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Literatur

Schreiben Tag für Tag

Andreas Merkel

Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).

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Andreas MerkelSamstag, 12.09.2020
Aus dem Leben eines Literatur-Junkies. Weil ich letztens von einem Rezensenten noch nie gehört hatte (Christian Schärf, über Marius Goldhorns "Park"), führte die kurze Recherche gleich zu neuem Stoff (der Horror): Den Nietzsche-Roman "Ein Winter in Nizza" (Eichborn) und den Kreatives Schreiben-Duden "Schreiben Tag für Tag. Journal und Tagebuch" (Dudenverlag), beide Bücher von besagtem Christian Schärf, Dozent am Literaturinstitut Hildesheim und FAZ-Kritiker.

Der Nietzsche-Schmöker beginnt ein bisschen zu historisch, um ihm sofort zu verfallen ("Am 2. Dezember 1883, einem Sonntag, wehte eine starke, aber milde Brise vom Hafen her die Rue Ségurane zur Place Garibaldi hinunter..."), aber der Tagebuch-Duden entpuppt sich als echter Volltreffer:

Auf den ersten Blick ist das Tagebuch eine eher harmlose literarische Gattung. Will man mit dem Schreiben anfangen, muss man zum Beispiel keine großen Grundkenntnisse darüber besitzen, wie man ein Tagebuch führen sollte. Man muss auch nicht unbedingt wissen, wie Goethe oder Kafka Tagebuch führten. Selbst Inhalt und Stoff eines Tagebuchs stellen einen nicht vor unlösbare Probleme, denn irgendetwas hat man schließlich immer über sich selbst zu notieren: ein Erlebnis vom gestrigen Tag, oder auch nur, wie es einem heute gerade so geht.

Super Einstieg! Denn in der vermeintlichen Einfachheit – "Tagebuch kann jeder" (Reich-Ranicki) ist bereits das Drama der Stoffbeschaffung angelegt. Sollte man aufgrund der niedrigen Hemmschwelle tatsächlich der Tagebuch-Schreibkrankheit erliegen: "Tagebuch könnte ich nie, da würd ich mir ja ständig in die eigene Tasche lügen" (Heiner Müller).

Durch diese beiden Zitate wie Scylla und Charibdis hindurch führt einen Christian Schärf aber mit schöner Leben-Schreiben-Engführung (Cesare Paveses Tagebuch als "Handwerk des Lebens" - ... wobei Pavese sich später umbrachte) und klugen Kapitel-Einteilungen. Zu unterscheiden sind beispielsweise das "anarchische Notizbuch" vom "asketischen Journal" und der "pedantischen Chronik". Es gibt zahlreiche inspirierende Zitate der Profis (Pepys, Goethe, Kafka) und zum Teil selbst etwas kafkaesk anmutende Profi-Tipps:

Nehmen Sie sich schließlich eine ausgreifende Beschreibung eines Eindrucks vor, vielleicht auf einer Reise, und versuchen Sie, so viele Details wie möglich mit aufzunehmen. Lassen Sie Ihre Stimmung und Ihre Gedanken einfließen, und kommentieren Sie das Beschriebene im Zuge der Beschreibung.

Wer es vielleicht ein bisschen mehr hands-on-DIY-mäßiger möchte, kann zum Einstieg ins Tagebuch-Schreiben aber auch auf den unten verlinkten New-York-Times-Artikel zurückgreifen. Hier wird das Diary-Business ebenfalls mit dem Willen zur Ambivalenz zwischen benefits und dangers angepriesen.

A journal also helps capture the wonderful things in life so you can enjoy them vividly much later on. The funniest wedding toast. The sweetest kiss or the best night of making love. ...

The best journals are the ones most brutally honest. Perhaps that’s why far fewer people keep journals than use social media postings to show only their happy faces.

Aber es überwiegt natürlich bei aller Zerrissenheit letztlich der Glaube an American Self-Improvement: if you’re hoping to improve your writing, there is no better way – und schon wirst du ein besserer Storyteller, auch im Job oder auf Partys. Außerdem: billiger Therapie-Ersatz (aber wie gesagt: Vorsicht! – simply beating yourself up in every entry will overwhelm you). Und: Du musst es natürlich nicht jeden Tag tun – aber besser wäre es schon, das ist ja der Sinn der Angelegenheit (und bevor sich wochenhohe Schreibschulden auftürmen) – wie beim Joggen, Klavierspielen oder Masturbieren: you build stamina, discipline and technique.

Viel Spaß also beim Self-Tracking (die New York Times empfiehlt auch noch ein paar Apps). – In meinen Tagebuch-Duden habe ich allerdings noch einen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung reingelegt, in dem Werner Bartens Anfang August Christian Drostens Vorschlag ablehnte, die Bürger sollten jetzt alle ein "Kontakt-Tagebuch" führen. Das wäre den meisten Menschen – bei aller "teutonischen Innerlichkeit" – doch unzumutbar fremd:

"Die Tagebücher der auf sich selbst zurückgeworfenen Autoren, die über das Verrinnen der Zeit oder ihre Schuhspitzen meditieren, reichen."

Aber: es wird Winter, Friedrich, und wir brauchen Stoff!

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