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Medien und Gesellschaft

Medien haben jahrelang prorussisches Framing übernommen

Simon Hurtz
Journalist, Dozent, SZ, Social Media Watchblog

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Simon HurtzMontag, 04.04.2022

Spätestens die schockierenden Bilder aus Butscha lassen keinen Zweifel mehr: Russische Soldaten begehen Kriegsverbrechen, mit der Invasion hat Wladimir Putin das Völkerrecht gebrochen, die Zivilbevölkerung leidet. Der Kreml hält an seiner grotesken Behauptung fest, man wolle die Ukraine von einem angeblich faschistischen Regime "befreien".

Der langjährige Osteuropa-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Thomas Urban, nimmt den Überfall auf die Ukraine zum Anlass, wichtige Fragen zu stellen:

Was haben die deutschen Medien dazu beigetragen, dass man in Berlin Putins Grenzüberschreitungen so lange hingenommen hat? Warum sind einige Narrative des Kremls, die mit der Annexion der Krim und dem Krieg im Industrierevier Donbass 2014 ihren Ausgang nahmen, bis heute überaus wirksam geblieben?

Urban arbeitet dafür drei Narrative heraus, die Russland erfolgreich in der deutschen Öffentlichkeit etabliert hat:

  • Erstens sei es Russland gelungen, den Mythos der "prorussischen Separatisten" im Osten der Ukraine zu nähren, die ihre Heimatregion angeblich an Russland anschließen wollen. Tatsächlich hätten russische Besatzer die beiden "souveränen Volksrepubliken" proklamiert.
  • Zweitens habe Putin ständig wiederholt: Wer Russisch spricht, ist ein Russe. Der Staat verstehe sich deshalb als Schutzmacht von 27 Millionen Russïnnen, die gegen ihren Willen in ehemaligen Sowjetrepubliken lebten. Diese Zahl ist Urban zufolge maßlos übertrieben, zudem fühle sich die überwältigende Mehrheit der russischsprachigen Einwohnerïnnen der Ukraine nicht zu Russland gehörig. Auch Wolodymyr Selenskyj spricht Russisch als Muttersprache, trotzdem würde er sich wohl kaum als Russe bezeichnen.
  • Drittens habe es der Kreml geschafft, seine Version der Verhandlungen mit der Nato Anfang der 90er-Jahre in der Öffentlichkeit zu etablieren. Urban schreibt, der Westen habe der Sowjetunion niemals versprochen, die Nato nicht über die deutsche Ostgrenze hinaus auszudehnen. Dennoch wiederholten es "Putin-Versteher" unaufhörlich in deutschen Talkshows.

Neben diesen Punkten führt Urban weitere Leer- und Schwachstellen der Berichterstattung über Russland an. Dazu zählt er die mangelnde Kritik an der Ostseepipeline Nord Stream, die zu einem angeblich Völker verbindenden Projekt stilisiert worden sei. Auch die Rolle des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der die im Rückblick fragwürdige Ostpolitik des 21. Jahrhunderts maßgeblich geprägt habe, tauche in deutschen Medien kaum auf.

Das bringt Urban zu einem bitteren Fazit:

All diese Oberflächlichkeiten und Lücken in der deutschen Berichterstattung rühren an ein Kernproblem der Qualitätspresse: die Qualifikation von Korrespondenten. Zwar sind in Osteuropa einige Meister ihres Fachs unterwegs; doch haben Untersuchungen auch ergeben, dass etwa die Hälfte der nach Moskau, aber auch nach Kiew und Warschau entsandten Zeitungskorrespondenten nicht über die für diese Posten unabdingbaren Sprach- und Landeskenntnisse verfügte. (…) Dass der aggressive Charakter der Politik Putins in der bundesdeutschen Gesellschaft so lange bagatellisiert wurde, ist auch eine Folge lückenhafter Berichterstattung. 
Medien haben jahrelang prorussisches Framing übernommen

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Kommentare 10
  1. Cornelia Gliem
    Cornelia Gliem · vor 2 Jahren · bearbeitet vor 2 Jahren

    hm. eins und zwei habe ich jetzt nicht so dominant wahrgenommen.
    drittes schon, auch wenn ich das schon in Frage gestellt habe (allein schon weil dieses angebliche Versprechen zu einer Zeit gegen worden sein sollte als es noch gar keine e h e m a l i g e m Sowjetrepubliken oder vom Warschauer Pakt unabhängige Osteuropäer gab.).

    Was mich im letzten aber Jahr irritierte:

    selbst wenn es so eine Vereinbarung gegeben hätte, wieso sollten souveräne Staaten sich an sowas von imperialen Hegemoniestaaten gebunden fühlen?
    und wer bitte fühlt sich von demokratischen Nachbarstaaten bedroht wenn sie in der EU wären?
    wenn man selbst doch auch nach 1990 demokratisch und freundlich friedlich ist/behauptet zu sein?

  2. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor 2 Jahren

    Das gilt für viele Themen und Framings …….

  3. Daniela Becker
    Daniela Becker · vor 2 Jahren

    + der Glaube, dass wirtschaftliche Verflechtungen automatisch dazu führt, dass die Handelspartner sich wertemäßig annähern. Das ist mit Russland gescheitert, ebenso wie mit China.

    1. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 2 Jahren

      ...das tatsächlich habe ich nicht geglaubt, aber sehr wohl, dass wirtschaftliche Verflechtung so einen mörderischen Überfall nicht mehr zulassen würde. Ging vermutlich vielen so.

    2. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor 2 Jahren

      @Marcus von Jordan Einen Versuch war es wert, aber spätestens nach der Krim-Annektion hätte man das eben evaluieren und neu bewerten müssen.

    3. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 2 Jahren

      @Daniela Becker Was auf der Krim passierte, war für mich noch denkbar in dem Sinne, weil wenig zerstörerisch.

    4. Christoph Weigel
    5. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor 2 Jahren

      Ich würde jetzt nicht die ganze Methode wegschmeißen. Automatisch funktioniert kein allgemeines Prinzip. Es kommt immer auf den Einzelfall an und auf die Details. Auf abstrakte Begriffe und gute Wünsche ist nie Verlaß.

      Wertemäßig annähern bedeutet übrigens auch seine eigenen Werte und ihren Realismus kritisch zu hinterfragen. Da hat auch der Westen noch etwas Spielraum.

    6. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor 2 Jahren

      @Thomas Wahl ...das freut mich wirklich wo immer ich es lese...angesichts des "eindeutigen Bösen" im Osten scheint mir die grundsätzliche Qualität aufgeklärter Systeme, sich nämlich selber im Auge zu behalten, stark aus dem Fokus geraten zu sein...

    7. Anke Giesen
      Anke Giesen · vor 2 Jahren

      Das ist überhaupt nicht gescheitert, hat sehr gut funktioniert, allerdings in die entgegensätzliche Richtung. Die deutsche Politik un Wirtschaft ist jedenfalls durch den Handel mit Russland deutlich korruptiver und archaischer im Habitus geworden. Das ist auch an dem russischen Neologismus "Schrjoderisazija" zu erkennen, der das Einspannen ausländischer Politiker für eigene Zwecke benennt.

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