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Literatur

Kapitalismus

Kapitalismus

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtDienstag, 28.03.2017

Wirtschaftstheorie gilt nicht gerade als besonders sexy.´ Das mag daran liegen, dass die Ökonomie zuweilen auf geradezu bedrückende Weise unser Leben bestimmt, wir die Kohle für die Miete ranschaffen müssen und auch die Mittel, die wir brauchen, um unser Leben, wenn wir denn dann schon wohnen, auf mehr oder weniger annehmbare zu absolvieren. Wir sind also permanent damit beschäftigt, dass wir in unserer Freizeit davon kaum mehr etwas hören wollen. Aber Wirtschaftstheorie ist zuweilen spannender als ein Krimi und hat geradezu romanhafte Passagen:

In der Vergangenheit hat die Kritik der Arbeitslosigkeit hauptsächlich das Leid der Arbeitslosen hervorgehoben. Dieser Aspekt hat für die Zukunft viel von seiner Bedeutung verloren, weil zu erwarten ist, dass der kapitalistische Prozess entsprechende Mittel zu ihrer Unterstützung bereitstellen kann.

Zu diesem geradezu prophetischen Fazit kommt Schumpeter in seinem Aufsatz mit dem schlichten Titel Kapitalismus den er 1946 geschrieben hatte.

Es war irgendwann in den achtziger Jahren, dass ich, als ich meinen Onkel in Magdeburg besuchte, seinen Bücherschrank durchforstete. Ich machte das eigentlich jedes Mal, wenn ich in den Ferien ein paar Tage bei ihm abstieg, mit meinen Eltern und mit meiner Schwester. Das war Magdeburg: der Zoo, das Gewächshaus (wo im Becken kleine Krokodile schlummerten, denen Besucher ein paar Alumünzen auf den Rücken geworfen hatten) und eben dieser Bücherschrank, der in einem Zimmer stand, das voller Regale war, auch diese mit Büchern, Heftchen, Zeitschriften und Notizen gefüllt.

Mein Onkel war Professor im MLG an der Medizinischen Akademie in Magdeburg. MLG war die Abkürzung für Marxistisch Leninistisches Grundlagenstudium, dieses hatte jeder Student in der DDR zu absolvieren, egal was er studierte, ob Bauwesen, Germanistik oder Medizin.

Neben der Fachliteratur fand sich im Zimmer meines Onkels natürlich auch Belletristik, dort fing mein Gestöber naturgemäß an. Ich las, wenn ich in Magdeburg war, was das Zeug hielt, denn mein Onkel hatte irgendeinen heißen Draht zum Buchhandel und alles im Schrank, was sonst schwer zu bekommen war.

Mit der Zeit jedoch verlagerte sich mein Interesse, es rutschte immer weiter in die Fachliteratur, die Fachliteratur meines Onkels, die nur zu einem Teil, wenn auch dem größten, aus marxistisch-orthodoxen Schriften bestand. Da waren auch Texte, die in den ostdeutschen Universitätsbibliotheken im sogenannten Giftschrank standen, die einem also nur mit einem von der Administration legitimierten Interesse zugänglich waren, dem sogenannten Giftschein.

Irgendwann geriet mir die Schrift des Ökonomen Joseph A. Schumpeter "Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie" in die Hände und ich las wie gebannt. Inzwischen hatte ich selbst zu studieren begonnen, nicht Philosophie, wie mir vorschwebte, aber Politische Ökonomie, was im Grunde das rechte Studium in einem zusammenbrechenden Land war. Die DDR war wirtschaftlich am Ende, was sie noch am Leben hielt, waren krude Argumentationen und ein repressiver Apparat.

Schumpeter gehörte natürlich nicht zu den Autoren, die an der Leipziger Karl-Marx-Universität unterrichtet wurden. Man ging davon aus, dass mit Marx der Gipfel der Wissenschaft erreicht sei, und alles was nach ihm käme, sich an ihm zu orientieren habe, oder hinter ihn zurückfallen würde. Schumpeter wäre in dieser Logik also ein Zurückgefallener gewesen. Im Westen galt er neben Keynes zum Beispiel als einer der wichtigsten Theoretiker. Was mich wunderte, war allerdings, dass er nachdem die Mauer gefallen war, und ich in Frankfurt am Main studierte, kaum eine Rolle spielte. Das mag an seiner dynamischen Auffassung des Kapitalismus liegen. Er ging also nicht davon aus, das Geschichte und wirtschaftliche Entwicklung einmal zu einem Ende gelangen würden. In den Neunzigern und Anfang des 21. Jahrhunderts hatte man ja kurzzeitig das Gefühl, das wäre es jetzt gewesen, der Kapitalismus sei das dominierende System, das wenn es vielleicht auch nicht gesiegt hatte, so doch übrig geblieben war. Der Rückfall in teilweise vorkapitalistische und vordemokratische Denk- und Handlungsmuster, wie wir ihn auf globaler Ebene in den letzten Jahren erlebt haben, lässt diesen Gedanken als Illusion verpuffen.

Im Suhrkamp Verlag ist im vergangenem Jahr nun ein Band mit Schriften und Aufsätzen Schumpeters erschienen, herausgegeben von Lisa Herzog und Axel Honneth. Hier sind Texte zur Ökonomie und Soziologie versammelt, die den gegenwärtigen Diskurs in verschiedenster Hinsicht vielleicht nicht befeuern, so doch unterstützen können. Gerade hinsichtlich der Debatte um ein lebenssicherndes bedingungsloses Grundeinkommen, aber auch hinsichtlich einer gewissen Marxrenaissance sind Schumpeters Texte von Wert. Und sie sind spannend, zuweilen spannender als ein Krimi.

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