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Freiheitsfonds: Entkriminalisieren des Fahrens ohne Tickets

Daniela Becker
Autorin

"Wie kann die Klimakrise gelöst werden?" ist die Frage, die mich am meisten beschäftigt. Ich bin Mitglied von RiffReporter, einem Autorenkollektiv und einer Genossenschaft für freien Journalismus.

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Daniela BeckerSonntag, 05.12.2021

Jedes Jahr müssen Tausende Menschen in Deutschland ins Gefängnis, weil sie sich kein Ticket für Bus oder Bahn leisten konnten. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Recherche von Frag den Staat und ZDF Magazin Royale.

Die Haftstrafe ist das härteste Mittel, das einem Rechtsstaat zur Verfügung steht. Sie stellt in Deutschland die letzte Konsequenz dar. Aber nicht nur Menschen, die wegen Raub, Mord oder Totschlag verurteilt wurden, sitzen im Gefängnis – auch Menschen, die kein Geld haben, um sich ein Ticket zu kaufen.
Denn ohne Fahrschein mit Bus oder Bahn zu fahren, ist in Deutschland eine Straftat. Wer dabei erwischt wird und die 60 Euro erhöhtes Beförderungsentgelt nicht zahlen kann, wird von den Verkehrsverbünden angezeigt. Grundlage dafür ist § 265a des Strafgesetzbuchs, „Erschleichen von Leistungen“ – ein Relikt aus dem Jahr 1935.

Eigentlich hat jede:r, die:der eine Geldstrafe erhält, die Möglichkeit, diese abzuarbeiten. Ist dies nicht möglich, kommt es zu einer „Ersatzfreiheitsstrafe“ – die Betroffenen müssen ins Gefängnis. Oft über mehrere Monate.

Die meisten, die eine Ersatzfreiheitsstrafe unter anderem wegen Fahrens ohne Fahrschein absitzen, sind arbeitslos, jede:r Dritte ist suchtkrank und mehr als ein Achtel obdachlos – so geht es aus einer Studie der Soziologin Nicole Bögelein in Mecklenburg-Vorpommern hervor.

Eine Ersatzfreiheitsstrafe ist für den Staat ziemlich teuer. Ein Hafttag kostet die Steuerzahler je nach Bundesland zwischen 98 und 188 Euro pro Tag. Jede vierte Person, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, sitzt wegen Fahrens ohne Fahrschein ein, Tendenz steigend. Das geht aus dem internen Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur „Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten“ zur „Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen“ hervor, den wir erstmals veröffentlichen. Der Bericht wurde 2016 von den Landesjustizministerien in Auftrag gegeben und 2019 intern vorgelegt, jedoch bisher nicht veröffentlicht.

Der Bericht verdeutlicht auch, wie die Politik bisher zur Herabstufung der Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit steht, was das Problem entschärfen würde: Es sei „sozialschädlich“ und würde den Verkehrsverbünden mehrere Hundert Million Euro Schaden jährlich verursachen: „Als Verhalten, das sich nicht nur gegen das Vermögen des Beförderungsverkehrs richtet (…), ist vorsätzliches Schwarzfahren auch als solches strafwürdig.“

Ein sehr lesenswerter Text, der veranschaulicht, wie dieses System ausgerechnet den Schwächsten der Gesellschaft übel mitspielt – und noch dazu den Steuerzahler belastet.

Das bringt mich dazu, warum ich diesen Text in der Rubrik "gute Idee" piqe. Jan Böhmermann hat nämlich die Recherche medienwirksam dazu genutzt, um „Gefangene freizukaufen“ und dabei gleichzeitig dem Staat Geld zu sparen.

Das ZDF Magazin Royale hat im Rahmen der Recherche für 10.080 Euro sieben Menschen vor insgesamt 675 Hafttagen bewahrt und somit dem Staat circa 101.250 Euro erspart. Die Initiative freiheitsfonds.de hat in Berlin 21 Menschen, die bereits in Haft waren, mit 28.420 Euro aus dem Gefängnis befreit, damit weitere 2.130 Hafttage aufgelöst und somit dem Staat 319.000 Euro erspart. 

Die Initiative Freiheitsfonds sammelt weiterhin Geld, um weitere Hafttage aufzulösen und Menschen ein Weihnachten in Freiheit zu ermöglichen.

Freiheitsfonds: Entkriminalisieren des Fahrens ohne Tickets

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Kommentare 3
  1. Daniela Becker
    Daniela Becker · vor 2 Jahren

    Ab Min. 55 erzählt Arne Semsrott über den Stand des
    Freiheitsfonds. https://logbuch-netzpo...

  2. Michael Praschma
    Michael Praschma · vor mehr als 2 Jahre

    Die Situation ist schwer erträglich; das dürfte auf der Hand liegen. Aber bei der Sanktion anzusetzen, zäumt das Pferd vom Schwanz her auf. Leute, die auf Öffis angewiesen sind, sich die Tickets aber nicht leisten können, müssen einfach eine Freikarte o. Ä. bekommen. Und Leute, die aus Jux und Dollerei schwarzfahren, kriegen eins auf die Mütze.
    Man kann natürlich unabhängig davon diskutieren, ob für das Geld, das der Strafvollzug kostet, nicht in jedem Bus etc. wieder eine Schaffner*in sitzt. Hat mal sehr gut funktioniert.

    1. Daniela Becker
      Daniela Becker · vor 2 Jahren

      Ab Min. 55 erzählt Arne Semsrott über den Stand des
      Freiheitsfonds. Er zeigt ziemlich gut auf, wie kaputt das System ist. https://logbuch-netzpo...

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