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Medien und Gesellschaft

Die westliche Demokratie steckt in der Krise. Ist das Internet schuld?

Simon Hurtz
Journalist, Dozent, SZ, Social Media Watchblog

Mag es, gute Geschichten zu erzählen.
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Mag es, gute Geschichten zu teilen. Das tut er hier.
Mag es gar nicht, in der dritten Person über sich zu schreiben.

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Simon HurtzMittwoch, 26.09.2018

Wenn Journalisten in der Überschrift Fragen stellen, lautet die Antwort fast immer: Nein. Dieser piq ist keine Ausnahme: Es wäre zu einfach, das Internet für Donald Trump, den zunehmenden Autoritarismus und das Zerbröckeln der EU verantwortlich zu machen.

Doch ganz so einfach ist die Antwort nicht. Natürlich haben soziale Medien, Hacker und staatliche Desinformationskampagnen zur gesellschaftlichen Spaltung beigetragen. Die Soziologin und New-York-Times-Kolumnistin Zeynep Tufekci zeichnet differenziert nach, wie sich digitale Technologien binnen weniger Jahre vom Hoffnungsträger zum angeblichen Totengräber der Demokratie gewandelt haben.

Ihr Text ist die übersetzte Version eines Essays, der ursprünglich bei der US-amerikanischen Ausgabe der Technology Review erschienen ist. Leider wurde die Übersetzung radikal gekürzt. Die Originalfassung ist mehr als viermal so lang und behandelt das Thema deutlich umfassender. Für den Einstieg ist die Übersetzung aber gut geeignet und enthält trotz der Kürze so viele kluge Beobachtungen, dass sie mir einen piq wert ist.

Besonders wichtig finde ich diesen Absatz:

Aber wir sind nicht nur wegen digitaler Technik dort angelangt, wo wir heute sind. Die russische Regierung mag sich über soziale Medien in die US-Wahlen eingemischt haben, aber sie hat nicht die Grundlage für soziales Misstrauen, schwache Institutionen und abgehobene Eliten gelegt, welche die USA erst anfällig für diese Art von Einmischung gemacht haben.

Wer mit einem Finger auf Russland zeigt, deutet mit vier Fingern auf sich selbst. Das gilt auch für Europa:

Einheimische Akteure in den USA und Westeuropa verbreiteten über digitale Plattformen sehr viel eifriger Fehlinformationen. Wenn die digitale Vernetzung den Funken lieferte, konnte er nur zünden, weil der Brennstoff schon da war.

Tufekcis Fazit mag banal klingen, scheint aber immer noch nicht bei allen angekommen zu sein:

Die Verantwortung dafür liegt nicht bei Russland, Facebook, Google oder Twitter, sondern bei uns.
Die westliche Demokratie steckt in der Krise. Ist das Internet schuld?

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Kommentare 10
  1. Alexander Sängerlaub
    Alexander Sängerlaub · vor mehr als 5 Jahre

    Grandioser Text, Danke.

  2. Frederik Fischer
    Frederik Fischer · vor mehr als 5 Jahre

    Der Text ist ein echter Gewinn - vielen Dank auch für die Verlinkung der Original-Version. Mit dem Fazit hadere ich aber. Das gleiche Argument wurde auch schon nach der Finanzkrise angewandt. "Hätten sich die Leute mal genauer angeschaut, was sie da unterschreiben". Das ist sicher nicht falsch, aber wenig konstruktiv. Die allermeisten Menschen werden sich niemals freiwillig mit dem anstrengenden Klein-Klein von Politik, Wirtschaft, Psychologie, Soziologie, etc. beschäftigen. Was also soll so eine Forderung bewirken?

    1. Simon Hurtz
      Simon Hurtz · vor mehr als 5 Jahre · bearbeitet vor mehr als 4 Jahre

      Du hast recht: Den Nutzern™ die Verantwortung in die Schuhe zu schieben, ist natürlich Quatsch. Ich fand es nur wichtig klarzustellen, dass Facebook, Google und andere Tech-Plattformen keine gesellschaftlichen Probleme lösen können (und auch nicht daran schuld sind, sie verstärken sie höchstens). Im Original sind die Kapitel zu Ursachenforschung und Problemlösung (Nr. 5 und 6) deutlich ausführlicher. Dort skizziert Tufekci auch politische Maßnahmen (Kartellrecht, Regulierung, Einschränkung digitaler Datensammlungen), die auf Deutsch nur kurz angerissen werden.

    2. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor mehr als 5 Jahre

      @Simon Hurtz Mir begegnet in dem Text und auch an vielen anderen Stellen (u.a. gestern bei einem Talk von Lobo) immer wieder die Formulierung "die Medien werden von rechts gehackt". Ich halte den Facebook-Newsfeed hier für eine treffende Metapher. Auch der Newsfeed wurde gehackt (von "den Russen", Werbetreibenden, etc.). Facebook hat nun in einem recht radikalen Prozess den Algorithmus verändert und das Problem damit zwar nicht gelöst, aber doch erfolgreich eingehegt. Warum tun wir Medienmacherinnen uns so schwer damit ähnlich vorzugehen. Wenn wir erkennen, dass unser Nachrichtenauswahl-Algorithmus gehackt wurde, liegt es an uns diesen zu korrigieren. Konkret: Würden Redaktionen bei jeder Nachricht zwischen gesellschaftlichem Mehrwert und tradierten journalistischen Relevanzkriterien abwägen (also eben jener Algorithmus der sehr "hackable" geworden ist), würden es viele Nachrichten (insbesondere, die von rechts getriggerten) nicht in die Auswahl schaffen. Bei privaten Verlagen mache ich mir da wenig Hoffnung, aber zumindest die ÖRR sollten sich imho einer Generalüberholung ihrer Auswahl-Algorithmen stellen. Wie siehst du das?

    3. Alexander Sängerlaub
      Alexander Sängerlaub · vor mehr als 5 Jahre

      @Frederik Fischer "Hackable" sind ja aber nicht nur die Agenden der Medien und die Frage, wie Nachrichten zu Nachrichten werden und welche Auswahlprozesse populistisch vorgetragene Forderungen leider begünstigen – für die politische Agenda trifft das ja mindestens ebenso zu.
      Solange sich auch die Mitte der Politik die rechten Narrative zu eigen macht (Ab wie viel Metern ist ein Nachstellen eine "Hetzjagd"?), ist es natürlich schwierig für die Medien hier eine "bessere" Perspektive einzunehmen. Was ist denn die Alternative? Nicht zu berichten über die Aussagen von Seehofer, Maaßen und Co.? Problem sind doch an allen Ecken und Enden die Akteure, die den Populisten auf den Leim gehen, Politik und Medien betrifft es gleichermaßen. Die Hoffnung, dass es nach der bayerischen Landtagswahl ruhiger wird, lässt sich in Vorausschau auf die drei Landtagswahlen in Ostdeutschland 2019 leider auch schnell begraben. Die CDU in Sachsen reagiert ja fast nur noch "hysterisch" in anbetracht der Umfragen.

    4. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor mehr als 5 Jahre

      @Alexander Sängerlaub Im Endeffekt ist das zugegebenermaßen die Rückkehr der elendigen Diskussion über die (Nicht-)Berichterstattung von Terror-Anschlägen. Bei singulären Ereignissen halte ich die Debatte meist für müßig. Ich denke aber doch, dass wir mittlerweile eine anhaltende, umfassende und zunehmende Manipulation journalistischer Berufspraktiken erleben auf die wie reagieren müssen. Hab natürlich auch nicht die eine Antwort, aber ich wundere mich über den Reflex, an den bestehenden Praktiken festzuhalten obwohl wir täglich beobachten, dass wir Teil des Problems sind/werden. Dass Politiker auch eine wichtige und tragische Rolle spielen ist richtig, aber durch die Wechselbeziehungen zwischen Politik und Journalismus bleibt eine Veränderung bei einer Gruppe nicht ohne Konsequenzen für die andere. Würde das daher nicht getrennt betrachten.

    5. Alexander Sängerlaub
      Alexander Sängerlaub · vor mehr als 5 Jahre

      @Frederik Fischer Getrennt würde ich es auch nicht betrachten wollen, keinesfalls. Meine Gedanken gehen auf die Indexing-These des amerikanischen Politikwissenschaftlers Lance Bennett zurück, die sinngemäß so viel besagt, dass es Medien nur selten schaffen eigene Positionen zu entwickeln, wenn diese nicht vorher sich auch im politischen Spektrum abgebildet haben. Das hat natürlich auch viel mit der Verzahnung beider Felder zutun. Sortiert hier aber die Wurzel des Problems der Politik zu (da – auch nicht unberechtigt – der höchste Anspruch an den Journalismus erst einmal ist, die politische Wirklichkeit abzubilden).

      Das Festhalten an bestehenden Praktiken hat aber m.E. auch viel mit den ökonomischen Entwicklungen im Journalismus zutun. Alleine wie schwerfällig und ablehnend die Redaktionen durchweg auf neue Erkenntnisse und Ideen reagieren ("constructive journalism") etc., ist wahrscheinlich an vielen Stellen auch eine Frage von Kapazitäten und höherem redaktionellen Druck (technisch wie ökonomisch), der wenig Zeit für neue Praktiken lässt. Gleichwertige dramatische Einbrüche und Verschlechterungen wie im Mediensystem sind in der Politik ja so nicht nachzeichenbar.

    6. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor mehr als 5 Jahre

      @Alexander Sängerlaub Interessant. Muss ich mir anschauen. Danke für den Hinweis.

    7. Simon Hurtz
      Simon Hurtz · vor mehr als 5 Jahre

      @Frederik Fischer Entschuldigt, dass ich unter meinem eigenen Artikel gar nicht mehr auf eure Kommentare geantwortet habe. Ich war im Urlaub und offline. Aber danke für die interessanten Hinweise. Ich ergänze noch zwei Leseempfehlungen:

      - Dieser Essay von Bastian über die Frage, ob und wie Medien über Terror berichten sollten (weil du das auch angesprochen hattest, Frederik): https://www.zeit.de/20...

      - Diese Linksammlung von Johannes, unter anderem mit einem wichtigen Talk von danah boyd (den Hakan geqiqt hatte, glaube ich), in dem sie darlegt, wie Journalisten zu unfreiwilligen Helfern von Extremisten und Verschwörungstheoretikern werden (wobei ich die Debatte nicht eins zu eins aus den USA auf die deutsche Medienrealität übertragen würde): https://www.kopfzeiler...

    8. Frederik Fischer
      Frederik Fischer · vor mehr als 5 Jahre

      @Simon Hurtz Sehr hilfreich. Vielen Dank. Ich habe hier auch noch eine Ergänzung (gerade auf dem Weg ins Büro gehört). Die Folge "What are Journalists for?" vom Tricky Podcast. Emily Bell führt ein sehr erhellendes Interview mit Jay Rosen über genau die hier angerissenen Themen.
      http://trickypod.com/

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