-freundlicher Vermittler abstreifen und sich eine zackigere Attitüde verschreiben? ZEIT

Armin Laschet und Markus Söder müssen klären, wer die Kanzlerkandidatur übernimmt, rasch! Dafür kann ein Moment richtig sein, der sehr viel näher an Ostern als an Pfingsten liegt. Die CDU – nicht nur im Südwesten – ist verunsichert. Ihr droht, die eigene Kernkompetenz, die Regierungs-Fähigkeit abhanden zu kommen. DEUTSCHLANDFUNK

Laschet braucht dringend etwas, um die Dynamik zu ändern, einen Aufbruch, eine Art Haltelinie. Das Tragische ist, dass allzu viel nicht infrage kommt. Genau genommen hat er zwei Optionen, und beide sind schlecht. SPIEGEL

Der Druck auf Laschet dürfte nach diesem schwarzen Wahltag weiter zunehmen. Will er im Rennen um die K-Frage bleiben, muss er jetzt schnell die Entscheidung mit Söder suchen. Denn die unbeantwortete K-Frage ist ein weiterer Destabilisator in der Union. TAGESSCHAU

Die Mischung aus der Korruptionsaffäre und der mangelnden Führung ist toxisch. Laschet muss in dieser Krise endlich Verantwortung übernehmen. Er muss auf die Bundestagsfraktion zugehen, dort Gespräche führen. Er muss den Wählern erklären, wofür die CDU steht, nur so kann sie Vertrauen zurückgewinnen. T-ONLINE


Abgesehen davon, dass dieses ganze Format zum Fremdschämen ist, finde ich ein Detail am Rande sehr interessant. Warum können diese Politik-Journalist:innen in Bezug auf Taktik, Strategie und Kommunikation so konstruktiv und lösungsorientiert  schreiben? Wenn es um politische Inhalte geht, dann sind sie viel weniger klar und trauen sich kaum eine Bewertung zu.

In dem hier erneut gepiqten Podcast "Are You Smart or Just Cynical?" versuchen Kathleen Hall Jamieson und Jay Rosen eine Antwort darauf zu geben, wie dieses Format historisch entstanden ist und warum es für Politik-Journalismus so attraktiv erscheint. Sie beziehen sich dabei zwar auf die USA, aber ich denke es lässt sich viel auch für Deutschland übertragen.

Politikjournalismus: Im Rausch der Parteilogik

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Kommentare 11
  1. Christoph Zensen
    Christoph Zensen · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

    Politik-Journalismus im Parteistrategen-Modus goutiert souveränes Auftreten, abgebrühte Taktikmanöver und kluge Krisenkommunitkation. Auf der anderen Seite wird Nervosität, Unsicherheit und ungeschickte Kommunikation abgestraft.

    Um ein Sprachbild für diese Art Journalismus zu finden, muss man sich wahrscheinlich in den Bereich der Brett- oder Geschicklichkeitsspiele begeben.

    Wie wäre es mit:

    Mikado-Journalismus. Wer wackelt, verliert.

  2. Alexander Matzkeit
    Alexander Matzkeit · vor 3 Jahren

    Danke für den Piq. Das Hören hat mir viele neue Gedanken angestoßen

  3. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 3 Jahren

    Der erste Satz holpert ..... Ansonsten ja, Journalismus, der nur den Daumen hebt und senkt, ist ein Problem. Und ein Armutszeugnis für die Schreiber. Die sitzen nicht selbst im Glashaus. Um so ungehöriger scheint mir dieses Steineschmeißen ..... Die Ossis empfinden das wohl als eine Ausprägung des „Besserwessis" - auch wenn es darauf nicht beschränkt ist.

    1. Christoph Zensen
      Christoph Zensen · vor 3 Jahren

      Dieses Sprachbild "Daumen-hoch-Daumen-runter" ist mir in diesem Zusammenhang schon häufiger über den Weg gelaufen. Diese Kritik hat aber – glaube ich – noch eine etwas andere Schlagrichtung.

      Erst letzte Woche sprach z.B. Alexandra Borchardt in diesem Podcast https://srv.deutschlan... von Daumen-hoch-Daumen-runter-Journalismus

    2. Christoph Zensen
      Christoph Zensen · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      @Christoph Zensen
      Der Unterschied:

      Daumen-hoch-Daumen-runter-Journalismus ist Kritik an undifferenzierter Kritik, die nur Hop oder Top kennt.

      Mir geht es einerseits darum zu verstehen, warum politische Journalist:innen bei der kritischen Bewertung von Parteikommunikation und Parteistrategie so scharf und unverhohlen sind, während sie tatsächliche politische Konzepte eher ausweichend und zurückhaltend bewerten.

      Und zum zweiten würde ich gerne verstehen, warum das Für und Wider von Parteikommunikation und Parteistrategie überhaupt so ein großes Thema in den Redaktionen ist. Das sind ja schon die Schwergewichte der Redaktionen, die diese Texte schreiben. Diese Analysen haben offenbar Prestige. Für mich gehören solche Analysen in irgendein Nichen-Magazin für 30€ im Monat.

  4. Christoph Zensen
    Christoph Zensen · vor 3 Jahren

    Fällt jemandem hier ein griffiger Name für diese Art des Journalismus ein? Vielleicht was mit einem Tier, so wie Watch-Dog-Journalism oder Horse-Race-Journalism?

    Es fällt ja irgendwie so halb unter Horse-Race-Journalism, aber es ist spezifischer. Die Perspektive würde ich als verkappte parteistrategische Analyse bezeichnen. Aber so richtig, kriege ich das Phänomen noch nicht zu packen.

    1. M Nsch
      M Nsch · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      Eine augenöffnende Analyse. Das stört mich auch, wenn Journalisten sich als Tippgeber für Parteien und Politiker berufen fühlen. Es reicht ja schon, wenn Meinungen als Fakten verkauft werden, aber das geht noch einen Schritt weiter. Parteibuch-Journalismus? Politikerberatung im Gewand von Journalismus? Besserwisser-Journalismus? Parteistrategen-Journalismus? PR-Consulting-Journalismus? Es entsteht der Eindruck, Journalisten wollen sich mit ihrer "PR-Beratung" noch besseren Zugang zum Inner Circle der Spitzenpolitiker*innen erkaufen. Damit schließen sie ihre gemeinsame Buddy-Bubble ("Ich bin Hauptstadtjournalist!" "Ich habe Zugang zu exlusiven Informationen über Hintergrundgespräche, verrate sie aber nicht!") immer hermetischer vom Geschehen außerhalb der Machtpolitik und des Elitenjournalismus ab. Einen Begriffsvorschlag aus der menschlichen Anatomie unterhalb der Gürtellinie verkneife ich mir gerade noch.

    2. Christoph Zensen
      Christoph Zensen · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      @M Nsch Danke für deinen Kommentar. Wir kommen hier aber offenbar aus ganz anderen Richtungen.

      Ich würde es sehr begrüßen, wenn Journalist:innen sich mehr in die inhaltliche Debatte einschalten würden und z.B. die klimapolitischen Programme der Parteien auf deren Wirksamkeit für den Klimaschutz prüfen würden. Ich denke mal, dass du hier nicht mitgehen würdest, weil du schreibst "Es reicht ja schon, wenn Meinungen als Fakten verkauft werden...". Ich schreibe hier häufiger über das Thema Neutralität und Objektivität im Journalismus. Vielleicht findest du hier ja noch den einen oder anderen Denkanstoß: https://www.piqd.de/us...

      Vielen Dank für deine Vorschläge für die Benennung. Parteistrategen-Journalismus finde ich gut. Inzwischen habe ich mich so ein bisschen auf den Begriff "Parteilogik" eingegroovt und deswegen auch den Titel geändert.

      Hier noch ein paar Titel-Ideen:
      --> Nur Parteilogik im Kopf
      --> Der Fokus auf Parteilogik trübt den Blick
      --> Journalismus im Parteistrategen-Modus

      Auf Englisch haben sich diese Begriffe ein wenig etabliert:
      --> Cult of the Savvy (Jay Rosen)
      --> savvy style (Jay Rosen)
      --> tactical frame (Kathleen Hall Jamieson)

      Und Christoph Weigel hatte hier auch noch einen guten Vorschlag gemacht:
      --> Durchblicker-Journalismus (Im Sinne von: Durch die Inhalte hindurchsehen. Fun Fact: Die Hauptstadtredaktion vom RND nennt ihren neuen Podcast: "Geyer und Niesmann – der politische Wochendurchblick")

    3. M Nsch
      M Nsch · vor 3 Jahren

      @Christoph Zensen Die Grundaussagen deiner Piqs teile ich. Was die Grenzen zwischen Meinung, Haltung und Fakten betrifft, so empfinde ich die Grenzen manchmal zu fließend. Das kann nur im Einzelfall konkret besprochen werden, aber das würde den Rahmen hier sprengen. Grundsätzlich habe ich da immer den alten Friedrichs im Sinn, dass sich ein Journalist nicht mit einer Sache gemein machen soll, auch wenn sie gut ist. Das ist freilich schwierig, denn auch ein guter Journalist und eine gute Journalistin ist ein Mensch mit eigenen Werten, Meinungen und Gefühlen. Die können ja nicht einfach ausgeschaltet werden. Was ich ablehne, ist Polarisierung (links-rechts, Partei A oder B, Russland / die USA sind böse). Das führt zu nichts Gutem.

    4. Christoph Zensen
      Christoph Zensen · vor 3 Jahren · bearbeitet vor 3 Jahren

      @M Nsch Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass die derzeitige deutsche Journalismus-Kultur nur auf den beiden Sätze von Friedrichs und Nannen basiert.

      Es gibt so vieles mit dem sich Journalist:innen gemein machen und auch gemein machen sollten:

      * Kampf gegen Korruption
      * Menschenwürde
      * Sauberes Wasser
      * Kindeswohl
      * Pandemiebekämpfung
      * ...

      Was deine Polarisierungsbeispiele angeht, sehe ich es – glaube ich – ebenfalls anders als du.

      Für mich ist wichtig, dass z.B. an zwei Parteien derselbe Standard angelegt wird. Und zwar unabhängig davon, ob das am Ende dann dazu führt, dass über die eine Partei häufiger positiv und die andere Partei häufiger negativ berichtet wird.
      Der Standard sollte eben unabhängig von einer resultierenden Optik der Nähe oder der Distanz eingehalten werden.

  5. Christoph Zensen
    Christoph Zensen · vor 3 Jahren

    Ich habe den Podcast schon einmal gepiqt: https://www.piqd.de/us.... Und damals hatte ich zum Abschluss geschrieben: "Für mich wird dieser Podcast zu einem Evergreen werden, zu dem ich noch oft zurückkehren werde." Und in der Tat fällt mir immer wieder auf, wie treffend diese Analyse von Kathleen Hall Jamieson und Jay Rosen ist.

    Diese Dominanz des "tactical frames" im Politikjournalismus ist nicht wirklich naheliegend und nur historisch und kulturell erklärbar.

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