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Literatur

Zerstreuung

Zerstreuung

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtSamstag, 06.04.2019

Zu Achim Stegmüllers Zerstreuung

„Manchmal werden die Geräusche der Zikaden im Sommer so laut, dass das, was wir im Unterrichtsraum sagen, kaum noch zu hören ist.“

Zerstreutheit ist ein eingeführter Topos in der Kunst und Literaturgeschichte. Das zerstreute Subjekt, dass aufgrund seiner überbordenden Wahrnehmungen und Gedanken sich in der Welt verirrt und clownesk sich verheddert, immer wieder über die eigenen Füße stolpert, oder wegen der heran fliegenden Eindrücke und Gedanken vergisst, was konkret und augenblicklich zu tun ist, Salz mit Zucker verwechselt und den Tee dann dennoch kalt werden lässt, weil seine Aufmerksamkeit plötzlich von einem Vogelschwarm vor einer grotesken Wolkenformation abgelenkt wird. Zerstreutheit als Eigenschaft. Diese Zerstreutheit aber ist es nicht, die Achim Stegmüller meint. Es geht hier um reale Subjektauflösung. Das Feste geht wirklich verloren, nicht nur einem fahrigen wirren Professor, sondern es löst sich auf und zerstreut sich. Die Welt wird zum Kaleidoskop.

In der vorliegenden Erzählung, die jüngst im Textem Verlag erschienen ist, zeigt sie sich in 74 kleine Teile aus Situationsbeschreibungen, Erinnerungen, Reflexionen und Zitaten zersplittert.

Der Autor Achim Stegmüller selbst ist ein Wanderer zwischen den Welten, zumindest zwischen der japanischen und der deutschen, konkret wandert er zwischen der Kaiserstadt Kyoto und einem der vielen pfälzischen Orte mit Namen Rot hin und her.

Das klingt nach großer Welt und kleiner Welt, aber eine derartige Hierarchisierung ließe der Autor wahrscheinlich nicht zu, denn er findet im Großen das Kleine und umgekehrt, oder er findet es nicht, so wie der Protagonist des Textes nach einem Umzug in ein relativ neues Gebäude den Mülleimer nicht findet und bei der Suche nach einem Ablageplatz, den Müll im Rucksack, zunächst auch keinen öffentlichen im Park.

Man kann Stegmüllers Erzählung als einen Kommentar zur Globalisierung lesen, aber nicht hinsichtlich einer Globalisierungskritik. Vielmehr dahingehend, dass sich ein Subjekt in einer globalisierten Welt auflöst, zerstreut eben, diese Auflösung aber einen doppelten Effekt hat. Lustvoll und verwirrend zugleich. Zum Einen geht der Protagonist sich verloren, verliert seine festgefügte Identität. Das könnte man als dramatisch beschreiben, es enthält zum Anderen aber auch ein befreiendes Element, denn es ermöglicht Begegnungen, Begegnungen mit dem Fremden, aber auch Selbstbegegnung. Und bei beiden kann man ins Staunen und Wundern geraten. Geschichten und Geschichte schieben sich ineinander und ergeben in neuer Anordnung neue Bilder.

Der Erzähler wandert zudem zwischen den Sprachen, denn er unterrichtet Deutsch an einer japanischen Universität, und in dem Maße, wie er sein Deutsch weitergibt, erlernt er die japanische Sprache. Das ergibt eine doppelte Fremdheit, denn die Sprache in die man hineingeboren und hinein gewachsen ist, verliert in dem Moment, da man sie an Schüler vermittelt, die mit einer anderen Sprache kultiviert sind, ihre naturwüchsige Unmittelbarkeit; sie wird beschreibbare und betrachtbare Struktur. Das entbirgt eine doppelte Fremdheit. Hier ermöglicht die Konfrontation mit dem Fremden eine Begegnung mit sich selbst. Das kann lustvoll sein, aber auch schwierig. In jedem Fall aber ist es spannend und interessant.

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