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Literatur

Nightwalking David Wagner, pt. II

Andreas Merkel

Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).

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Andreas MerkelDonnerstag, 30.09.2021

Was bereits nicht passierte.

… Das sagte mir David Wagner bereits bei unserem letzten Barbesuch vor 1,5 Jahren: „Ich mag keine Dialoge in Romanen“ (sinngemäß). Also verwerfe ich die Idee, unseren nächtlichen Spaziergang in reiner Dialogform zu schreiben.

Stattdessen hier die Synopsis unseres weiteren Gesprächs im Prassnik: Wir sprechen weiter eher nicht übers Spazieren, sondern lieber über das, was David gerade liest und schreibt.

Lesen: von Judith Hermanns neuem Roman nur die erste Seite. Chinesische Literatur aus dem 19. Jahrhundert, eine Heldinnen-Saga, wo es mitten im Roman ausführlich darum geht, wie Frauen sich „sprudelnd“ erleichtern (ein Thema, das uns später noch beschäftigen wird).

Schreiben: David arbeitet an einem Buch über eine ältere Türkin und deren bewegtes Leben. Die Frau hat vier Ehen hinter sich und in verschiedenen Kulturen gelebt, David besucht sie gerade immer wieder in der Türkei, wo die weit herumgekommene Leserin ihm sagt, wie sehr sie deutsche Gegenwartsliteratur verachtet (nichts los), was David zu der weltklasse Replik verleitet: „Ist doch okay, unsere Großväter wollten noch Russland erobern, wir müssen uns jetzt erst mal ausruhen.“

Das erinnert mich daran, warum ich David Wagner so mag: eine gewisse Faulheit, die ich vielleicht nur auf ihn projiziere und als wichtiges Handicap für Literatur begreife. Eine Geschichte muss so gut sein, dass sie auch ein bisschen Faulheit beim Aufschreiben aushält. Während dem einfach nur Fleißigen im allgemeinen Arbeitseifer ständig zu viel Belangloses oder Überambitioniertes in den Text hineinzufließen droht. Und dass David Wagner bei einigen nicht so beliebt ist (wegen des Erfolgs von Leben, der großartig erotomanen Krankenhausgeschichte seiner Lebertransplantation? Wegen der leichten bundesrepublikanischen Lebensmüdigkeit, der er sich in seinem Vater-Roman Der vergessliche Riese so knallhart aussetzt?), gefällt mir auch gut.

Aber das behalte ich jetzt für mich. Denn es ist inzwischen Montag, was wir daran merken, dass die junge Gruppe am Nebentisch laut Happy Birthday für jemanden singt. Zeit, das Prassnik zu verlassen, um endlich doch noch ein bisschen draußen rumzulatschen.

Wir laufen die Torstraße runter und dann die Brunnen hoch, an neuen Gebäuden und Geschäften vorbei, die David mir erklärt und die mir beim Vorbeiradeln nie auffallen, auch weil ich mich nicht so für Architektur interessiere.

Im Gehen haben wir dafür endlich auch die Muße, uns ein wenig mit Spazieren zu befassen: die richtigen Schuhe (er: New Balance Jogger, ich: adidas Niteball), Rucksack oder Umhängetasche (Umhängetasche), Notizbuch dabei ja oder nein (ja), neue Routen oder immer dieselbe (beides). David fährt sogar mit den Öffentlichen in die Outskirts und geht dann zurück, um auf die von Michel Houellebecq empfohlenen zwei Stunden Minimum zu kommen.

Was machen, wenn man in Bekannte oder Freunde reinläuft (stehenbleiben, kurz reden – passiert ihm dauernd und das mag David gerade am Spazieren: Das Sehen und Gesehen-Werden).

Oder noch wichtiger, wenn man länger unterwegs ist (und gerade in der Pandemie mit den geschlossenen Cafés ein Riesenproblem): Was, wenn man pinkeln muss? David empfiehlt, zur Not in die Büsche zu gehen (nicht so ideal, wenn man mit Frauen unterwegs ist, die man noch nicht lange kennt).

Was ist das ideale Tempo gegen die Melancholie und all die Vergangenheit (Stadt und eigene), die beim Spazieren jederzeit hochkommen kann? Vielleicht wie die Geher, denen David bei Olympia nachts gern zugeschaut hat. Er probiert es kurz aus – ein Fuß muss immer Bodenkontakt haben, die Knie dürfen nicht zu sehr gebeugt werden (sonst ist es Laufen), was mit Schaukeln in den Hüften montypythonhaft kompensiert wird – und ist mir sofort enteilt.

Je mehr man über das Gehen wissen will, merke ich, desto größer die Gefahr, zum Idiot des Gehens zu werden. Das Selbstverständliche, Natürliche, Langweilige (s. Part I) ist ja eben gerade auch das Schöne daran. Wir sind jetzt tatsächlich doch noch 1,5 Stunden in die Nacht gewandert, Berlin tut die Uhrzeit gut. Und uns der Perspektivwechsel auf eine Sonntagnacht, die man sonst ja komplett anders verbringt, auch.

An der Kastanienallee verabschieden David und ich uns schließlich. Auf dem Nachhauseweg komme ich an der Trommel vorbei, wo noch was los ist. Ich überlege kurz, da noch auf einen Absacker allein reinzugehen. Gehe aber weiter und gucke mir zu Hause noch zu einer Weinschorle die Bundesliga-Zusammenfassungen vom Sonntag an.

Nightwalking David Wagner, pt. II

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