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Literatur

FOSSILE DICHTER: Plath und Hughes

FOSSILE DICHTER: Plath und Hughes

Monika Rinck
Autorin
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Monika RinckSonntag, 05.02.2017

Nach mehreren Millionen Jahren sind die DNA-Spuren nicht mehr zu verwerten. Die fossilen Dichter liegen in Renaissance-Pappschächtelchen auf einem der vielen hohen Böden, in Schüben und Läden. Das Gedächtnis hat alles gefiltert. Mein Gedächtnis ist ein unvorhersehbarer Filter, vor vielen Monaten las ich das Buch „Du sagst es“, von Connie Palmen, eine fiktive Biografie Ted Hughes, eine Verteidigungsschrift des Dichters als Dichter und Ehemann, und las es schnell und zunehmend verstimmt. Ob das Ironie sein mag? Müsste ich es genießen? Ich genoss es so, wie man ungesundes Essen stopft, in sich hinein, wohin denn sonst.

Das sind die Notizen aus dem letzten Sommer, die ich jetzt, ohne das Buch noch einmal zur Hand zu nehmen, abtippe. Ich erinnere mich nicht mehr genau, manches steht im hellen Licht, vieles ist in einer Mischung von Abwehr und Faszination halb untergegangen, treibt darin herum. Ein Schäumchen. Dass Plath wie ein Pferd beim ersten Kuss Hughes ein Stück aus der Schulter heraus gebissen hat? Sicherlich. Dass sie immer nur „die Braut“ genannt wird. Die Braut. Eine fiktionale Verkörperung auf eine einzige Funktion hin, gut, das lässt sich machen, aber ist das Ironie oder wird der Boden einfach immer fester eingestampft? All dies begegnet schon zu Anfang mit einem suizidalen, wie auf das böse Ende hin sich heranraunendem Zungenschlag. Ja, das wissen wir auch, das Ende ist bekannt. Und ist eine dezidierte Verteidigungsschrift Hughes an seine Verächter: der diabolische  Frauenmörder, der selbst nicht Hand anlegte.

Und dass die Autorin Palmer, die Hineinversetzerin, eine vom Ende her zurückkalkulierte Verteidigungsschrift der leidenschaftlichen Liebe vorlegen will, die eben nicht rationalisierbar sei, macht es das besser? Will sie das überhaupt? Oder ist es einfach die herkömmliche Unwucht, die aus allen symbiotischen Liebesbeziehungen rumpelnd hervortritt? Treue ist ein Distanzverhältnis, sagte ich, und die Studentin sagte: Ach, Sie sagen immer so traurige Sachen. Vielleicht hat man es auch mit einem ideologischen Präparat zu tun, das in Sachen Deutlichkeit Abstriche bei der Realitätstreue machen musste, das sich die Legenden zubereitet für einen späten Schmaus, einen Mitternachtsimbiss der Zuspätkommenden.

Aber weiß ich denn, was richtig ist? Müsste ich das nicht betrachten wie eine sich selbst überbietende brutale Metapher, die das Immunsystem des Textes über den Haufen wirft, für einen krassen Effekt? Dann könnte ich sie bewerten in dem Raum, den der Text selbst erst eröffnete. Andererseits kann ich keine quasi hegemoniale Harmonie zugrunde legen und alles, was diese stören würde, vor die Tür weisen, wo weiter randaliert wird, während die irritierte Konferenz im Inneren auf gerechte Beschreibung und Wohlklang aus ist.

Dass Wahrheit auch eine Stilfrage sei, wurde behauptet, aber oft war der letzte Hebel am Ende die Semantik, und nicht der inhaltsoffene Stil und seine allgemeine auf sich selbst bezogene Stimmigkeit. Immerzu brauchte es dann eben doch die Rückkehr zur biografischen Evidenz, soweit es diese überhaupt gibt. Braut und Bräutigam (hier soeben vertippt zu Brut und Brütigam) sind Motive, die sich zahllos wiederholen – ist das nur der Nachbau der fremden Obsession, oder aber der breite Pinselstrich der Autorin? 

Und immer wieder die Klage darüber, wie schwierig es gewesen sei, zu zweit zu überleben, immer wieder das Anbranden der so überaus interessierten Fremden. Der Erfolg war dann nur der entsetzliche Beginn des Zugriffs der Bevölkerung auf die Dichter. Oh, wie sie an ihnen rissen. Das gemeinsame Arbeiten in einer kleinen Wohnung trug immerhin noch Züge des Idylls. Immer wieder rühmt sich Hughes: Ich habe in dieser Frau eine Stimme entdeckt, habe sie hervorgebracht. Qua Lektorat, aber auch, Verzeihung, qua Qual. Beute und Jäger seien sie einander gewesen. Und in einer oft hochnotpeinlichen poetischen Bildersprache diffundieren die Verläufe. Die schwarze Muse. Meine Lilith! Wird hier die Kritik sprachlich hineinperspektiviert – eine Überaffirmation der Klischees, die mir als Leserin schon als Kritik gelten soll?

Das Leiden sei vor allem eine Aggression gegenüber dem davon Unbetroffenen gewesen. Vielleicht ist dies ja die fabelhafte Beschreibung einer gemeinsamen narzisstischen Verblendung, und ich kann sie allein aus persönlichen Gründen nicht aushalten und wehre mich daher. Doch ich mutmaße, dass sich irgendwann jede Leserin, jeder Leser nach einer historiografischen Nüchternheit sehnen wird – wenn die dichterischen Vereinigungen zu quälend werden und das Stimmengewirr poetisch schrill alles andere übertönt. Bitte die Kitschkanne senken, jetzt. Ich geißele mich mit Erinnerungen am Grab. Stand das so in diesem Buch? Es ist ja nur die eine Stimme. Nicht dass man Hughes am Ende hassen würde, nein, das nicht, aber der ganze Diskurs wird zum Kloß. Ist das gut?

Das war das Ende meiner Notizen aus dem letzten Sommer. Das Buch, und das kann man mir gerne vorwerfen, finde ich nicht mehr. Es könnte sogar sein, dass ich es weggegeben habe.


Connie Palmer: Du sagst es. Roman. Aus dem Niederländischen von Hanni Ehlers. Zürich 2016.

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