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Literatur

Neapel; Neapel!

Neapel; Neapel!

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtMittwoch, 20.06.2018

Ulrich van Loyen hat eine Zeit lang in Neapel gelebt und geforscht, und wie bei anderen Ethnologen meint man, dass hier Forschung und Leben ineinander fließen, kaum mehr zu trennen sind. Im Ergebnis ein Buch. Neapels Unterwelt. Über die Möglichkeit einer Stadt --  so der Untertitel.

Man liest beispielsweise das:

Während die allgemeine Verehrung der Madonna dell'Arco seit dem 15. Jahrhundert gut nachweisbar ist und anhand der zahlreichen Votivbilder auch hinsichtlich ihrer Funktion und ihres sozialen Ortes bestimmt werden kann, sind die in den Vierteln Neapels und seiner Umgebung bestehenden rund 400 Associazioni mit ihrem etwas weniger als 30 000 battenti und fujenti nicht viel älter als hundert Jahre...

Auf der nächsten Seite ein Photo. Schwarzweiß. Am Boden liegend in weißen Gewändern Männer, aufgereiht in strenger Choreographie. Sie tragen um die Hüften rote Schärpen. Stechend Rot, meint man, obwohl das Foto Schwarzweiß.

Ein paar Seiten weiter eine Fotostrecke. Farbig jetzt, die Schärpen bleiben Rot. Der Gottesdienst ist Performance. Jeder Schritt, jede Bewegung erdacht. Und doch:

Obgleich das Begriffspaar der battenti (Stampfer, Geher) und fujenti („Fliehende“, die die letzten Hundert Meter zum Heiligtum rennend zurücklegen) für die weißgekleideten Pilger bis heute diesen Kult als exklusiv angesehen wird, gab und gibt es in Kampanien weitere Devotionen, die sich seit 1900 der gleichen Termini und ähnlicher Praktiken bedienen,..

Wir haben es hier mit einem wissenschaftlichen Werk zu tun, es bedient den Fachbereich der Religionsethnologie, und beschreibt den religiösen oder religionspraktischen Untergrund Neapels, der von einer atemberaubenden Vielfalt geprägt ist. Die katholische Amtskirche bestimmt ihn nur an der Oberfläche, darunter entfaltet sich ein religiöses Rhizom, dem der Autor folgt. Es scheint nicht darum zu gehen, es zu entwirren, was es zerstören würde, sondern Stränge, die zumeist mit handelnden Personen verknüpft sind, sichtbar zu machen. Teilnehmende Beobachtung nennt man das wohl im Wissenschaftsjargon und anders wäre die Beschreibung wohl auch gar nicht möglich gewesen, wäre im gewissermaßen Theatralischen der Oberfläche zu Ende gewesen.

Vielleicht ist es gemein, für das Lesen einen Grund zu suchen, außer eben den Text selbst, aber man liest ja nicht, wie man so sagt, im luftleeren Raum, sondern im Bett, am Schreibtisch, in der U-Bahn, im Flieger usw. Manche lesen sogar in Bibliotheken, andere in Buchhandlungen. Immer also an einem konkreten Ort, zu einer konkreten Zeit, die historisch nicht wiederholbar ist. Das könnte man meinen, sei ein Fluch. Aber der mittelalterliche Mönch und Philosoph von Ockham gab zu bedenken, dass Gott dem Menschen die Zeit geschenkt habe, dass er an der Unendlichkeit nicht verzweifle.

Aber verzweifeln wir nicht regelmäßig an dem recht eng geratenen Käfig der Endlichkeit? Literatur, Wissenschaft und Religion sind meiner Meinung nach erfunden worden, um das Jenseits unserer konkreten Situation, in meinem Fall ein Zimmer Hochparterre, in dem ich das Licht eingeschaltet lassen muss, weil vor dem Fenster eine große Tanne ihren Schatten streut.

Und es ist schon so, dass mir Lektüren wie diese das Reisen ersetzen. Also auf nach Neapel!

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