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FRAUEN SCHREIBEN KRIEG: GESAMMELTES SCHWEIGEN

FRAUEN SCHREIBEN KRIEG: GESAMMELTES SCHWEIGEN

SABINE SCHOLL
Autorin
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SABINE SCHOLLDienstag, 30.10.2018

Die amerikanische Königin der Avantgarde, Gertrude Stein, lebte bereits seit langen Jahren in einem französischen Dorf, als die Deutschen die Region besetzten. In ihrem Buch Kriege, die ich gesehen habe bearbeitet die Autorin Aussagen von Menschen, die ihr im Dorfalltag begegnen, Nachbarn, Bäcker, Intellektuelle, konzentriert sich auf die soziale Sphäre und arbeitet sowohl inhaltlich als auch formal gegen gängige Geschichtsschreibungen. Ihre Entscheidung für die Zeitform der andauernden Gegenwart erzeugt zwar Nähe zum Geschehen, hält aber möglichen Folgen in der Zukunft auf Distanz. Die Gespräche der französischen Bevölkerung drehen sich um Gerüchte, Vermutungen, Hoffnungen und um die Beschaffung von Lebensmitteln. Stein zeigt sie als vor allem um die nächste Butterration besorgte Menschen. Sobald die Franzosen genügend davon hätten, wäre jedermann zufrieden. Die Mehrstimmigkeit des Gehörten mündet in einen Chor des immer Gleichen. Sein Tenor: Man hat sich mit der Okkupation nicht schlecht arrangiert. Auffällig ist, dass niemand über das Schicksal der Juden und den allgegenwärtigen Antisemitismus zu sprechen scheint. Auffällig deshalb, da Gertrude Stein und ihre Partnerin Alice B. Toklas Jüdinnen waren und ihnen geraten worden war, in die Schweiz zu ziehen, um nicht deportiert zu werden. Möglich, dass sie aus Sicherheitsgründen dazu schwieg, da auch ihre Homosexualität eine Gefahr darstellte. So wird Steins Text zu einem Versteckspiel voller Umschreibungen im doppelten Sinne. Erstens, weil die Autorin keine direkten Aussagen macht, zweitens, weil es um eine andere Art des Schreibens geht, eine Umformung von anscheinend Offensichtlichem. In Kriege, die ich gesehen habe führt die Autorin mittels Sprache das Schweigen selbst vor.

Mittlerweile konzentrieren sich Forschungen zu Gertrude Stein in Kriegszeiten auf die Freundschaft der Autorin mit dem intellektuellen Kollaborateur Bernard Faÿ. Auf seine Vermittlung hin übersetzte Stein sogar die Reden Marschall Pétains ins Englische. Möglich wäre, dass Faÿ damit bessere Argumente gegen die Verfolgung der Autorin gehabt hatte. Stein hatte so keine Repressionen zu befürchten, ihre wertvolle Kunstsammlung blieb unangetastet, nichts von ihrem Besitz wurde konfisziert, kein Offizier in ihrem Haus einquartiert. Als weiterer möglicher Grund für diese Unantastbarkeit könnte angeführt werden, dass die Autorin bereits lange Zeit in der Region gelebt hatte, von den Nachbarn geschätzt und deshalb nie denunziert wurde. Bis auf einen Besuch der Gestapo 1944 in ihrer Pariser Wohnung überstand sie die deutsche Besatzung ohne Einbußen.

Der amerikanische Dichter Charles Bernstein hat zu den Vermutungen einer möglichen Kollaboration ein ausführliches Dossier ins Netz gestellt, dessen Dokumente Gertrude Stein erstens, einigermaßen entlasten und zweitens, interessante Details der tatsächlichen Abläufe offenbaren. Neben dem Prosaband der Autorin zu ihren Kriegen ist also die Lektüre der Forschungen um ihr Leben im Krieg ziemlich aufschlussreich.

Barbara Will: Unlikely Collaboration: Gertrude Stein, Bernard Faÿ, and the Vichy Dilemma (Gender and Culture Series) Columbia University Press 2011

Charles Bernstein: Gertrude und Alice in Vichyland. https://jacket2.org/commentary/gertrude-and-alice-vichyland

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