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Literatur

Ein Tanz zur Musik der Zeit (1)

Quelle: D.W.

Ein Tanz zur Musik der Zeit (1)

David Wagner
👖, 🍏🍏🍏🍏, 💬👶
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David WagnerMontag, 22.08.2016

Ein Freund hat mich verführt, er hat mir Eine Frage der Erziehung, den ersten Band von Anthony Powells Ein Tanz zur Musik der Zeit, zum Geburtstag geschenkt. Schon rein äußerlich ein schönes Buch, ein Schmuckstück für jedes Prunkregal. Zwölf Bände hat der Zyklus, im englischen Original zwischen 1952 und 1975 erschienen. Mal sehen, dachte ich, begann zu lesen – und war bald hin und weg, eingefangen von der Stimme, die da versucht, Zeit und viele Leben zu erzählen.

Es beginnt in den zwanziger Jahren: Der stille Held und Ich-Erzähler Nicholas Jenkins besucht ein englisches Elite-Internat. Weitere Stationen sind: eine Pension in Frankreich (Jenkins soll Französisch lernen), akademische Teegesellschaften in Oxford, Einladungen zu Abendessen in London, Debütantinnenbälle und Partys. Der Leser lernt Internatsfreunde, Kommilitonen, Künstler und die Verwandtschaft der Freunde kennen. Die vielleicht kurioseste Figur ist Widmerpool, ein Mitschüler, dem Jenkins im Laufe seines Lebens immer wieder begegnen wird. Seine Auftritte enden meist in kleinen Katastrophen: Einmal zerläuft eine überreife Banane auf seinem Kopf, ein andermal leert eine junge Frau, in die er verliebt ist, einen Zuckerstreuer über ihm aus. Und auf dem Landsitz seines Chefs demoliert er beim Ausparken einen steinernen Blumenkübel.

Im zweiten Band Tendenz steigend, den ich gleich anschließend lesen, ja verschlingen muss, wohnt Jenkins in London und arbeitet für einem Kunstbuchverlag. Er nimmt uns allerdings nie mit zur Arbeit, wir erleben ihn nur in Gesellschaft. Von sich selbst spricht er kaum, er beobachtet lieber, wie die Leben um ihn herum sich entfalten oder bereits entfaltet haben. Er betrachtet soziale Situationen wie ein großes Tableau vivant, belauscht Gespräche, interessiert sich für Verwandtschaftsverhältnisse und überlegt nicht selten, was sein geheimnisvoller Onkel Giles, der sich nur alle paar Jahre blicken lässt (was macht er eigentlich?), wohl zu all dem sagen würde. In immer wieder neuen Konstellationen finden die zahlreichen Figuren zusammen, drehen einige Runden gemeinsam, um sich dann wieder voneinander zu lösen. Jahre später werden sie sich - Zeit vergeht - vielleicht wiederbegegnen. So tanzen sie zur Musik der Zeit und so tanzen sie sich durch die Zwischenkriegszeit – nur wissen die Protagonisten noch nicht, dass der Weltkrieg, der hinter ihnen liegt, nur der erste war.

Den dritten Band lese ich gleich hinterher, er heißt Die Welt des Wechsels. Nicholas Jenkins schläft zum ersten Mal mit einer Frau, konsultiert eine Wahrsagerin und hat eine Affäre mit der verheirateten Schwester eines Internatsfreundes. Und ganz nebenbei wird verraten, dass er einen Roman geschrieben hat. Einen Roman? Das passt zu Jenkins, dem Erzähler, der immer auf der Suche nach einem Muster in diesem seinem Leben zu sein scheint. Ein Muster, das ihm erklären könnte, wie es kommt, dass...

Powells Romane versuchen (soweit ich sie bisher gelesen habe) genau das: Sie wollen herausfinden, was das Leben mit uns Lebenden anstellt und wieso es uns hier oder dorthin schiebt, gleiten oder fallen lässt. Es bleibt ja immer ein Geheimnis.

Während ich diese Bücher lese, finde ich mein eigenes Leben plötzlich gar nicht mehr interessant. In meinem eigenen Leben bleibt alles liegen, die Geschirrspülmaschine bleibt unausgeräumt und Texte ungeschrieben – und das alles, weil ich mich nun viel mehr dafür interessiere, wo Widmerpool sich als nächstes blamieren und wer nun wen heiraten und sich wieder scheiden lassen wird. Gleich beginne ich mit dem vierten Band Bei Lady Molly... (Fortsetzung folgt)


Die Bücher von Anthony Powell erscheinen, übersetzt von Heinz Feldmann, im Elfenbein Verlag, Berlin.

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Kommentare 1
  1. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor mehr als 7 Jahre

    hah! Klingt nach dem klassischen Seriendilemma...gab´s also schon vor Netflix. Danke also für die Empfehlung...oder Warnung.
    Im Ernst, für mich ist das eine gewohnte Nebenwirkung des Lesens - ich bin immer etwas belastet durch den Umstand, dass ich entweder auch so Aufregendes erleben möchte oder doch zumindest auch so Aufregendes schreiben möchte.

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