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Literatur

Kaleidoskopisches Erzählen – „Mitgift“ von Henning Ahrens

Kaleidoskopisches Erzählen – „Mitgift“ von Henning Ahrens

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtMittwoch, 29.09.2021

Ich las das Buch zunächt als e-Book auf dem Handy. Bekam es aber ein paar Tage später noch als Print-Exemplar, und war überrascht wie weit ich schon in den Text ein- und vorgedrungen war. Die Sprache hatte einen regelrechten Strudel entfaltet.

„Mitgift“ heißt der neue Roman von Henning Ahrens, der gerade im Verlag Klett-Cotta erschienen ist. Er erzählt die Geschichte einer Familie über einen Zeitraum von nahezu 200 Jahren und endet im Jahre 1962, zwei Jahre bevor der Autor geboren wurde.

In einem knappen Nachwort schreibt Ahrens, dass es sich bei der Geschichte um die Geschichte seiner Familie handelt, 

„– gewissermaßen. Denn erstens hat Romanpersonal die Neigung, eigene Wesenszüge anzunehmen, verselbstständigt sich also. Und zweitens habe ich auf Vorfahren zurückgegriffen, die ich in vielen Fällen nicht kennengelernt habe.“

Im Grunde ist diese Familiengeschichte der Leebs die Geschichte eines Hofes im Niedersächsischen, eines über Zeiten recht erfolgreich bewirtschafteten Hofes, der von den Menschen, die auf ihm leben, seinen Tribut verlangt. Ihr Leben ist wesentlich von Geburt an vorgezeichnet. Es ist ein Bauernleben, das einerseits bedeutet, auch in vor allem von Kriegen ausgelösten Notzeiten über annehmbar viele Lebensmittel zu verfügen, und andererseits aber, dass sich Vorstellungen in der Jugend, einen Weg jenseits der Landwirtschaft zu gehen, in Luft auflösen. Die Landwirtschaft bringt Bauern hervor, keine Lehrer oder Künstler. Talente, die hier und da aufblitzen, werden wenn überhaupt nachts und im Verborgenen ausgelebt. Einer der Leebs zum Beispiel erntet von seinem Vater, als er ihm sein Vorhaben eröffnet, Lehrer zu werden, nur ein spöttisches Lächeln.

Diese Episode spielt sich um die Jahrhundertwende zum zwanzigsten Jahrhundert ab, und dieser Wilhelm Leeb kommt beim Wehrdienst im Elsass in Kontakt zur außerbäuerlichen Welt. Wehrdienst und Krieg sind die Anlässe für die Bauer, den Hof zu verlassen, die Bäuerinnen indes sind gerade in diesen Zeiten mehr denn je daran gefesselt.

Das mag nach einer Geschichtsstunde klingen, geht aber in der Schilderung von Henning Ahrens weit darüber hinaus. Sprachlich ist das Buch phänomenal. Einerseits schmiegt sich die Sprache fast mimetisch an die Zeiten und Gegebenheiten und und ist andererseits geradezu von einer kontrafaktischen Eleganz, als sei die Beschreibung der einzige Ausweg aus einer Ausweglosen Situation, aus einem Verhältnis, das wir Geschichte zu nennen gewohnt sind.

Das Buch setzt ein mit einer Episode, dass im Jahre 1962 der gewissermaßen gerade aktuelle Wilhelm Leeb, der Name Wilhelm wird vererbt wie das Land, geht an den Erstgeborenen, bei Gerda auftaucht. Gerda ist die Totenfrau des Ortes, wo anders würde sie wahrscheinlich Leichenwäscherin genannt, und sie bittet, in dieser Funktion, die sie eigentlich aufgegeben hat, noch ein letztes Mal tätig zu werden. Gerda und Wilhelm verbindet darüber hinaus auch eine unvollendet gebliebene Liebesgeschichte. Während Leeb den Gesetzen des Hofes entsprechend, heiratet, bleibt Gerda ledig. In diesen beiden Figuren findet die Erzählung letztlich Anfang und Ausklang wie in einem Endknoten, der ähnlich einer Handarbeit eine ganze Epoche beschließt.

Diese Konstruktion ermöglicht es Ahrens in seinem Roman die Chronologie aufzubrechen, Das Erzählen folgt nicht der historischen Abfolge der Ereignisse, sondern es ist kaleidoskopisch. In einzelnen Sequenzen werden die Zeiten nebeneinander gestellt zuweilen sogar verwirbelt, und in diesem Gefüge bilden sich verschiedene Zentren heraus. Wahrscheinlich ist dabei die Gewichtung auch etwas von der Leserin oder dem Leser abhängig. Besonders intensiv zeigten sich mir jedenfalls die Passagen aus der Zeit des zweiten Weltkrieges, die Wilhelm Leeb als Teil des deutschen Aggressors in der Ukraine zeigen.

Ahrens schreibt eindringlich aber unsentimental. Ihm ist mit Mitgift ein großes Buch gelungen, das den Deutschen Buchpreis mehr als verdient gehabt hätte.

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