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Literatur

Hurensöhne! Über Schimpfen, Romanprojekte, Lyrik & Lektorat

Andreas Merkel

Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).

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Andreas MerkelMittwoch, 24.06.2020
Für die Autorin Juliane Liebert interessiere ich mich seit ca. 2017 wie für eine Romanfigur (also ohne sie überhaupt richtig zu kennen). Als klassischer Feuilleton-Junkie wurde ich durch eine Filmkritik zu Good Time, dem Safdie Brothers-Werk mit Robert Pattinson, auf sie aufmerksam. Die Rezension las sich wie ein melancholischer Kurzroman über die im Verschwinden befindliche Kulturtechnik des Kinogehertums und verhandelte auf engem Raum alle wichtigen Fragen: a) ist der Film überhaupt gut?, b) mit wem kann ich da reingehen?

Seitdem lese ich alles von ihr - und hatte zwischendurch tatsächlich mal die Idee zu einem Liebesroman zwischen zwei Autoren, die nichts miteinander zu tun hätten, außer dass ich sie gleichermaßen gern las und ihnen auf Instagram folgte: Moritz von Uslar und Juliane Liebert. (Das war zu der Zeit, als man noch Instagram-Fotos gucken konnte, ohne selber auf Instagram sein zu müssen: was ich strikt ablehne.) Moritz hätte gewissermaßen für das "old me" als Zeitungsleser gestanden, Juliane fürs "new me", und ich hatte mir was mit Happy Ending ausgedacht, dann aber verworfen.

Geblieben ist mein Interesse an beiden und die Bereitschaft, mich bei erstbester Gelegenheit sofort zum Interview zu treffen.

Neueste Anlässe bei Juliane: Hurensöhne!, ihr toller Radio-Essay übers Schimpfen, gerade bei Starfruit Publications (Mindstate Malibu) als Buch erschienen. Und ihr Lyrik-Band lieder an das große nichts, nächstes Frühjahr bei Suhrkamp. Dass sie ihr Debüt dort nicht in Prosa gibt, enttäuschte mich als Romanautor kurz. Dann erinnerte es mich an meine alte Begeisterung für Lyrik - und mein anderes Romanthema: die Beziehung zwischen Lektor und Autor, die ich mir im Lyrik-Bereich noch mal eine Spur intensiver, wahnsinniger vorstellte (à la Celans Lektor schmeisst das Handtuch, weil er die Gedichte nicht mehr versteht).

Also traf ich mich vorletzte Woche nicht nur mit Juliane am Landwehrkanal, sondern auch mit ihrer Lektorin Martina Wunderer im Tischtennispark hinterm Suhrkampgebäude zu zwei Gesprächen auf einen Starbucks-Eiskaffee über Schimpfen, Lyrik und Lektorat. Unspoken im Background: meine eigene Geschichte mit Lyrik.

Die frühe Begeisterung für Joseph Brodsky - "eines Tages wird ihm, dem Herzen, etwas zustoßen" (Wir fahren fort zu leben). Damals weder vom Deutsch-LK-Lehrer noch von meiner Jugendliebe, der Tennislandesmeisterin, geteilt. Und Jahrzehnte später wieder getroffen in Carrères Limonow (Limonow sah in Brodsky seinen Todfeind und machte sich über das dekadente Spätwerk des Nobelpreisträgers lustig: "Gedichte über Venedig!"). Oder die erstaunliche Entdeckung, dass mein Lieblingsautor Roberto Bolaño (2666) sich eigentlich immer eher als Lyriker begriffen hatte: "Ich träumte von Detektiven, verloren in der dunklen Stadt."

Interessanterweise kannte Juliane aber Bolaño überhaupt nicht und legte mir stattdessen Anne Sexton ans Herz, die ich wiederum bislang nur als Name kannte, die es aber locker mit Bolaño aufnimmt: American confessional poet der 60er, befreundet mit Sylvia Plath, Ex-Model, Familienmutter, bipolare Störungen, Pulitzer-Preis für Live or Die, performed ihre Poesie wie ein Star (s.u.!), Selbstmord mit 45 ... - Peter Gabriel widmete ihr Mercy Street - laut NME "one of the 10 most depressing songs of all time".

An Juliane beeindruckt mich die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich als Dichterin sieht: wie sie schon als Jugendliche an Lyrik-Kreisen in ihrer Heimstadt Halle/Saale teilgenommen hat. Ihr "frühwerk" (alternativer Debüt-Titel) handelt von Gogols verdrehtem Leichnam im Sarg, biologischen Gefühlen beim Koksen, Trostliedern für Battlerapper und hat auf alle wichtigen Moviegoer-Fragen - "Ist das überhaupt gut? Wen kann ich mitnehmen?" - super lyrische Antworten. Auf ihrem Phone spielt sie mir noch Klaus Kinski spricht Villon vor. An Maren Kames gefällt ihr der Eigensinn.

Ob das - Eigensinn - nicht neben einer Stärke auch die große Falle für Lyrik sein könnte, frage ich später Julianes Lektorin Martina Wunderer. Martina hat eine klasse Friederike-Mayröcker-Frisur, über Heiner Müller und weibliche Liebeslyrik studiert und wäscht mir erstmal energisch-nett den Kopf. Nein, Lyrik könne überhaupt nicht eigensinnig genug sein. Typen wie Ann Cotten, Titel wie Softsoftporn, Fluchen wie bei The Wire ("100 Arten, am Tatort fuck zu sagen") - alles, was das Genre nach vorne bringt! Eine harte Lektorin will sie aber nicht sein. Ein "Bitte anders." am Rand: schon das strengste der Gefühle.


Hurensöhne! Über Schimpfen, Romanprojekte, Lyrik & Lektorat

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