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Literatur

KINDER IM KRIEG

KINDER IM KRIEG

SABINE SCHOLL
Autorin
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SABINE SCHOLLMittwoch, 21.03.2018

Der Krieg ist kein plötzliches Ereignis, sondern nähert sich allmählich. Der Krieg beginnt beim Zigarettenkauf. Eines Tages muss sich das Mädchen Ana zwischen der kroatischen und der serbischen Marke entscheiden. Bald darauf fliegt das erste feindliche Flugzeug über die Wohnsiedlung. Die Familie verklebt die Fensterscheiben. Väter werden zur Armee einberufen. Im Fernsehen können die Kinder live der Zerstörung zusehen. Die Bomben kommen näher. Es riecht nach verbranntem Holz, geschmolzenem Plastik, und säuerlichem Menschenfleisch. Dicke Rauchwolken stehen über der Stadt. Vielfach bleiben die Bewohner ohne Wasser und ohne Strom.

Wenn Autorinnen über Kriege schreiben, berichten sie eher von Kollateralschäden, denn vom aktuellen Kampfgeschehen, wie im Roman „Das Echo der Bäume“ von Sara Novic, in dem wir vom Jugoslawienkrieg aus der Perspektive eines Kindes erfahren. Als Barrikaden aus Sandsäcken auf der Straße errichtet werden, um die Panzer zu stoppen, beginnen die Kinder den Krieg nachzuspielen, schießen mit imaginären Waffen. Pluspunkte gibt es für die beste Imitation von Maschinengewehrlärm und für den, der den Tod am krassesten darstellt.

Schließlich gerät Anas Familie in die Gewalt serbischer Soldaten und wird mit anderen Opfern in einen Wald geführt. Jetzt hat der Krieg ihre Körper erreicht. Sie müssen sich vor einer Grube aufstellen und werden nacheinander erschossen. Nur Ana überlebt und flieht in das nächstgelegene Dorf. Sie verstummt und beginnt mit anderen, nicht an die Front Gezogenen zu kämpfen. Schließlich wird sie noch einmal per Zufall gerettet, nach Amerika geflogen und adoptiert.

Dort wird ihrer Vorgeschichte meist mit Unverständnis begegnet. Die Amerikaner können sich nicht vorstellen, warum Anas Familie trotz Gefahr die Stadt nicht verlassen wollte. Also erzählt das Kind nur mehr in Anekdoten vom Krieg, denen sie einen immer lustigeren Anstrich gibt, um ihre Zuhörer nicht zu verstören. Die Adoptivmutter benutzt Umschreibungen, wie „unruhige Zeiten“, um nicht die Worte Krieg, Trauma und Tod verwenden zu müssen. Daher findet Ana keine sinnhafte Erzählung für das Geschehene und beginnt mit der Zeit ihren Erinnerungen an die Eltern zu misstrauen, wird von Alpträumen geplagt. Je besser sie lügt, desto leichter gelingt die Integration.

Novic’ Roman rekonstruiert das Vergangene und nähert sich einer verdrängten Geschichte. Anlass dazu gibt Anas Aussage bei der UN-Behörde für Kindersoldaten. Sie beschließt, nach Zagreb zurückzukehren und trifft dort 10 Jahre später ihren Kindheitsfreund wieder. Zusammen suchen sie den Todesort von Anas Eltern. Doch nichts deutet mehr auf das Geschehene hin. Auch das Dorf, in das sie geflohen war, ist in Ruinen. Das Massengrab, das nicht mehr aufgefunden werden kann, das kaputte Dorf, diese Löschung ist der höchste Triumph der Kriegsherren. Schließlich fahren sie zum Haus, in dem Ana zu Friedenszeiten die Ferien verbrachte. Sie belebt noch einmal die guten Erinnerungen. Mondlicht dringt in die Hohlräume der Einschusslöcher und scheint sie zu füllen. Und für einen Moment wirkt das „wie ein Zuhause“.

Novic repräsentiert eine Generation von Autorinnen, die vom Jugoslawienkrieg erzählen, nachdem die Unmittelbarkeit des Schreckens vergangen und die realen Wunden in Gebäuden und Landschaft durch Zeit und Kapital unsichtbar gemacht wurden. Nun braucht es Historiker und Romane wie diesen, um Verdrängtes mit scheinbar unschuldigen Orten zu verbinden. Mittels Literatur könnten wir aus vergangenen Kriegen lernen, wie geflüchtete Kinder heute fühlen, und dass ihre Traumata nicht ignoriert, sondern angesprochen und behandelt werden müssen.

Sara Novic: Das Echo der Bäume, btb, 2018

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