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Literatur

DREI FRAUEN: MODE UND KRIEG

Quelle: Buch

DREI FRAUEN: MODE UND KRIEG

SABINE SCHOLL
Autorin
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SABINE SCHOLLFreitag, 11.05.2018

Lee Miller wurde durch ein Foto, das sie in Hitlers Badewanne zeigt, weltberühmt. Es war Teil ihrer Reportage „Hitleriana“, in der sie die nach der Kapitulation in Hitlers Wohnhaus vorgefundenen Banalitäten in Wort und Bild dokumentierte.

Margaret Bourke-White wurde für Flugeinsätze rekrutiert, ihre Kamera diente als Waffe an der Front, wo sie sich als Frau in der männlich dominierten Nachrichtenwelt behauptete.

Martha Gellhorn berichtete für Modemagazine, indem sie sich als Identifikationsfigur einer aufgeschlossenen, dennoch mit weiblichen Reizen versehenen Reporterin darstellte.

Alle drei „stehen für ihre Botschaften mit dem eigenen Körper ein“, wie Elisabeth Bronfen schreibt, um die Wahrhaftigkeit ihrer Aussagen und Bilder für das vorwiegend weibliche Publikum zu garantieren.

Natürlich arbeiteten die Reporterinnen für die Legitimation des amerikanischen Einsatzes in Europa, indem sie scheinbar Nebensächliches zum Hauptstrang der Erzählung vom gerechten Krieg hinzufügten. Sie lieferten Augenzeugenberichte, Fotoreportagen mit Text, in denen sie Orte und ihre Menschen beschrieben, dabei mit ihren Einschätzungen und Meinungen nicht zurückhielten. Die Qualität ihrer Arbeiten reicht dabei über das übliche Maß des Berichtens von Fakten hinaus.

Miller, früheres Fotomodell in Kreisen der Pariser Surrealisten, das bei Man Ray fotografieren gelernt hatte, konnte in der Komposition ihrer Aufnahmen die visuellen Lektionen des Lehrmeisters einbringen. Ihre Fotos von zerstörten Objekten nach dem Londoner Blitzkrieg ähneln Ready-Mades, die Bilder von Frauen mit Schutzbrillen wirken wie künstlerische Inszenierungen. Die in „Vogue“ veröffentlichten Bilder verschränken Beobachtungen aus dem Kriegsgeschehen mit Modebewusstsein. Und nachdem sie Hitlers Stelle in seiner Badewanne eingenommen hat, performt sie noch Eva Braun, dringt in deren Apartment, inspiziert die Medikamente, den Luftschutzkeller, die Vorräte und legt sich auf Evas leeres Bett, um mit dem Apparat zu telefonieren, den Hitlers Geliebte benutzte, um nach Berlin und Berchtesgaden anzurufen.

Auch Margret Bourke-White arbeitete für „Vogue“. 1942 wurde sie als erste Fotografin überhaupt für die US-Airforce akkreditiert und konnte sich im männlich geprägten Feld behaupten. Ein Foto zeigt sie mit einer eigens für sie angefertigten Fliegeruniform aus Pelz und Leder, an ein Flugzeug gelehnt. Da es bis dahin keinen Bedarf für weibliche Uniformen gegeben hatte, mussten die Militärschneider maßanfertigen. Bourke-White berichtet, wie sie die Seide eines deutschen Fallschirms zu Schals wiederverwertet, erwähnt Kleiderfragen, bevor sie sich in einen Einsatz stürzt oder zu einer Mission aufbricht. Sie setzt sich der Gefahr, dem Chaos und dem Grauen aus, um mit ihren Fotos Einblicke in die zerstörerische Wirklichkeit zu geben, stets um einen distanzierten Blick bemüht, weil Tränen schlecht sind, um durch den Sucher der Kamera, das Motiv zu fokussieren, wie sie einmal erwähnt.

Eindringlich schreibt die Reporterin von Geschossen zerfetzte Bäume, Blumen auf rasch aufgehäuften Grabhügeln, Hunderte auf dem Boden liegende Helme als leere Schildkrötenpanzer, Stücke von schimmligem Brot, Reste von Menschen, die an das normale Leben erinnerten. Ironie und schwarzer Humor dienen dazu, den Schrecken zu bannen.

Immer befindet sie sich dabei in der gleichen Lage wie die kämpfenden Soldaten, die schließlich sogar mithelfen, um der Fotografin bessere Bilder zu ermöglichen. Die Männer stellen Lampen auf, verlegen Kabel und sie selbst gibt den Schießbefehl.

Auch die Reportagen Martha Gellhorns sind von Witz durchzogen, nahezu hard boiled schreibt sie über Einzelschicksale, den Alltag des Kriegs, geht in Krankenhäuser, besucht Menschen in ausgebombten Wohnungen. Kurze Einsprengsel von Erinnerungen, prägnante Wortfindungen, wie z.B. „wonderful Kraut-Killing country“, mit dem sie das Kampfgebiet bezeichnet, sind ihre Spezialität. Zuweilen verwendet Gellhorn das Mittel der Aufzählung, unverbundene Einzelheiten, Blickwinkel im Durcheinander kurz nach der Schlacht, wo Feind und Freund, Tiere, Sterbende auf der Straße liegen, das alles im Bewusstsein, dass es im aktuellen Chaos unmöglich ist, widersprüchliche Eindrücke zu bewerten und einzuordnen. Erst die Historiker werden viel später klarer über diesen Feldzug schreiben können als die, die ihn erlebt haben, bekennt Gellhorn.

Zur Stunde Null befinden sich alle drei Reporterinnen in Deutschland, fotografieren in KZs. Das Witzeln hört sauf. Allen gemeinsam ist das Unverständnis anhand der verstockten Bevölkerung, die sich entweder als unschuldig inszeniert oder weiterhin von den Nazis schwärmt. „Wir haben nichts gewusst. Wir haben nichts gewusst“, wie Gellhorn in ihrem Text „Das deutsche Volk“ 1945 schreibt. Sie collagiert Satzfetzen von Aussagen der Bevölkerung. 

„Niemand ist ein Nazi“ oder „Oh, die Juden? Tja, es gab eigentlich in dieser Gegend nicht viele Juden. Zwei vielleicht...“ oder „Nein, ich habe keine Verwandten in der Wehrmacht. Ich auch nicht. Nein, ich war nie in der Wehrmacht...“, eine ewige Leier, kommentiert Gellhorn „Man müsste es vertonen. Dann könnten die Deutschen diesen Refrain singen.“

Der Mut und das Können dieser außergewöhnlichen Frauen sind heute noch beeindruckend. Der Sammelband, versehen mit einleitenden Aufsätzen von Historikerinnen, sowie einem Essay von Elisabeth Bronfen, gibt aufschlussreiche bis schockierende Einblicke in den Alltag des Zweiten Weltkriegs, der mit seinen Nachwirkungen in uns weiterlebt.

Lee Miller, Martha Gellhorn, Margaret Bourke-White: EINE AMERIKANERIN IN HITLERS BADEWANNE. Mit einem Nachwort von Elisabeth Bronfen. Hoffmann und Campe 2015.

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