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Literatur

Jedes ausgefallene Goldhaar ein Nagel auf seinem Sarg – die Klaus Mann Hommage in Berlin

Quelle: Rinaldo Hopf "Klaus und Erika Mann"

Jedes ausgefallene Goldhaar ein Nagel auf seinem Sarg – die Klaus Mann Hommage in Berlin

Anne Hahn
Autorin und Subkulturforscherin
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Anne HahnSonntag, 25.12.2016

„Schreib recht bald, Seidenprinz...“ beginnt ein Brief an Klaus Mann, der als Zitat an einer Wand hängt, daneben das lebensgroße Gesicht der Verfasserin, Annemarie Schwarzenbach. Die Freundin Klaus Manns suchte einen Termin für ein Treffen, was sich nicht einfach gestaltete in den Zeiten des Exils, welches das Schweizerkind freiwillig auf sich nahm, den Geschwistern (und damit auch ihrer unerwiderten großen Liebe Erika) nach New York folgte.

Es ist also ein Mädchen - Hommage an Erika & Klaus Mann, ist die derzeitige Ausstellung im Schwulen Museum Berlins überschrieben, die noch bis zum 30. Januar 2017 zu sehen ist. Warum sollte sie nicht verpasst werden? Bringt sie neue Einsichten zu Thomas Manns ältesten Kindern? Ich finde – ja. In zwei Räumen des Schwulen Museum sind chronologisch Fotografien, Gemälde und Plastiken aus dem Lebensumfeld der Geschwister zu sehen, die ihr Leben bildlich darstellen. In Vitrinen können die Erstausgaben ihrer Bücher bestaunt werden, hinter Glas ergänzen Telegramme, Plakate und Akten (Gestapo, FBI, CIA) die Schau. Von den Familienfotos kannte ich ein bis zwei noch nicht, was dem Fan das Herz höher schlagen lässt, auch die kleinen Zeichnungen Mopsa Sternheims von ihrem lasziv an der Wand lehnenden Freund hatte ich noch nicht im Original gesehen. Eingangs die Vorbilder, Freunde des Vaters, der Onkel, die Familie. Erika, die älteste Tochter, wird vom Vater in seinem Tagebuch mit der Aussage begrüßt:

„Es ist also ein Mädchen; eine Enttäuschung für mich, wie ich unter uns zugeben will, denn ich hatte mir sehr einen Sohn gewünscht und höre nicht auf, es zu thun… Ich empfinde einen Sohn als poesievoller, mehr als Fortsetzung und Wiederbeginn meinerselbst unter neuen Bedingungen.“

Dieser Wunsch sollte sich wenig später erfüllen, als Klaus im November 1906 geboren wurde, ein Jahr nach Erika - und tatsächlich unter neuen Bedingungen das auslebte, was der Vater sich verwehrte. Klaus Manns offene Homosexualität und seine Drogensucht gefielen dem Vater wenig. Die Geschwister trieben es ziemlich bunt und probierten in den zwanziger Jahren in Berlin aus, was das Angebot her gab. Die wilde Erika, Rennfahrerin und Schauspielerin, motivierte Klaus wie in der Münchener Kindheit zu immer tolleren Streichen. Aus Jux heiratete Erika Gustaf Gründgens, sie spielten Theater, schrieben, feierten die Nächte durch. Mit den Töchtern von Sternheim, Wedekind, dem Dichter Gottfried Benn, der Schweizer Freundin Annemarie Schwarzenbach und allerlei Nachtgestalten. Sie reisten einmal um die Welt (mit Papas Kohle) und kreuz und quer durch Europa. Klaus Mann schrieb Rezensionen, mit 25 seine erste Autobiografie und gab Anthologien heraus. Über der Wand in der Berlin-Ausstellung mit den dazugehörigen Zitaten, Fotografien und Gemälden ist sein Wunsch jener Zeit zu lesen: Ich möchte so gerne berühmt werden.

Wie berühmt er wurde, gefiel Klaus Mann nicht immer, Zeitgenossen machten sich über den extrovertierten, schriftstellernden „Sohn“ lustig. Auch diese Zitate sind zu sehen/lesen, von Kurt Tucholsky bis zum eigenen Bruder Golo Mann.

Als die Nazis an die Macht kamen, war der Jux vorbei. Klaus Mann sah die Folgen dieser Machtübernahme voraus und bereitete das Exil vor, beschwor die Eltern, nicht von einem Vortrag in der Schweiz zurückzukehren, schrieb einen offenen Brief an Gottfried Benn, bezog klar Stellung gegen die Nationalsozialisten (und Benns Entscheidung, mit ihnen zu gehen).

„Diesen Brief hatte ich seit fünfzehn Jahren nicht wieder gelesen, und als ich ihn heute wieder vornahm, war ich vollkommen verblüfft. Dieser Siebenundzwanzigjährige hatte die Situation richtiger beurteilt, die Entwicklung der Dinge genau so vorausgesehen, er war klardenkender als ich, meine Antwort war demgegenüber romantisch, überschwänglich, pathetisch.“ schreibt Benn nach dem Krieg dazu.

Es folgten die Jahre des Exils, die Schweiz, Frankreich, Amsterdam. New York, Kalifornien – ein Leben in Hotelzimmern, immer vom Vater alimentiert. Erika reist mit ihrem politischen Kabarett „Die Pfeffermühle“ durch Europa, hält Vorträge, nimmt sich schließlich in den USA des Vaters an, managt ihn bis zu seinem Tod. Aus dem verschworenen Geschwisterpaar, dem nicht nur hinter vorgehaltener Hand eine intime Beziehung angeschwatzt wurde, gingen zwei Wesen hervor, die wenig miteinander gemein hatten. Klaus zieht als Korrespondent mit der US-Army nach Deutschland ein, kann dort nicht bleiben, findet in Europa keine Liebe, kein Heim. Die Suizidversuche mehren sich, 1949 im Mai gelingt es. Klaus Mann hinterließ sieben Romane, zwei Autobiografien, Theaterstücke, Essays, Tagebücher und Korrespondenzen und wurde seit den achtziger Jahren vor allem durch seinen Roman „Mephisto“ zu einer Kultfigur erhoben.

Der erste Raum der Ausstellung endet mit der Zitate-Wand, mit Aussagen der Menschen, die von ihm beeindruckt waren, in der Bandbreite aller Möglichkeiten. Ich streifte nur kurz durch den zweiten Doppelraum der Schau, welcher vor allem der weiteren Entwicklung Erika Manns gewidmet ist (Klaus Manns Tod wird anhand von Tagebuchauszügen Thomas Manns behandelt). Sie ist mir verleidet, ihr Umgang mit Klaus, ihr Dogmatismus, die Einmischung in Leben und Werk des Bruders, Vaters und Onkels wiegen mir schwerer als ihre Verdienste darum. Sie verbrannte nicht nur die erotischen Zeichnungen Heinrich Manns nach dessen Tod im Exil, sie korrigierte das Werk des Vaters auf gesellschaftliche Kompatibilität.

Wann habe ich angefangen, mich intensiv für Klaus Mann zu interessieren? Es muss Mitte der achtziger Jahre gewesen sein, als für mich die Zweifel an meinem eigenen Land wuchsen, ich nicht wusste, wohin mit mir und meiner Renitenz. Ich fühlte mich ein wenig mit Klaus verwandt, natürlich ohne die tragischen Konsequenzen, die ihn und seine Zeitgenossen bedrohten. Es ging nicht um Leben und Tod bei mir, nicht um den Verlust der Muttersprache, des Kontinentes. Ich wollte nur von hüben nach drüben. Weg aus der DDR. Was nicht klappte, und im Gefängnis war es mir ein unerwarteter Trost, eines Tages Klaus Manns Novellenband „Letztes Gespräch“ durch die Klappe gereicht zu bekommen.

Was bietet die Hommage im Berliner Schwulen-Museum? Eine schön zusammengestellte Schau an Bildmaterial, Artefakten und Zitaten, die so noch nicht komponiert waren und einem Unbehausten, der Berlin liebte, in dieser Stadt ein kleines Denkmal setzen. Dank an den Kurator Wolfgang Theis, der Stimmen wie diese zu Klaus Mann auswählte:

„Klaus war ein schönes Kind. Schön, so schön, so schön. Wer drehte sich nicht nach ihm um auf der Straße – als so ein Engel erschien. Sowas weiß ein Kind. Und das Narzisstische kann nicht ausbleiben. Das Welken und Vergehen als Strafe. K. konnte nicht alt werden. Jedes ausgefallene Goldhaar war ein Nagel auf seinem Sarg. Die chronisch entzündeten Augen dem Spiegel verhasst. Homo und Droge Folgen, Fleiß als Betulichtkeit mehr als innere Notwendigkeit. Er tänzelte vor Aktivität, während er zerfiel. Es brauchte nur noch einen Stubs von der Hexe E. und es war aus. Die machte ihm das Nachkriegsdeutschland, die wieder geöffnete Tür zur Hölle. Du willst doch nicht neben Grass und Böll den Anfänger spielen!… Weiter in den USA bleiben, ging auch nicht. Also… (Hexen sind nicht schuld, nur nützen sie ihre Chance).“

Monika Mann, jüngere Schwester (zitiert aus „Lieber Marcel, Briefe an Reich Ranicki“, Stuttgart 2000)

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