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Literatur

Mein kleiner Buchladen – „Vergessene Bücher“ - Vom Mars zur Erde

Mein kleiner Buchladen – „Vergessene Bücher“ - Vom Mars zur Erde

Anne Hahn
Autorin und Subkulturforscherin
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Anne HahnSonntag, 20.11.2016

Albert Daiber habe ich viel zu verdanken. Als ich vor etwa zwei Jahren beschloss, für meinen neuen Roman einen deutschen Zirkusdirektor in die Südsee reisen zu lassen, fehlten mir zeitgenössische Reiseberichte über ein solches Unternehmen. Die Fakten waren schnell recherchiert. Im Sommer 1900, einige Inseln der Südsee waren just deutsche Kolonien geworden, startete das erste Reichspostdampferschiff von Bremen über Sydney nach China. Und klapperte etliche der neuen deutschen Inseln ab. Meinen Zirkusdirektor an Bord. Aber was hatte er gesehen, wie waren die Temperaturen, wie lange dauerte die Fahrt, wie viele Passagiere waren auf so einem Dampfer? Immer mehr Fragen tauchten auf und schließlich brachte mich ein Freund auf die website einer australischen Universität, wo sich tatsächlich die damaligen Zeitungsartikel anschauen lassen, welche die "München" ankündigten, von Schiff und Fracht berichten; von Passagieren und Mannschaft, Kai-Ruhezeiten, Empfangskomitees und Wetter. Ich fing Feuer, malte die Route nach, hängte Karten auf und träumte mich hinein in diese Reise.

Bis ich plötzlich auf Albert Daiber stieß. Einen deutschen Pharmazeuten, 1857 in Canstatt geboren, der seine Universitätskarriere einfach an den Nagel hängte und als Vierzigjähriger noch einmal studierte, Medizin. Sehr sympathisch. Kaum hatte er 1900 das Diplom in der Tasche, begab er sich auf eine Südseereise – ja, jetzt kommt der Clou – mit „meinem Schiff“, der München! Die Notizen dieser Reiseerlebnisse veröffentlichte er 1902 unter dem Titel Eine Australien- und Südseefahrt bei Teubner in Leipzig. Jemand hat sich die Mühe gemacht, das gesamte Buch (384 Seiten) zu scannen und online zu stellen, sodass ich nachlesen konnte, wie die Fahrt verlief. Was für Geschenke! Inzwischen kann ich kaum noch trennen, was Daiber schrieb und was ich dazu erfunden habe, aber wenn mein Zirkusdirektor an Deck geht und gen Horizont blickt, wenn die Malayen Karten spielen und die Matrosen „Heil dir im Siegerkranz“ singen, ist Albert Daiber dabei. So plastisch, dass ich ihn schließlich als Figur in mein Ensemble aufnahm und in eigenen Worten schwärmen ließ.

Albert Daiber kehrte aus der Südsee für ein paar Jahre nach Deutschland zurück und begann utopische Romane zu schreiben. Anno 2222 erschien 1905 und muss als Ausgleich für seine Abenteuerlust gedient haben. Denn wie ich ihn aus den Reiseschilderungen der Südsee kannte, hielt er es nirgends lange aus. Wissbegierig und schwärmerisch hatte er jede der Inseln, an denen der Dampfer anlegte, untersucht und beschrieben. Nach dem wahren Paradies gefahndet. Durch Missionierung, Kolonialisierung und Einschleppung von Krankheiten war das Paradies jedoch längst zerstört, die ursprüngliche Kultur empfindlich gestört, die Stämme entzweit und die Völker dezimiert. Daiber merkte all dies kritisch an und eilte weiter, harrte der nächsten Chance entgegen.

Zurück in Europa zog er es vor, sich weg zu träumen. In die Zukunft, ins All. 1909 wanderte Albert Daiber endgültig nach Chile aus, arbeitete als Arzt und veröffentlichte einen zweiteiligen utopischen Roman. Die Weltensegler umfassen Drei Jahre auf dem Mars und Vom Mars zur Erde. Der Utopist starb 1928 in Santiago de Chile.

Mein Exemplar des Bandes Vom Mars zur Erde mit der Coverabbildung eines Raumschiffes über einem Sonnenuntergang gelang dieses Jahr aus dem Nachlass eines Steuerberaters zu mir. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Albert Daibers „Erzählung für die reifere Jugend“ von 1914 war innerhalb Berlins zu mir gewandert, während ich mit ihm in der Südsee weilte. Der Mars ist mir jedoch ein wenig ferner. Ich habe das Buch um den Erdensohn Fridolin Frommherz in seiner weitschweifigen Sprache nicht lesen können – ihm aber einen Ehrenplatz im Bücherregal eingeräumt. Hier der Anfang des Weltenseglers, Teil 2 - Vom Mars zur Erde:

„Phobos und Deimos, die beiden Marsmonde, hingen leuchtenden Kugeln gleich am nächtlichen Firmamente, der eine aufgehend, der andere bereits zum Untergange geneigt. Die sternklare Nacht war von märchenhafter Pracht und Schönheit. Tiefer Friede lag über den weiten Marslanden, die ein einsamer Erdensohn gedankenvoll durchwanderte. Wie war er hierher gekommen? Augenblicklich mochten es gegen zweihundert Millionen Kilometer sein, die ihn von seiner Mutter Erde, von seiner deutschen Heimat, von den Freunden in Tübingen, der Stätte seines einstigen akademischen Wirkungskreises im lieben Schwabenlande, trennten.“

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