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Literatur

Es lebe Hanns Grössel

Es lebe Hanns Grössel

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtFreitag, 27.09.2019

Im Lilienfeld Verlag sind im Sommer unter dem Titel „Umwege zur Wirklichkeit“ Hanns Grössels Essays und Kritiken zur Skandinavischen Literatur erschienen. Vielleicht hätte ich mir das Buch nicht bestellt, wenn sein Autor nicht Hanns Grössel gewesen wäre, denn „Skandinavische Literatur“ ist für mich, nein war, also war für mich kein Reizwort. Und hier lag schon das erste Selbstmissverständnis in meinem bisherigen Denken, das durch die Lektüre ausgeräumt wurde. Irgendwie hatte mich Skandinavische Literatur vom ersten Lesen an begleitet.
Allein der Name Hanns Grössel ließ mich aufmerken, denn er hatte ein Dichtwerk aus dem Dänischen übersetzt, das mich wie selten ein anderes nachhaltig und tief beeindruckt hat: das der Dichterin Inger Christensen.
Natürlich suchte ich, gleich nachdem ich das Buch erhalten hatte, nach Texten, die sich darauf bezogen, fand aber zu meiner Überraschung nur einen einzigen kürzeren. Und ein zweites Missverständnis wurde ausgeräumt: Grössel auf den Christensenübersetzer zu reduzieren, geht vollkommen fehl.
Was mir auf der Suche begegnete, ließ mich Staunen, denn es tauchten Namen und Texte auf, die ich in meiner doch nun fast vierzig Jahre andauernden Lese-Existenz gestreift hatte und wahrgenommen, und die sich fest in meinem Gedächtnis verhakt hatten. Und zwar von allem Anfang an, denn ich stieg in die Lektüre mit Sciencefiction ein und Phantastik. Ich las also als Leseanfänger alles, was in irgendeinem Zusammenhang mit Utopischer Literatur stand, wie es in der DDR hieß. Natürlich auch Thomas Morus' Utopia, was ich mit 14 Jahren nicht recht verstand, aber vor allem auch ein anderes Buch: das eines Dänen. Und zwar Ludvig Holbergs „Niels Klims unterirdische Reise“. Niels Klim begibt sich darin also ins Innere der Erde und findet dort eine Welt vor, die von vernunftbegabten Pflanzen und intelligenten Affen bevölkert ist. Das hat mich als jungen Leser arg beeindruckt. Das Buch war damals im Leipziger Reclam Verlag erschienen. Hier in Grössels "Umwegen" findet sich eine Besprechung des Textes in einer früheren Ausgabe im Christian Wegner Verlag, deren unzureichende editorische Sorgfalt Grössel kritisiert. Ich glaube, die Leipziger Ausgabe war besser in der Hinsicht.
In dieser, wie in den anderen Kritiken, die im Band versammelt sind, treffen wir auf einen Autor, der selbst ungemein sorgfältig und umfassend seinen Gedanken nachgeht. Im Vorwort bemerkt Peter Urban-Halle:

Wie wenige schreibt er ruhig klar und logisch. Aufregung und Polemik kennt er nicht. Wie analytisch und scharfsinnig er sein kann, hat er nicht nur in zahlreichen Rezensionen, die immer mehr profunde Darstellung als klassische Kritik sind, sondern auch in seinen Essays bewiesen; als herausragende Beispiele wären die Beiträge über Blixen, Bang, und Gustafsson zu nennen.

Wenn ich mich durch die Kritiken und Essays arbeite, treffe ich immer wieder auf Lieblingsautoren und Lieblingstexte von mir, wie zum Beispiel Kierkegaard oder eben Gustafsson, dessen Roman „Tod eines Bienenzüchters“ mich dazu brachte, alles Erreichbare von ihm zu lesen. Und bei Grössel nun finde ich auch den Grund meiner Faszination in einem Essay formuliert:

Zwar verbindet ihn mit den Revolutionären die gemeinsame „Verweigerung der bestehenden Wirklichkeit“, zwar meint auch er, dass die Revolutionen „einmal gelingen“ werden, aber sich unmittelbar mit ihren konkreten politischen Zielen zu identifizieren, hat er Skrupel – die Skrupel eines Theoretikers, der in dem Aufsatz über „Utopien“ geschrieben hat, es liege im Wesen der Utopie, daß sich nur ihr Anfang, nicht aber ihr Fortgang beschreiben lasse.

Aber ich stoße bei der Lektüre bei Weitem nicht nur auf Bekanntes, sondern auch auf Namen, die ich nie gehört habe, die mir aber durch Grössels Besprechungen zur Aufgabe werden, der ich früher oder später nachgehen muss, wie zum Beispiel Johannes Edfelt, dessen Prosagedichte 1984 im Carl Hanser Verlag erschienen sind.

Hanns Grössel wurde 1932 in Leipzig geboren und verbrachte seine Kindheit in Dänemark, was seine Nähe und Zuneigung zum Dänischen erklärt. Später arbeitete er als Lektor beim Rowohlt Verlag und dann als Redakteur beim WDR. Er starb 2012. Seine hier versammelten Arbeiten zur skandinavischen Literatur bieten einen Einstieg in eine faszinierende literarische Parallelwelt.

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Kommentare 1
  1. Theresa Bäuerlein
    Theresa Bäuerlein · vor mehr als 4 Jahre

    Danke für den Tipp! Tatsächlich ist für mich skandinavische Literatur etwas, nach dem ich niemals gesucht habe.Was ich aber jetzt bedaure! Hanns Grössel kannte ich ebenfalls nicht.

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