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Literatur

Mein kleiner Buchladen: „Debüts“ - Zwei sehr ernsthafte Damen

Mein kleiner Buchladen: „Debüts“ - Zwei sehr ernsthafte Damen

Anne Hahn
Autorin und Subkulturforscherin
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Anne HahnMittwoch, 22.02.2017

"Wenn Sie morgens aufwachen und zum ersten Mal die Augen aufschlagen und nicht wissen, wer Sie sind und was Ihr bisheriges Leben war - das ist schön. Wenn Ihnen dann einfällt, wer Sie sind und was Ihnen am Tag so bevorsteht, und Sie dann immer noch glauben, Sie schwebten wie ein glücklicher Vogel durch die Luft - das ist schön. So ist das eben, wenn Sie keine Sorgen haben. Sie können mir nicht weismachen, Sie würden sich gern ängstigen.“

Pacifica, ein spanisches Mädchen in Panamas Hafenstadt Colón, belehrt das Ehepaar Copperfield über die Schönheit der Sorglosigkeit. Was als Urlaubsreise eines Paares beginnt, entwickelt sich zu einem Rauscherlebnis der erwachten Ehefrau. Sie folgt dem Mädchen in ihr Hotel.

„Die Wände des Hotels de las Palmas waren aus Holz und leuchtend grün angestrichen. Zahlreiche Vogelbauer standen in den Korridoren oder hingen von der Decke. Einige waren leer. Das Zimmer des Mädchens befand sich im zweiten Stock, und die Holzwände waren genauso farbenfroh wie die auf den Gängen.“ Kaum in ihrem Zimmer angelangt, entledigt sich Pacifica ihres Kleides, ruft die Amerikanerin zu sich aufs Bett, man mag ein wenig ausruhen.

Als die Begegnung ihren eigenwilligen Verlauf nimmt -  Mrs. Copperfield verlässt ihren Mann, zieht zu Pacifica und nächtelang durch Bars, badet morgens im Meer und singt Schlager vor Matrosen - sind wir Leser schon auf Seite 64 und bei der zweiten der „sehr ernsthaften Damen“ angelangt. Etwa hundert Seiten währt die Panama-Geschichte, hinein geschoben in den Bericht über eine andere (sehr) ernsthafte Dame, Miss Goering, die mit einigen Außenseitern ihr Erbe verprasst. Mrs. Copperfield und Miss Goering, die sich nur flüchtig kennen, könnten Schwestern sein, oder verschiedene Spielarten ihrer Schöpferin – sie sind liebenswerte Streunerinnen, neugierig, vorurteilsfrei, launisch – aber ganz bestimmt nicht ernsthaft.

Jane Bowles, heute vor 100 Jahren in New York geboren, veröffentlichte 1943 mit diesem Debüt ihren einzigen Roman. Einige Erzählungen und ein Theaterstück sollten folgten. Ich stieß in den neunziger Jahren auf sie, als ich Carson McCullers entdeckte und die WG February House in Brooklyn. Hier war das Paar Bowles häufig zugegen. Paul Bowles, Komponist und Theaterkritiker, hatte 1937 die zwanzigjährige Jane Auer kennen gelernt. Sie wurden schnell ein Paar. Ein Paar, das sich durch diese Verbindung vor allem von gesellschaftlichen Konventionen befreite, dergestalt ihre Homosexualität ausleben und einander Freund bleiben konnte.

Mit Jane Bowles Veröffentlichung der Two Serious Ladys begann auch Paul zu schreiben. Seine Erzählungen erschienen, Jane arbeitete an einem zweiten Roman. Doch die teilweise scharfe Kritik an ihrem Erstling setzte ihr zu: die „New York Times“ schrieb zum Beispiel, der Versuch, die Handlung von Two Serious Ladys zu enträtseln, würde bedeuten, die „eigene geistige Gesundheit zu riskieren“.

Reisen folgen, selten gemeinsam - zwischen Mittelamerika, den USA, Nordafrika und Asien. 1948 lassen sich die Bowles in Marokko nieder. Tanger ist als „Internationale Zone“ ein El Dorado der Dekadenz und Kreativität. Ausschweifende Partys, Alkohol und Drogen aller Art gehören zum Alltag. Truman Capote, Peggy Guggenheim, Tennessee Williams, William S. Burroughs und Jack Kerouac sind zeitweilig mit von der Partie. Pauls erster Roman „Himmel über der Wüste“ erscheint 1949 und wird prompt ein großer Erfolg. Jane laboriert an Schreibblockaden, multiplen Ängsten und Süchten, verliebt sich unglücklich in eine Markthändlerin und erleidet mit 39 Jahren einen Schlaganfall, von dem sie sich nicht mehr erholt. Die letzten fünf Jahre ihres Lebens verbringt Jane Bowles in einer psychiatrischen Klinik in Málaga, wo sie blind und gelähmt 1973 stirbt.

Lange Zeit war der „Himmel über der Wüste“, die gleichnamige Verfilmung des Paul Bowles Romans von Bernardo Bertolucci, mein Lieblingsfilm. Ich liebte Kit, großartig gespielt von Debra Winger - für mich gleichgesetzt mit Jane Bowles, der verletzlichen Getriebenen. Heute finde ich in ihr Werk zurück. Zu ihrem wilden Mut, ihrer Lebensfreude, ihrem Aufruf zur Aufsässigkeit - und ihrem ironischen Bedauern darüber, wie vergänglich das Ergebnis sein kann.

Am Ende des Romans treffen die beiden ernsthaften Damen aufeinander, nehmen sich gegenseitig als erbärmlich, schwerfällig und fad wahr. Sie werfen es sich vor. Mrs. Copperfield haut auf den Tisch und sagt:

"Ich bin vor die Hunde gegangen - und das ist etwas, das ich mir seit Jahren gewünscht habe. Ich weiß, meine Schuld könnte nicht größer sein, aber ich habe mein Glück, und das verteidige ich wie eine Wölfin, und Autorität habe ich jetzt und etwas mehr Kühnheit; Eigenschaften, die ich, wie Sie sich erinnern werden, vorher nie besessen habe."

"Mrs. Copperfield wurde allmählich betrunken und ihr Anblick zunehmend unangenehmer."

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