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Literatur

BATA BATA BATA

BATA BATA BATA

SABINE SCHOLL
Autorin
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SABINE SCHOLLDienstag, 19.01.2021

Geschäfte für preiswerte Bata-Schuhe finden sich in so manchen Einkaufsstraßen. Die Marke mit dem schönen neusachlichen Schriftzug ist mir seit der Kindheit vertraut. Kürzlich erschien zur Geschichte dieses Namens der Roman „Mit Bata im Dschungel“. Das Thema war der weitgereisten tschechischen Autorin Marketa Pilatova zufällig untergekommen, als sie im Süden Brasiliens Tschechisch-Unterricht gab. Dort lebt eine Nachfahrin der Firmengründer, welche wegen Repressionen und Geschäftsinteressen ihr Herkunftsland verlassen hatten. Enkelin Dolores verfügt über Aufzeichnungen, Briefe, Dokumente, Fotos und Erinnerungen, welche die Autorin mit Recherchen ergänzt, um etwa 100 Jahre und drei Generationen zu schildern, u. a. die Verwicklungen von Jan Bata, Halbbruder des bei einem Flugzeugabsturz umgekommenen Gründers. Früh schon war ihm die Idee gekommen, die Produktion auszulagern, Arbeitsstellen für Tschechen und Einheimische in Brasilien, später auch in Indien und anderen Überseegebieten zu schaffen. Die Besonderheit dabei: Ganze Infrastrukturen wurden zusammen mit den Fabriken aufgebaut, städtische Gebilde, von denen viele den Namen Bata inkorporierten: Batatuba, Bataguassu, Batanagar, Batawa etc. Eine frühe Version der Globalisierung, aber unter verhältnismäßig humaneren Bedingungen. Das Vorbild des amerikanischen Autoherstellers Ford in Fordlandia war gescheitert, Batas Städte jedoch prosperierten.

Dann aber überstand Jan die Besetzung der Tschechoslowakei durch die Nazis nicht und die Familie floh nach Brasilien. Als sich nach dem Krieg im Heimatland ein kommunistisches Regime etablierte, wollte der Staat sich das funktionierende Unternehmen einverleiben. Ein Schauprozess gegen Jan wurde veranstaltet, im Zuge dessen das Werk enteignet und verstaatlicht wurde. Die jahrelangen Versuche der Batas, nach dem Ende des Regimes ihr Eigentum wiederzuerlangen, scheiterten.

Pilatova überantwortet die Darstellung dieser turbulenten Ereignisse einer Reihe von Familienmitgliedern, die ihre Version der Geschichte schildern, aus denen sich nach und nach ein vollständiges Bild ergibt. Dazu kommen kluge Überlegungen zum Exil, zu Verlusterfahrungen, zur selbstverständlichen Mehrsprachigkeit innerhalb der Familie:

„Nicht nur die Gerüche der Speisen vermischten sich dort miteinander, auch die Sprachen. Serbisch mit Tschechisch und Portugiesisch, mährische Kraftausdrücke mit Juristenenglisch, elegantes Literaturfranzösisch mit Papas serbischen Anekdoten oder den deutschjüdischen Witzen aus Wien, wo er Jura studiert hatte.“

Viel Raum nimmt im Roman die Selbstverteidigung Jan Batas ein, mit der er den vom kommunistischen Regime gestellten Vorwürfen entgegenwirken will. Pilatova verwendet dafür eine Reihe von Originaldokumenten, z. B. auch den Dankesbrief einer jüdischen Frau, deren Familie Jan, wie viele andere, vor Verfolgung durch die Nazis gerettet hatte, indem er ihnen Arbeitsmöglichkeiten in den Übersee-Fabriken verschaffte. Dem steht jedoch der Nachkriegsvorwurf entgegen, Jan hätte den Nazis zu wenig Widerstand geleistet, ja mit ihnen kollaboriert, weshalb er sowohl von den Briten als auch den Amerikanern auf eine schwarze Liste gesetzt worden war. Eine Rehabilitierung ist gewünscht und wird schließlich Jahrzehnte später erreicht.

Interessanter als diese Figur sind im Roman jedoch die Frauen gezeichnet. Der Firmenpatriarch hatte sogar für sie eine Vision. Die „Batafrauen“ sollten vor allem Mütter sein, ihre Männer und Söhne unterstützen, auch wenn sie Talent für die Geschäfte hatten. Lieber einen ungeeigneten Schwiegersohn für die Geschäftsführung ernennen, als eine begabte Tochter. Und dann züchtet der serbische Schwiegersohn lieber Orangen. Ab der dritten Generation tritt das Tschechische schließlich zurück, keiner denkt mehr an Rückkehr. Langsam beginnt Brasilien in die exilierte Familie zu dringen.

Pilatova versteht sich in ihrer Darstellung nicht als allwissende Autorin, sondern schafft mit der polyphonen Konstruktion eine Familiengeschichte samt politischem Hintergrund. Vor allem Dolores, die Frau, die der Autorin diesen Raum eröffnete, bleibt am sympathischsten im Gedächtnis. Alles in allem eine ungewöhnliche und ungewöhnlich erzählte Geschichte.

Marketa Pilatova: Mit Bata im Dschungel. Wieser-Verlag, Klagenfurt

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