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Literatur

Killing an Österreicher – zum Geburtstag!

Andreas Merkel

Sachbuchautor über Romane in Berlin. Letzte Veröffentlichung: "Mein Leben als Tennisroman" (Blumenbar). Kolumne "Bad Reading" im Freitag (das meinungsmedium).

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Andreas MerkelDienstag, 16.02.2021

Okay, es ist auch schon wieder eine Woche her, aber das wird ihn jetzt auch nicht mehr stören: Happy Birthday nachträglich, Thomas Bernhard!

Zum Jubiläum hat der Suhrkamp-Verlag der Gemeinde, deren Verehrung ihren Höhepunkt vielleicht in den späten Neunzigern des letzten Jahrhunderts in Form des Bernhard-Wiedergängers Harald Schmidt fand, noch mal zwei sehr schön aufgemachte Bände Sekundärliteratur spendiert. Nicolas Mahlers Graphic Novel Thomas Bernhard - Die unkorrekte Biographie. Und den "Rapport" seines Halbbruders Peter Fabjan Ein Leben an der Seite von Thomas Bernhard.

Wenn man mit Letzterem anfängt, muss man sagen, dass der Arzt Peter Fabjan zwar die erzählerische Härte einer klassischen Bernhard-Figur gegen sich selbst mitbringt – ganz am Ende gibt er ein kurzes, hammerhartes Nachlassverwalter-Fazit:

Mögen auf der Verlustseite meines Lebens Versäumnis und Ungeschick im Gestalten von Beziehungen jeder Art stehen, im Erbendasein nicht immer überzeugendes Auftreten sowie altkluges Gebaren auf fremdem Terrain, finden sich Hartnäckigkeit und humanitäres Wirken auf der Habenseite.

Insgesamt aber ist es eher ein arg kurzkapiteliges Familienalbum geworden und wurde davon abgesehen ein Leben an der Seite Bernhards schon längst viel besser, bauernschlauer und schlagfertiger erzählt – nämlich von dem Schweinezüchter und Realitätenhändler Karl Ignaz Hennetmair. In seinem Ein Jahr mit Thomas Bernhard (btb) gehen die beiden Freunde für ein Jahr (danach "naturgemäß" das große Zerwürfnis) jeden Morgen gemeinsam Wandern, um Hunger fürs Mittagessen zu bekommen, beratschlagen, welcher Preis als nächstes abzulehnen sei und abends kommt der Bernhard als gern gesehener Witzereißer zum Essen und Fernsehen rum. Schreiben am besten nur zwei Wochen lang am Stück und ohne Jammern, damit man's hinter sich hat. Der ultimative Lifestyle-Guide für den Vorruhestand.

Sehr zu empfehlen nicht für Bernhardianer, sondern auch Einsteiger ist allerdings auch Mahlers Graphic Biography. Unter dem Motto "Letzten Endes kommt es nur auf den Wahrheitsgehalt der Lüge an" (aus Der Keller) werden hier piktografisch gut verdichtet alle entscheidenden Lebensstationen des Autors (und um Gottes Willen nicht "Schriftsteller" oder "Dichter", Bernhards verhassteste Begriffe) abgehandelt. Die versoffene Knollennase mitlauschend im berühmten Ohrensessel aus Holzfällen, beim Austria-Bashing ("Wir sind Österreicher, wir sind apathisch ... Wir haben nichts zu berichten, als daß wir erbärmlich sind...") oder mit Peymann beim Hosenkauf bei Knize. Das liest man immer wieder gern.

Kleiner Minus-Punkt höchstens: Die biographischen "Unkorrektheiten" hätte Mahler ruhig ein bisschen weiter ausbauen können. So sind sie ein bisschen billo geraten und werden am Ende auch noch brav aufgelöst. Beispiel:

Aus Trotz, dass "ein so grosser und so guter Verlag ... nicht mehr als tausendachthundert Exemplare hat verkaufen können", geht Bernhard allein mit einem Rucksack durch Österreich und verkauft tatsächlich in 4 Wochen mehr als der Insel Verlag.

- Auflösung: "Hat sich so nicht zugetragen, entspringt einer Vision Bernhards..."

Na ja.

Dann lieber noch mal vier Minuten auf youtube den Meister himself. Bernhard im Interview mit der stets etwas treudoof dreingrinsenden, ihre naive Fragemasche aber tapfer durchziehenden Krista Fleischmann vom ORF (ganz unten verlinkt). Ein Moped fährt um die Ecke. Der Distanzkünstler fällt fast von der Bank, weil er ganz am Rand sitzen muss, ist "für den Moment" aber in Flirtlaune ("Na los!" - "Ja, Sie wollten doch was sagen!" - "Ja, goa nett!") und haut einen nach dem anderen raus:

Jemanden umbringen möchte man natürlich jeden Tag, sieben Sekunden dauert das (wenn man stark ist), aber man will halt nicht fünfzehn Jahre ins Zuchthaus dafür (stattdessen lieber Bücher schreiben? - "Ja sicherlich, nicht?"). Unsympathische Menschen gelte es zu meiden, außer an masochistischen Tagen, "da wach ich morgens auf und überlege mir, wen ich besonders unsympathisch finde und dem hänge ich mich heute an den Hals." Und klar, als Erfahrungsgrundlage zum Schreiben reicht eigentlich die Zeitung: Da erfährt man mehr in einer Stunde, als einem jeder Mensch erzählen könnte.

1979 war das, zehn Jahre vor seinem Tod. Die gute alte vorkorrekte Zeit.



Killing an Österreicher – zum Geburtstag!

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Kommentare 1
  1. Rudolf Weiler
    Rudolf Weiler · vor 3 Jahren

    Danke für diesen kurzen aber systemrelevanten Ueberblick über den alten Grantler!

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