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Literatur

BALKAN-TRILOGIE

BALKAN-TRILOGIE

SABINE SCHOLL
Autorin
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SABINE SCHOLLMontag, 13.12.2021

60 Jahre nach Erscheinen des Originals wurde Olivia Mannings Balkan-Trilogie – übertragen durch Silke Jellinghaus – in deutscher Sprache veröffentlicht. Die von autobiografischen Elementen durchdrungenen Romane schildern das Leben von Expats während des nahenden 2. Weltkriegs in Bukarest. Aus britischem Blickwinkel werden die rumänische Hauptstadt als halb-orientalisch, ihre Bewohner als unzivilisierte, verschlagene Figuren dargestellt. Rumäninnen, falls sie halbwegs kultiviert auftreten, suchen nach ausländischen Ehemännern, um sich aus dem Chaos zu retten. Dies ist jedoch nicht Hauptthema des Romans, sondern die Beziehungen der Fremden untereinander, allen voran die Ehe von Guy Pringle, einem mit dem Kommunismus liebäugelnden Englischdozenten und seiner jungen Frau Harriet. Britische Gesandte, Lehrpersonal, Journalisten treffen sich in Restaurants und bevorzugt in der englischen Bar des Hotels Athenée. Keiner will den Ernst der Lage anerkennen, sich zu amüsieren scheint wichtiger. Der Krieg ist etwas, das zwar näher rückt, aber nie wirklich anzukommen scheint.

So wie die sich überlegen fühlenden Expats die Realität politischer Veränderungen nicht wahrhaben wollen, so ist Harriet zögerlich, den Differenzen, die sich zwischen ihr und ihrem Gatten auftun, Taten folgen zu lassen. Sie durchschaut ihn, bleibt jedoch in ihrer Rolle als Ehefrau handlungsgehemmt. Letztlich ordnet sie ihre Einsichten bis zur quälenden Selbstaufgabe denen ihres Mannes unter. Dieses Missverhältnis ist möglicherweise der Genese dieser Romane geschuldet, da die Figur Harriet keinen eigenen Beruf ausübt, Olivia Manning sich hingegen keineswegs untätig, sondern als Schriftstellerin mit ihrem Gatten im damaligen Bukarest aufhielt und für die Trilogie auf Notizen und Aufzeichnungen zurückgriff. Mannings lebendige Beschreibungen der Stadt, der Sommerhitze, der mondänen Gesellschaften, des häuslichen Lebens mit einheimischer Dienstbotin, alles unter dem Einfluss wachsender Kriegsgefahr, zeichnen ein bewegtes Stimmungsbild. Die Metapher vom Pulverfass, das jeden Moment explodieren kann, wird dieser Atmosphäre nur gerecht. Dazu wird jede Menge Zwetschgenschnaps getrunken.

Schwer erträglich sind Guys Sorglosigkeit und Selbstüberschätzung. Als Lehrender und Vertreter der britischen Nation fühlt er sich verpflichtet, die Stellung zu halten, ignoriert Bedrohungen, denn es gibt bereits Straßenkämpfe, Morde, Verhaftungen auch seiner jüdischen Bekannten. Dass Harriet darunter leidet, will er nicht wahrhaben. Im Gegenteil neigt er dazu, sich in noch schwierigere Situationen hineinziehen zu lassen.

Da ist zum einen der liebevoll gezeichnete Jakimow, ein aristokratischer Schnorrer mit britischer Staatsbürgerschaft, der seine Wohltäter mit Anekdoten unterhält. Während seine einst luxuriöse Kleidung zerfällt, fabuliert er über sein angebliches Vorleben als Kriegskorrespondent und Verbindungen zu höheren Kreisen, Nazis inklusive. Eine fast kindliche Naivität gemischt mit Durchtriebenheit ermöglichen ihm bei Bedarf an die Güte seiner Mitmenschen zu appellieren. Guy bringt ihn in der gemeinsamen Wohnung unter und Harriet wird ihn nicht mehr los. Zum anderen versteckt das Ehepaar einen jüdischen Studenten auf der Flucht und versucht, ihm einen falschen Pass zu verschaffen. Inzwischen verliert Rumänien Territorien, der König muss abdanken. Guys Vorgesetzter wird von pro-deutschen Randalierern zusammengeschlagen. Erst gegen Ende von Band zwei verlässt Harriet mit dem Segen ihres Ehemannes Bukarest.

16 Jahre nach Olivia Mannings Rumänienaufenthalt (ihr Partner unterrichtete dort im Auftrag des British Council) verfasste die Autorin dieses Zeitbild, das sich mit einigen Abstrichen heute noch spannend liest. Den dritten Band, Freunde und Helden, in dem sich das fiktive Ehepaar in Athen wiederfindet, habe ich noch nicht durch.

Olivia Manning: Der größte Reichtum Bd. 1, Die gefallene Stadt Bd. 2, Freunde und Helden, Bd. 3, Rowohlt-Verlag

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Kommentare 3
  1. Mathilda Twist
    Mathilda Twist · vor mehr als 2 Jahre

    "Aus britischem Blickwinkel werden die rumänische Hauptstadt als halb-orientalisch, ihre Bewohner als unzivilisierte, verschlagene Figuren dargestellt. Rumäninnen, falls sie halbwegs kultiviert auftreten, suchen nach ausländischen Ehemännern, um sich aus dem Chaos zu retten.

    Geht dieser "britische Blickwinkel" beim Lesen nicht auf die Nerven? Mir fällt es grundsätzlich schwer, Beobachtungen klug zu finden, wenn der Blickwinkel einer ist, der andere Kulturen im Verhältnis zur eigenen, gewohnten simplifiziert und abwertet.

    1. SABINE SCHOLL
      SABINE SCHOLL · vor mehr als 2 Jahre

      Ja, das kann manchmal nerven. Aber die geschilderten Zeitumstände sind trotzdem interessant zu verfolgen, weil von einer Person beschrieben, die sich tatsächlich für längere Zeit vor Ort befunden hat.

  2. ursula drees
    ursula drees · vor mehr als 2 Jahre

    danke für die anregung

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