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Literatur

Geht ehemals glückliche Tiere, geht, meine Ziegen!

Quelle: Vergil: Bucolica - Hirtengedichte

Geht ehemals glückliche Tiere, geht, meine Ziegen!

Monika Rinck
Autorin
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Monika RinckSamstag, 31.12.2016

Etwa 40 vor Christus schrieb Vergil seine bukolischen Hirtengedichte, gemeinhin Idyllen genannt. Eröffnet werden sie mit einem Zwiegespräch zweier Hirten, Meliboeus und Tityrus. Meliboeus findet Tityrus im Schatten einer weitverzweigten Buche, auf seiner Rohrflöte ein ländliches Lied übend, und unverzüglich ist der Gegensatz aufgebaut. Der eine flötet, der andere muss fliehen. Ich zitiere aus der Prosa-Übersetzung von Michael von Albrecht. „Wir aber müssen den Heimatboden verlassen, die lieben Gefilde!“, so Meliboeus. „Wir flüchten aus der Heimat; du aber, Tityrus, liegst seelenruhig im Schatten und lehrst die Wälder, ‚Schöne Amaryllis‘ zu antworten.“

Meliboeus muss fliehen, weil nach der Schlacht bei Philippi im Jahr 42 vor Christus das Land, auf dem er seine Herden weidet, konfisziert wurde, um es an die siegreichen Soldaten zu verteilen. Der glückliche Tityrus hingegen zeigt kein Mitleid, vielmehr lobt er das eigene günstige Geschick. Nein, er neide es ihm nicht, nimmt Meliboeus den unausgesprochenen Vorwurf des sich glücklich Preisenden vorweg, er staune nur darüber, „wie heftig es uns überall auf dem flachen Land durcheinander wirbelt“. Und nicht genug damit, eine seine Ziegen verlor ihre Zwillingsgeburt. Auch dies vermag Tityrus nicht zu rühren, stattdessen berichtet er von der unvorstellbaren Größe Roms und scheint nur darauf zu warten, dass Meliboeus ihn fragt, warum er die Stadt denn aufgesucht habe.

Um sich vom Sklavenstand freizukaufen, antwortet Tityrus, was ihm das gute Wirtschaften seiner neuen Liebe Amaryllis ermöglicht habe. Zudem erhielt er die Erlaubnis, weiterhin in der vertrauten Gegend seine Rinder zu weiden. „Glücklicher Alter! Also wird dein Land dir erhalten bleiben. (..) Hier zwischen deinen vertrauten Flüssen und den heiligen Quellen wirst du die schattige Kühle genießen!“ Und selbstlos breitet Meliboeus die klassische Kulisse der Idylle um den glücklichen Tityrus aus: das sanfte Summen der Bienen, das heisere Gurren der Ringeltauben, die luftige Ulme. Und Tityrus gelobt daraufhin demjenigen die Treue, dem er dies Glück verdankt.

Meliboeus steht die Flucht bevor: „zu den durstgeplagten Afrikanern, teils nach Skythien (..), ja zu den Britannern, die von der ganzen Welt völlig abgeschnitten sind“, während ein rücksichtsloser Soldat nun seine bearbeiteten Felder übernehme. „Geht, ehemals glückliche Tiere, geht, meine Ziegen!“ Da macht ihm, am Ende der Szene, Tityrus folgenden Vorschlag: „Du könntest dich doch diese Nacht hier bei mir auf einem grünen Laublager ausruhen: Wir haben reifes Obst, weiche Kastanien und einen Vorrat gepresster Milch. Und schon steigt in der Ferne von den Dächern der Gehöfte Rauch auf, und länger fallen von den hohen Bergen die Schatten.“ Und der Übersetzer merkt in einer Fußnote an, dass mit reifem Obst mildes Obst gemeint sei, „d.h. Obst, das, wenn man hineinbeißt, nicht zurückbeißt“. So endet die erste Ekloge.

In dieser Idylle trifft der Glückliche auf den Verzweifelten, der Freigekaufte auf denjenigen, der flüchten muss. Bis zum Ende reden die beiden zwar miteinander, aber aneinander vorbei, wobei der unglückliche Meliboeus weitaus mehr Empathie für die Belange des Tityrus‘ aufbringt, als dieser für den befreundeten Hirten in seiner schlimmen Lage. Ob Meliboeus die Einladung Tityrus annehmen wird, ob er sie annehmen kann, bleibt offen. Das ist das Idyll.

Ist es nicht eigenartig, dass es zu Beginn einer Gattung, die Jean Paul viel später bekanntermaßen als „Vollglück in der Beschränkung“ definierte, in der die Gewalt der großen Staatsräder keinen Platz habe, eben um die Erfahrung der Flucht, die Indolenz des Glücklichen gegenüber dem Unglücklichen, den Skandal der Gleichzeitigkeit und, ganz am Ende, um Gastfreundschaft und die Verzögerung der Flucht um eine einzige Nacht geht?

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