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Literatur

Mein kleiner Buchladen: "frische Bücher" – Lipatti

Quelle: privat

Mein kleiner Buchladen: "frische Bücher" – Lipatti

Anne Hahn
Autorin und Subkulturforscherin
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Anne HahnDienstag, 12.02.2019
"Es lag etwas in ihr von der Anmut eines jungen, wilden Tiers. Sie lag auf dem Bauch und hatte den Kopf nach links, zu Marthas Seite, geneigt. Ihr langes, braunes Haar, in diesem Zustand erst recht ein chaotisches Gebilde, eher ein Fell als eine Frisur, floss über die Schultern auf das taubengrau schimmernde Laken."

Eine junge Frau liegt auf einer Matratze in einer Gruft, zwischen den steinernen Särgen von Mary und Martha. Neapel, protestantisch-englischer Friedhof, Ende des zweiten Weltkriegs. Nein, bei diesem schmalen Roman, der gerade im Mitteldeutschen Verlag erschienen ist, handelt es nicht um einen historischen Roman. Vielleicht wäre romantisch das angemessene Adjektiv, oder altertümlich? Alexander Suckel, selbst Musikwissenschaftler und Opernregisseur, dirigiert uns an der Seite seines Helden Kruse in ein perfekt durchkomponiertes 190 Seiten langes Abenteuer. Wir können nur atemlos mitrennen und hören – den ersten Hinweis gibt bereits der Titel. Der Ausnahmepianist Dinu Lipatti dient jedoch nicht nur als musikalischer Leitfaden des Romans, es ist vor allem die gleichnamige Bar in Neapel, welche das Cover ziert und mich verzaubert.

Mit zehnjähriger Verspätung erhält Suckels Held Kruse ein Paket aus dem Nachlass seines verstorbenen Onkels. Gleichzeitig mit einem anonymem Brief. Der Briefschreiber droht ihm darin, er solle aus der Hinterlassenschaft keinerlei Nutzen ziehen. Soweit der Anfang des Romans. Kruse fährt von Halle nach Wittenberg, sucht die seit Jahren unverändert gebliebene ehemalige Künstleragentur auf und liest sich durch Geschäftsbücher der verstorbenen Agentin Mathilda Bebel – und kommt einem Verbrechen auf die Spur. Mathilda, eine dem Kirschlikör zugeneigte Dame, hatte sich vor fast einem halben Jahrhundert eines Liebhabers entledigen wollen, (davon hatte sie gleich zwei – und einer war der Onkel Kruses), aber den Falschen erwischt.

Kruse sammelt Hinweise und begibt sich, Lipattis Bach'sche B-Dur-Partita im Walkman (!), auf die Reise. Zunächst nach Zürich, wo er den reichen und recht seltsamen Sohn Mathildas trifft, welcher irgendwo im Chinesischen Meer dem Stamm eines kleinen Naturvolkes Totenmasken entwendet hat, in Cy Twomblys Bildern Botschaften entziffert und auch sonst in Rätseln spricht. Das ist alles flott und spritzig erzählt. Alexander Suckels Sprache passt zu seinem mondänen Figurenensemble und dessen morbiden Gepflogenheiten. Kruses Klavierschülerin Alina, eine pubertierende Schulschwänzerin, recherchiert daheim in Halle am Computer und berichtet ihrem Meister von jenem Naturvolk, einem Stamm;

"der eine besondere Form des Totenkultes praktizierte. Die Angehörigen dieses nun ausgestorbenen Volkes behielten ihre Toten monate-, mitunter jahrelang bei sich. Sie wurden nicht begraben oder verbrannt, sondern mumifiziert und in einer speziellen Hütte aufgebahrt. Eine solche Hütte war in jedem Dorf vorhanden. Familien, die ein Mitglied verloren, kochten täglich für den Gestorbenen, richteten seine Schlafstätte her, ließen junge Mädchen darin schlafen als Gespielinnen für den Dahingegangenen. (...) Die Masken schienen ein Medium sein, um mit den Toten in Kontakt bleiben zu können."

Die Geschichte um einen Mord in den siebziger Jahren führt Kruse von einer Zürcher Telefonzelle aus nach Neapel, wo er die junge Mathilda Ende des Zweiten Weltkrieges in ihrem Versteck auf dem Englischen Friedhof antrifft, betrachtet und sich einbringt in den Verlauf derselben...

Vom Verlag wird auf dem Backcover des Buches der "phantasmagorische Überschwang in den Traumsequenzen" gelobt – das halte ich für eine Fehldeutung. Dieser kleine Roman ist ein Buch, das Grenzen verwischt. Dessen Bilder hinübergleiten auf die dunkle Seite unserer Phantasie, ohne sie als Traum zu kennzeichnen, zu diffamieren. Der die Schlupflöcher der Zeit kennt, ihre schwarzen Ritzen – hier scheint Alfred Kubin auf, dort das Neapel Curzios Malapartes. Wie weit die Verstrickungen Mathildas zurückreichen und der Plot schließlich glücklich wie kunstvoll aufgelöst wird – blieb mir nebensächlich, ich hocke noch in der dunklen Abstellkammer der Bar Lipatti und lausche der zwanzigjährigen Mathilda mit dem verfilzten Haar, wie sie mit drei Männern einen Vertrag aushandelt.

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Kommentare 1
  1. Richard Géza Hebstreit
    Richard Géza Hebstreit · vor 5 Jahren

    coole Story!....mache derzeit auch so einen Unsinn.....
    Zeit: 15.März 2019 - 15.Mai 2019
    NUMMER 1: Scheißwetter in Nizza!

    "Der Morgen war dunkel und wolkenverhangen, ich wachte nicht auf mit einem Scheuerlappen im Mund, sondern nur mit einem ähnlich schlechten Geschmack im Mund, sowie mit einem 5 Sterne Kater. Mir war kotzübel!

    Ein Scheiß Wetter schimmert durch mein "Meeresblick" Aparthotel Adiagio Hotelfenster! Es ist ein kalter Vorsaison-Sonntag im März in Nizza. Eigentlich wollte ich am Vormittag nach Cannes rüber mit dem Bus fahren. Nur, es war Radrennen angesagt. Der Bus war deswegen ausgefallen. Ich hatte nichts gelesen davon. Ich kann nicht französich. Der Nachmittag wurde dann gefüllt mit herum quatschen mit meinem vom Berlin nach Nizza geflüchteten Sammlerfreund Horst, der immer auf das feine Wetter schwor. Desderwegen lebte er dort...die fetten Pensionsjahre verbummeln. Wir sammeln Kunst und Design der Bauhausära. Nur, in der Vorsaison, im März ist das nicht spektakulär. Die Trödelmärkte fahren nur mit halber Kraft, die Antiquitätenhändler haben noch schlechte Laune, wegen dem miesen Umsatz.

    Eine tolle Adresse nach einer telefonischen Information vor zwei Tagen hatte ich an diesem Tag über einen ehemaligen Kollegen aus Berlin in petto. Könnte mit einem Deutsch-Amerikaner, einem Mr. Don Schulz mit seiner Fünfzehn Meter Segelyacht nach Marseille am Montag mit segeln. Für eine Kiste Bier und nur helfen beim Anlegen und Ablegen. Klar mach ich das. Treffpunkt war Le Magnan Einundzwanzig Uhr.

    Eine Stunde vorher war ich schon da, hatte Hunger. Steak SUGGESTION mit Mushroms im Le Magnan hatte ich verputzt. Dreiviertel Neun kommt ein älterer Typ, so wie ich mit Schnauzer und Basecap und zerfledderten Sneakers an meinen Tisch. Er war vorher auf der Toilette und knöpft sich noch die Hose zu. "Your Gezzzza" bellt er. Er, als Deutsch-Amerikaner, versteht kaum ein Wort Deutsch mehr. Ich verstehe sehr wenig Englisch - und wenn nur den maritimen und militärischen und polizeilichen Kram. Drei junge Frauen hat er im Schlepptau, zwei noch an einem Wandtischsofa sitzend und Coktails schlürfend. Eine davon, die sich mit "Anna von der Lurche" vorstellt, schaut gelangweilt an die Decke, - die andere die Iri, grinst mich an und begrüßt mich auf Russisch mit deutschem Akzent. Eine Wasserstoffblonde, Liz hängt dann verschmust französische Coseworte murmelnd in den Armen von Mr. Don Schulz. Iri kann auch englisch und und deutsch und fließend übersetzt sie wie eine Konferenzdolmetscherin, dass zwei die Geschäftspartnerinnen und eine die Freundin von Mr. Schulz wären. Es wäre genug Platz auf dem Schiff. Die Mermaid 2 bietet auf 15 Meter Länge in 4 Doppelkabinen mit 4 Nasszellen, Pantry und gemütlichem Salon eine passende Ausstattung zum Segeln und Leben an Bord. Ich grinse ihr ein leichtes Staunen entgegen. "Kannst du kochen? fragt Anna" Ich verneine, obwohl ich Zweisternkochkenntnisse habe......

    Dann beetet sie weiter vor, was es an Bord alles gibt: Sicherheitsausrüstung: Dopelradaranlage, zwei Rettungsinseln, Rettungswesten, Lifebelts, Rettungsring, Notsignale, Seereling, Verbandskasten, Feuerlöscher, Werkzeug, Halogenscheinwerfer und vieles mehr. Navigationsausrüstung: GPS, Peilkompass, Fernglas, UKW-Telefon, Weltempfänger, Windmesser, Autopilot, Hafenhandbücher, Seekarten für das Revier, Echolot, Leuchtfeuerverzeichnis, Navigationsbesteck. Sonstige Ausrüstung: Beiboot, Außenbordmotor, Küchenausstattung komplett, Gasherd

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