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Literatur

Gangl trifft Zürn

Gangl trifft Zürn

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtDonnerstag, 19.03.2020

Das Spiel von der Einverleibung

Wer sich für besondere und besonders schöne Bücher interessiert, sollte zuweilen in den Seiten des Verlages Starfruit stöbern. Dort finden sich Texte, die die Kulturgeschichte des späten zwanzigsten Jahrhunderts bis hin zum ersten Fünftel des einundzwanzigsten auf eine je besondere Weise illuminieren, und es finden sich dort die verschiedensten Spielarten des literarischen Essays, also eine ebenso schöne wie lustvolle Art, Weltsicht darzustellen, Positionen zu markieren und Wissen zu vermitteln. 

Zuletzt las ich aus diesem Haus das Buch von Natascha Gangl: Das Spiel von der Einverleibung. Frei nach Unica Zürn. Die Autorin, also Natascha Gangl, nimmt den Titel des Ganzen; also das Spiel in der Hinsicht sehr ernst, als dass sie in einem Vorsatz die Regeln formuliert, unter denen letztlich der Text und auch die Bilder, die den Text begleiten und von Toño Camuñas stammen, generiert werden.

Die Zeichnungen sind, natürlich, denn wir sind visuell orientiert, das, was bei der Durchsicht des Buches zuerst ins Auge fällt. Es handelt sich um durchweg farbige Blätter aus Zitat und Überblendung, wenn man so will. Traumblätter, oder Alptraumblätter vielleicht, mit einer Motivik, die ich zumindest aus meiner Vorstellung eines mexikanischen Kulturraumes kenne. Totenköpfe und Körper mit Tattoos, tintenfarbene Umrisse mit tintenfarbenen Tattoos, dazwischen aber Zeichen europäischer Projektion auf amerikanisches Leben und deren Reflex, Disneyfiguren in Totem verwandelt. Furios und Grandios.

Diese Bilder als doppelseitige Tafeln trennen die einzelnen Kapitel, in denen Gangls Text die Lebensstationen der Schriftstellerin Unica Zürn aufsucht, die Lebensstationen in Berlin und Paris, die Heilanstalten, in die die psychisch Kranke Zürn eingewiesen wurde, aber auch die Wohngegenden, in denen sie Momente des Glücks erlebte, nicht zuletzt mit ihrem späteren Partner Hans Bellmer, und beider tragisches Ende.

Zürn wurde 1916 in Berlin geboren, in den Vierzigerjahren arbeitete sie bei der Ufa. 1953 lernte sie Hans Bellmer kennen, mit dem sie nach Paris ging. Sie unterhielt in den Folgejahren enge Kontakte zu den Surrealisten, unter anderen zu Arp, Breton und Michaux.

Natascha Gangl, die 1986 geboren ist, reist nun die Stationen von Zürns Leben ab und schneidet deren Erfahrungen, die sich in ihren Prosatexten sedimentiert finden, gegen ihre eigenen Wahrnehmungen, Beobachtungen und Vorstellungen, welche sich aus einem Wissen der Gegenwart speisen.

Vor allem in einem Punkt, im Umgang mit psychisch Kranken und dem verwandelten Auftreten der Protagonisten der nationalsozialistischen Euthanasie in den fünfziger Jahren, Gangl schneidet Zürns Schilderungen, mit heutigem Wissen kurz, gerfriert dem Leser das Blut. Die Krankheit ist schwer und leidvoll, doch noch mehr liegt der Horror in der Behandlung, die nicht auf Linderung, sondern auf Vernichtung zielte. 

„Die vorwiegend technische, aber auch intuitive Fertigkeit des Anagrammatikers führt ihn zum Nullpunkt seines Materials und gleichzeitig zur Erfahrung der totalen Manipulation durch Sprache,“ schreibt Sabine Scholl in: Fehler Fallen Kunst. Einem Buch, das sich mit den poetischen Verfahren Zürns beschäftigt.

Es scheint, als würde sich die Sprache ihres Erfahrungshintergrundes in der Technik entledigen. Einer Form von Befreiung also. Dennoch transportiert die befreite Sprache einen sprachlichen Gehalt. Das Spiel suspendiert das Gefühl. Und vielleicht ist vor allem diese Art von Befreiung das, was den Reiz dieser Lektüre, also der Anagramme ausmacht. Die Gebilde entlassen sich gewissermaßen selbst aus einem biographischen Kontext. Auch Gangl anagrammiert in ihrem Text. Die Sprache, auch hier, will über sich selbst hinaus.

Gangl aber folgt vor allem der Biografie an die Orte, die den Kontext der Kunst Zürns zuallererst konstituieren, an ihren Beginn. Ein großartiges Buch in seiner Gesamtheit, von der Gestaltung bis hin zu den Bildern, dem Text und dem Kontext.

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