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Literatur

Kinderbücher 15: Der Popo von Hippopo

Kinderbücher 15: Der Popo von Hippopo

Jochen Schmidt
Schriftsteller und Übersetzer
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Jochen SchmidtDonnerstag, 28.02.2019

In den letzten Jahren ist eine beachtliche Zahl von Kinderbüchern des französischen Illustrators Marc Boutavant auf Deutsch erschienen (und dabei sind es noch lange nicht alle, es gibt schon weit über 60). Besonders schätze ich "Der Popo von Hippopo". Dieses Buch verbindet zwei beliebte Kinderbuchgenres, Tierfabel und Klogang. Als die Urwaldtiere sich versammeln, um am Fluß zu trinken, ist das Nilpferd schlecht gelaunt, weil es unzufrieden mit seinem Po ist, den es für zu dick hält. Über die Frage, ob der Po vom Nilpferd nun groß oder klein oder eher so mittelklein ist (die Bewertung körperlicher Eigenheiten ist relativ) bricht ein Streit unter den Tieren aus, in dessen Folge es zu einer Schlacht mit faulen Früchten und einem detailliert dargestellten Gerangel kommt. Das Nilpferd zieht sich lieber zurück, weil es ein Bedürfnis verspürt. Alleine auf seinem Nachttopf (eine Art aufgeschnittener Kürbis), stellt es zufrieden fest, daß er genau die richtige Größe für seinen Po hat. Jetzt müssen auch alle anderen Tiere aufs Klo, unterbrechen die Prügelei und eilen zu ihren Nachttöpfen. Eine entspannte Heiterkeit stellt sich ein (vielleicht sollten Abrüstungsverhandlungen auf dem Klo geführt werden?) Anschließend verteilt das Nilpferd an jeden ein Trompetenbaumblatt als Klopapier.

Wer nicht glaubt, daß es sich bei der Klogangerzählung um ein ganzes Kinderbuchgenre handelt, für den liste ich hier einige Titel auf, die eine schnelle Recherche ergeben hat: "Das große Kackaturnier", "Pups, die Maus", "Alle müssen mal aufs Klo", "Herr Kacks und das Pi – So landen großes und kleines Geschäft diekt im Klo!", "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemach hat", "So ein Kack", "Die Kackwurstfabrik", "Aufs Klo? Das geht so!", "Der kleine Klo-König", "Machen wie die Großen", "Auch Feuerwehrmänner gehen aufs Klo", "Pipi und Kacki im Pipi-Kacka-Land", "Mußt du Pipi, kleiner Bär?", "Wo ist die Wurst?", "Kackgedichte". Dazu kommt eine ganze Serie von Monographien: "Finn geht aufs Töpfchen", "Oskar geht aufs Töpfchen", "Jakob und sein Töpfchen", "Conni geht aufs Töpfchen", "Lotta geht aufs Töpfchen", "Lili geht aufs Töpfchen", "Paul geht aufs Töpfchen", "Knöpfchen geht aufs Töpfchen", "Julchen geht aufs Töpfchen", "Caillou geht aufs Töpfchen", "Julian geht aufs Töpfchen", "Lola geht aufs Töpfchen", "Hündchen geht aufs Töpfchen", "Kleiner König geht aufs Töpfchen".

Eigentlich bin ich kein Freund von Töpfchenprosa oder überhaupt von Kinderliteratur als pädagogischer Geheimwaffe. Die Lektüre solcher Bücher soll aus den Lesern die Kinder machen, die die Erwachsenen gerne hätten (und zum Glück nicht haben). Anders ist es, wenn das Kinderbuch eigentlich den Erwachsenen erzieht, denn da gibt es Nachholbedarf. Ein Beispiel dafür ist "Der Kackofant", eine Geschichte über einen sympathischen Superhelden, der mit seinen Haufen einen Haufen Gutes tut. Die Kinderversion von Fils Karikaturstil und die gekonnt altmodischen Verse von Klaus Cäsar Zehrer passen wunderbar zusammen. Wenn es heißt: "Spielt doch mal selber Kackofant, doch wascht euch hinterher die Hand!" wird subtil die pädagogische Kinderliteratur parodiert. Manche Amazon-Kommentare zu diesem Buch sind vielsagend:

"Als ich das Buch das erste mal in den Händen hatte, wusste ich nicht, ob ich lachen oder heulen soll. Was sollen sich Kinder daraus ziehen, wenn ein Elefant alles in seiner Umgebung zukackt und dafür noch gefeiert wird?"

Was Kinder daraus ziehen sollen, weiß ich nicht, aber daß sie etwas daraus ziehen, habe ich erprobt. Ein weiterer Kommentar:

"Mir und meinen 3 und 5 Jahre alten Kindern, die das Vorlesen von lustigen Büchern lieben, hat sich weder Witz noch Sinn des Buches erschlossen. Es schafft es auch bei weitem nicht, Kinder beim Umstieg auf die Schüssel zu motivieren."

Wäre das nicht auch zuviel verlangt? Kann es eine Literatur geben, die so etwas leistet? Solche Elternreaktionen zeigen, daß Literatur für Kinder einen emanzipatorischen Wert haben kann. Ein Beispiel dafür ist diese illustrierte ethnographische Studie des globalen, menschlichen Flatulenzverhaltens von Lisa Hanawalt, die sogar mit Hörproben aufwartet. Ein Furz mit dem richtigen Timing kann vielen Situationen die Peinlichkeit nehmen.

Marc Boutavant zeigt in seinen Büchern häufig ein großes Interesse an der Dingwelt, gerne nutzt er die Gelegenheit, um hier und da Inventarien von Gegenständen einzustreuen. In "Pelzkugel und Ente" sind es die verschiedenen Kopfbedeckungen der Pinguine einer Kolonie. In "Der Po von Hippopo" sind es die Wurfgeschosse (zu denen auch ein Igel gehört), aber vor allem natürlich das Inventarium Nachttopforum Urwaldi dem er eine Doppelseite widmet. Wir sehen jedes Tier auf seinem eigenen Topf sitzen, man erkennt z.B. Konservendose, Kokosnuß, Baumstumpf, Eimer, Bambusrohr, Eierschale, die Schildkröte sitzt auf einem Schneckenhaus. Bei dieser Nachttopf-Wunderkammer kann man auch beim zehnten Lesen immer wieder etwas Neues entdecken. Mir gefallen der liebevolle und originelle Strich, die Freundlichkeit und die Freude an winzigen Details, die die Bilder ungeheuer lebendig machen.

Auch in anderen Büchern von Boutavant, haben Tiere menschliche Probleme. Es gibt Edmund, das schüchterne Eichhörnchen, das in einem Baumstamm über der Wohnung des Bären wohnt, sich aber nicht auf seine Kostümpartys traut und lieber zu Hause bleibt, Haselnußmarmelade kocht, Abenteuerliteratur liest und Bommeln bastelt. Man kann nicht sagen, daß Edmund bei dieser Lebensweise unglücklich wäre, aber schließlich überredet ihn die Eule, die in ihrer Wohnung eine ganze Sammlung Tierkostüme hat (Gelegenheit für ein Inventar!) mitzukommen. Edmund geht als Eichhörnchen verkleidet, so daß ihn niemand erkennt. In "Erpel liebt Ente" kann Erpel sein großes Geheimnis nicht für sich behalten, weil es so aufregend ist. So geht es aber auch allen anderen, die es sich gegenseitig verraten, auch wenn sie sich mit den Flügeln den Schnabel zuhalten, wie die Pute. Bis es alle wissen und schließlich auch die Ente es erfährt. In "Nur mal für einen Tag", das von Nadia Budde mit wundervollen Versen übersetzt wurde, wird durchgespielt, was für ein Tier man mal einen Tag lang sein könnte. Zum Schluß blickt man in einen Spiegel: "Ansonsten bleib' ich sicherlich / vor allem doch am liebsten ich".

Besonders empfehlen möchte ich "Niemals wilde Katzen kitzeln", in dem die als zapplig geltende Line bei einem Klassenausflug in den Zoo einen Tiger mit einer Feder kitzelt, was eine rube-goldbergsche Kettenreaktion auslöst, an deren Ende alle von einem ins Wasser fallenden Nilpferd vollgespritzt werden. Die winzige Irritation durch eine Feder hat eine maximale Wirkung.

Alle Bücher von Marc Boutavant sind wundervoll gestaltet, auch das vordere und hintere Vorsatzblatt wurden genutzt, so daß man noch etwas zu sehen hat, wenn man das Buch schon durchgelesen hat. Bei "Niemals wilde Katzen kitzeln", ist auf dem vorderen Vorsatzblatt ein symmetrisches Karomuster zu sehen, das von Line auf dem hinteren Vorsatzblatt durcheinandergewirbelt wird. Bei "Edmund" wirkt es wie eine poppige Bommeltapete. Bei "Nur für einen Tag" blicken den kleinen Leser eine Anzahl Tiere freundlich an und winken ihm teilweise zu, so daß man mit Blumfeld zurückgrüßen möchte: "Hallo Tier!"

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