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Literatur

To the Glory of God

To the Glory of God

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtDonnerstag, 26.03.2020


Was für Bach und Augustinus, für Petrarca und Michelangelo selbstverständlich war, dass Kunst ein Teil des Gottesdienstes, und Ausdruck der höchsten Verehrung des Höchsten ist, dessen, der noch über der Liebe schwebt, weil er es ist, von dem alle Liebe ausgeht, weil wir als Liebende sein Abglanz, ein Umstand, der mit der Moderne mehr und mehr aus dem Bewusstsein gerät?

… dessen Vollzug, aus der künstlerischen Praxis verschwand.

Autonomisierung, scheint mir, ist eine wachsende Illusion, die Mensch und Werk als unabhängig nebeneinander stellt und damit deren Produktcharakter verdeckt, und so eben auch den Produktcharakter des Menschen selbst. Gleich wer da geschöpft hat, meinen wir das Geschöpf habe zwar Kindheit, Alter und Tod, doch sonst sei es ganz es selbst. Man behauptet zwar, man wisse um die gesellschaftliche Verfasstheit des selbst, handelt aber, als gäbe es das Originalgenie.

Das Wort Geschöpf wird synonym für Lebewesen gebraucht, aber nur im Mitleid, das das Wörtchen mitschleppt, im armen Geschöpf, blinkt auf, woher es einmal kam (woher einmal es kam, wie Adorno formulieren würde). Ob es doch eher eine Maschine meint?

Weil sich das Schöne vom Guten trennte, weil das Schöne seinen Zwilling sucht und nur noch ab und an mit Gutem in Beziehung tritt, im Modus One night stand und nicht im Versuch eine neue Verwandtschaft zu begründen, wobei hier mit Gut das moralisch Gute gemeint ist, das Gute im besten Sinne; und plötzlich taucht jene Verneigung wieder auf. To the Glory of God.

Als Motto in Les Murrays Gedichtband: Übersetzungen aus der Natur.

Bei der Edition Rugerup ist ein Gedichtband mit einhundert von Les Murray selbst ausgewählten Gedichten erschienen: Aus einem See von Strophen.

Und die Widmung erschien mir unerwartet, wie mir australische Dichtung überhaupt unerwartet erscheint. Australische Dichtung, ich höre dieser Bezeichnung nach, als sei es ein Widersinn. Und ich frage mich, woher das kommt, neben all dem was mir zu Australien in den Sinn fällt, Paul zum Beispiel, der Freund meines Schwiegervaters, und seine japanische Frau Chieko, die eigentlich in Perth leben, und die ein Viertel des Jahres am Fuße der Alpen verbringen, und uns, wenn wir die Schwiegereltern besuchen, mit Sushi verwöhnen ( und mir fallen vor allem Tiere ein, Beuteltiere, Schnabeltiere, Huntsman die Spinne) und da ist Les Murrey, und Les Murrey ist einer, der preist. Er dichtet zur Ehre Gottes und diese Widmung zielt unmittelbar auf den Höchsten, sie geht nicht wie üblich an Mary, Steffen oder T. K..

Als habe sich das geistige Vermächtnis des Abendlandes in den Wüsten Australiens als feiner Staub niedergeschlagen. Als wüsste man nur in der Trockenheit wovon Johannes in der Apokalypse spricht, wenn er von Wasser spricht. Sediment. Und die Marssonde funkt Bilder zur Erde, auf denen im Marssand eine weiße Substanz zu sehen ist. Wenn diese unter der Sonne verschwände, dann wäre es Eis gewesen.

To the glory of God.

Für Nichtchristen wie mich sollte ein solches Verhalten im Grunde unverständlich bleiben, aber es leuchtet mir wider Erwarten unmittelbar ein, es ist mir als Geste näher als all die Verweise auf Ehefrauen, Mütter, Kinder und Freunde, die Widmungsempfänger, die ich nicht kenne, mit denen ich also auch nichts verbinde, deren Existenz ich aber nicht im Geringsten bezweifele. Letzteres ist vielleicht ein Fehler. Als kennte ich (einen) Gott. Umgeben von einem undurchschaubaren Dickicht. Umgeben von Leben. Nennen wir es Komplexität. Und es geht gar nicht darum, darin einen Platz zu finden, im Dasein, dessen einziges Attribut es ist, dass es eben da ist.

Kann man glauben, ohne zu glauben, oder wie glaubt man, ohne zu glauben? Oder glaubt es sich selbst? Was sind die Schöpfungsszenarien? Haben die verschiedenen Erzählungen einen gemeinsamen Grund? Sind sie Ensemble? Religionstheoretische Schriften bringen mich da nicht weiter und Religionskritik auch nicht, fügen sie doch den Erzählungen nur weitere Erzählungen hinzu.

Der Papst, der den Petersdom in Auftrag gegeben hat, sei ein korruptes Arschloch gewesen und sein Nachfolger ein Familienmensch im Sinne dessen, was man heute Mafia nennt. Und jetzt stell dich hin, und sag das auf vor der Pieta des Michelangelo. Diese Gedanken werden von der Glasscheibe davor genau so zurückgeworfen wie die Fotoblitze dieser nervenden japanischen Touristen und versickern in der kühlen Luft ohne Rest. Verschwinden weit schneller als ein Fingerhut voll Wasser auf trockenem Sand in der Sonne. Und vor allem ohne Spur.

Jürgen Brocan hat die Apokalypse des Johannes neu übersetzt. Auch er glaubt nicht. Dennoch ließ ihn gerade jener Text nicht los. Und in Kohelet heißt es, Steine einzusammeln habe seine Zeit, wie Steine auszustreuen seine Zeit habe. Und im Hohelied, dass sie gegangen sei, als er aufstand.

Ich glaube nicht an Gott, aber ich fürchte, dass ich, wenn ich preise, eben jenen Gott bejubele, den auch Les Murray bejubelt und dem Augustinus gedankt hat. Irgendwas ist da. Irgendwas sitzt tiefer. Kirschen ins Lichtmuster gestickt, wie Elytis schreibt. Oder Bloch: etwas atmet. Aber es ist nicht zu fassen.

Dieses Etwas, das atmet, wie es schneit oder regnet. Eine impersonelle Leerstelle, sagt Ernst Bloch. Das Einfache, das Unverständlichen. Das Wunder. Verdammt! Es gibt also eine Leerstelle, um die unser aller Denken kreist. Das Wunder, die unüberschaubare Vielfalt des Seienden, deren Schönheit ich preisen will. Indem ich den Rasen hinterm Haus küsse, wie Päpste die Landebahnen in fernen Ländern.

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