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Literatur

Der Präsident als Autor

Der Präsident als Autor

Felix Lorenz

Schreibt hier über Literatur und Literaturähnliches.

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Felix LorenzDienstag, 24.01.2017

Jetzt ist Barack Obama nicht mehr Präsident der Vereinigten Staaten. Der neue Präsident heißt Donald Trump und zumindest, was die Sache der Sprache angeht, wissen wir schon, was das heißt: Ein eher restringierter Redestil wird etwas mehr Raum einnehmen.

Barack Obama war ein Präsident, der wie kaum ein anderer Vertrauen in die Sprache hatte. Zum Programm von Obama gehörte der Versuch, mit den Möglichkeiten der Rede Veränderungen zu bewirken. Das hat seine Limitierungen, und ziemlich sicher war es auch zu viel Vertrauen, aber, da kann man nicht meckern, auf diese Weise entstehen gute Texte.

Obama hat einen Sinn für Selbstironie und eine seltene Gabe für das decorum. Er weiß, in welcher Stellung er sich befindet und trifft fast immer den richtigen Ton. Das kann man in seinen einprägsamsten Reden sehen, und meistens sind es auch die, die er selbst geschrieben hat: Die Rede auf dem Demokratischen Parteitag 2004, die „A More Perfect Union”-Rede aus dem Wahlkampf 2008 oder die Grabrede nach dem Massaker in Charleston im Juni 2015.

Politiker, die sich als Autoren betätigen, sind heutzutage ein rares Gut. Ulysses S. Grant wurden anlässlich seiner Memoiren von seinem Freund Mark Twain noch „cäsarische Qualitäten” im Stil attestiert (nicht falsch), Winston Churchill hat für seine Reden und historiographischen Bände den Literaturnobelpreis bekommen (auch nicht falsch) und Leo Trotzkis Autobiographie „Mein Leben” kann man gar nicht genug ins Licht stellen.

Mittlerweile ist es aber selten geworden, dass sich schon distinguierte Individuen mit ihren Memoirenwerken noch zusätzlich literarische Meriten erwerben wollen. Es klingt heute wie ein Relikt aus altbürgerlichen Zeiten. Bücher von Poltikern dienen eher als ein Zitatefundus, den man gut querlesen kann, mehr eine Stoffsammlung für die Mit- und Nachwelt als eine lineare Lektüre. Das stellt andere Anforderungen an die Sprache und nur selten liegen sie nahe an den Mitteln, auf die es in der Literatur ankommt. Die meisten verfassen ihre Bücher nicht alleine und lassen sie von Ghostwritern ausarbeiten.

Nicht so Obama. Wie er schreibt, kann man in seinem ersten Buch sehen, „Dreams from My Father”, das 1995 erschienen ist und das sich noch immer zu lesen lohnt (den etwas schwülstigen Titel dabei einfach ignorieren). Man merkt hier auch, wie unterschiedlich die stilistischen Anforderungen von Erzählung und Rede sein können. Das Vorwort, das erst 2004 hinzugefügt wurde, klingt nach dem Stil, den man von Obama als öffentlicher Person kennt. Kurze Sätze, aus denen man das Luftholen am Anfang und das langsame Absinken der Stimme heraushört, Parataxe, Pointierung.

Das eigentliche Buch ist ganz anders geschrieben: mit langen Perioden, einem guten Sinn für Bilder und einem Humor, der sich, wie in seinen Reden, in unaufdringlichen ironischen Bemerkungen zeigt. Als ihm sein Vater Anfang der 1980er schreibt, er solle wissen, wo er hingehört, kommentiert er das szenisch:

He made it sound simple. Like calling directory assistance.

“Information—what city, please?”

“Uh … I’m not sure. I was hoping you could tell me. The name’s Obama. Where do I belong?”

Obama kann in allen Belangen zu sich selbst auf Distanz gehen und egal, wie natürlich ein Verhalten an ihm wirkt, es ist eine Kopfgeburt. Über seine Versuche, als Jugendlicher im Baseball-Team erfolgreich zu sein, schreibt er: “I was living out a caricature of black male adolescence, itself a caricature of swaggering American manhood.” Man kann hier jemanden dabei beobachten, wie er mit Anfang 20 darüber entscheidet, wer er wird, und das dokumentiert, noch ohne dass er selbst wissen kann, dass das Ergebnis eine Person der Geschichte sein wird. Er kann nicht zurück nach Hawaii, nicht nach Indonesien, auch nicht nach Kenia zu seinem Vater, aber sein familiärer Hintergrund gibt ihm auch nicht das Gefühl ein echter Afroamerikaner zu sein: “if I had come to understand myself as a black American, and was understood as such, that understanding was unanchored in place.” Also beschließt er, dass er sich diesen Hintergrund erarbeiten muss. Wenn sich ganze Kulturen auf erfundene Traditionen berufen können, kann das auch ein einzelner.

Vielleicht hat „Dreams from My Father” deshalb einen eigenen Charakter, weil Obama es noch zu einer Zeit schrieb, als er noch keine Person des öffentlichen Lebens war. Sein zweites Buch, „The Audacity of Hope”, veröffentlicht, als er schon Senator war, wirkt dagegen wie ein Buch, das er wahrscheinlich in größeren Teilen nicht selbst geschrieben haben dürfte. Es ist weniger kohärent, etwas lieblos und mehr essayistisch als erzählerisch. Das macht es zu einem der Meinungsbücher, die man eigentlich nicht lesen muss, um sie zu kennen.

Ich wage zu hoffen, dass Obamas nächste Bücher nicht so sein werden und wir einen Rückblick auf seine Präsidentenjahre bekommen, der die gleiche Distanz zu sich selbst erkennen lässt, mit der er auch seine Zeit als Jungintellektueller beschrieben hat. Seine vielleicht interessantesten Bücher sind noch ungeschrieben. Zeit dazu hätte er jetzt.

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