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Literatur

ZU VIEL EIFERSUCHT UND DROGEN

Quelle: privat

ZU VIEL EIFERSUCHT UND DROGEN

SABINE SCHOLL
Autorin
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SABINE SCHOLLMontag, 22.01.2018

Darf ich zugeben, T.C. Boyle zu lesen, ohne unseriös zu wirken? Als Vielleserin packe ich Bücher auch dieses Autors zwischendurch auf meine Liste. Und ja, zur Unterhaltung. Und ja, manchmal funktioniert das. Manchmal ist das Buch weitaus besser als erwartet, manchmal schwächer.

Nun ist wieder ein Roman erschienen, „Die Terranauten“, in dem der Autor sich seinem Lieblingsthema, der akribischen Beobachtung einer geschlossenen Gesellschaft, widmet. Diesmal ist das Setting eine Biosphärenkuppel, basierend auf einem wahren Experiment. Boyle zeichnet Psychogramme einer Forschergruppe, die in dem luftdicht verschlossenen Biotop bis an die Grenzen des körperlich und psychisch Aushaltbaren gehen. Aus drei verschiedenen Perspektiven erfahren wir weniger über die Tier- und Pflanzenwelt als über menschliche Schwächen, welche die zu Forschungszwecken aufeinander eingeschworene Gruppe schließlich an den Rand des Scheiterns bringen. Über allem Geschehen steht der gottähnliche Initiator des Projekts, dem bedingungsloser Gehorsam entgegengebracht werden muss.

Diese Konstellation findet sich in verschiedenen Ausformungen in vielen von Boyles Romanen. In “Drop City“ ist es eine chaotische Gemeinschaft von Hippies, die einheimischen Fallenstellern und Trappern in die Quere kommen und überhaupt zu viel Drogen nehmen, um in der Wildnis überleben zu können. In „Willkommen in Wellville“ zeichnet der Autor witzig eine zauberbergartige Klinik, die der Frischkostreligion frönt. In „Grün ist die Hoffnung“ ziehen sich drei eher richtungslose Figuren in eine abgelegene Gegend Kaliforniens zurück, um im Auftrag eines Dealers illegal Marihuana zu züchten. „Die Frauen“ beschreibt ausführlich Lebens- und Arbeitsorganisation des weltberühmten amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright anhand seiner Beziehungen zu den Frauen, die sein Genie unterstützten. All das sind Utopien von einem selbstbestimmten, freien Dasein, begonnen mit beachtlichem Mut zur Veränderung, welche meist in Durcheinander und Streit enden und sich danach auflösen.

In „América“ stellt Boyle die gespaltene Gesellschaft des Landes anhand der Gegensätze zwischen Bewohnern einer Gated Community nahe der mexikanischen Grenze und der gefährdeten Existenz von illegalen Einwanderern dar. Dieses Buch habe ich als erstes wahrgenommen. Ich war gerade in die USA gezogen und von dort aus erschienen mir die Schauplätze und beschriebenen sozialen Umstände interessant. Ich bin überhaupt der Meinung, dass es etwas ausmacht, wo und unter welchen Bedingungen ein Buch gelesen wird. In meiner Nachbarschaft in Chicago gab es viele mexikanische Arbeiter, so dass mir Boyles Schilderungen sofort nahe waren.

Seinen ersten Roman führte ich mir bei einem Aufenthalt in Marokko zu Gemüte, während die Toilettenspülung in unserem Haus nicht zur Ruhe kam, und die Geschichte passte hervorragend. „Wassermusik“ ist Boyles extremstes Buch, eine Studie menschlicher Hybris, basierend auf den Abenteuern des schottischen Entdeckers Mungo Park, der ohne viel Vorwissen in unbekannte Gebiete Schwarzafrikas vordringt. Doch sind die westlichen Körper der Eindringlinge weder dem Klima, noch den Insekten, noch den Kampftaktiken und Verhaltensweisen der Einheimischen gewachsen und so treiben sie immer tiefer in ihr Verderben. „Wassermusik“ ist Boyles bestes Buch, weil es dicht an den Beeinträchtigungen der Körper entlang, grauenvoll und eindrücklich erzählt.

Bei den „Terranauten“ jedoch legt der Autor mehr Wert auf die Interaktionen zwischen einzelnen Figuren, zwischen drinnen und draußen, als auf das Habitat seiner Studienobjekte, das in anderen Büchern ausführlich geschildert wird. Von anfänglicher, antrainierter Solidarität der Terranauten kommt es im geschlossenen Raum zu Kleingruppen- und Paarbildungen, in der Folge zur Herausbildung von Feindschaften. Hunger, Eifersucht, Eitelkeit und schlechtes Management lassen das Projekt fast missglücken. Doch dann bleibt der äußere Schein gewahrt und wird als Erfolg verkauft. Das ist manchmal lustig und meist angenehm zu lesen, aber begeistert wird man davon nicht. Trotzdem schätze ich Boyle als Chronisten fehlgeschlagener Utopien im angeblich so freien Amerika. Auch und weil ich nicht mehr dort lebe.

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