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Literatur

Die Schriftstellerin Dagny Juel – Bohémienne, erotische Ikone, Mord

Anne Hahn
Autorin und Subkulturforscherin
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Anne HahnSonntag, 26.12.2021

Ich sah ihn und wußte im selben Augenblick, daß ich ihn besitzen müßte und daß dies meines Lebens großer, tiefer Inhalt sein sollte. Beide wußten wir, daß wir zusammenleben müßten, sollte es sich lohnen, zu leben. Und so wurde ich sein, er wurde mein und die, die zwischen uns stand – brachten wir um.

Vor einigen Wochen lief im Deutschlandfunk Kultur die komplexe, wunderbare Lange Nacht zu Dagny Juel, welche ich in mehreren Badewanne-Sitzungen nachgehört habe (der Dlf-App auf dem Handy sei Dank). Bis dahin wusste ich nur, dass Franz Jung seine Tochter Dagny genannt hatte – aber wer das Vorbild für den Namen der Tochter aus erster Ehe war, nicht.

Die Norwegerin Dagny Juel – gebildet, schön und frei. Sie setzt sich (bereits den Eltern gegenüber) durch, lässt sich als Pianistin ausbilden, zieht mit 25 nach Berlin und verzaubert ab 1892 die Bohèmians, die gesamte Truppe ist in sie verknallt, Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe prägt den Ausspruch: "Sie brauchte nur mit den Augen zu blinzeln, so schmolzen ganze Gletscher und verheerten die Gegend." Edvard Munch liebt sie, August Strindberg begehrt sie (und vergilt ihr die Abweisung mit gnadenlosem Hass), sie wird in Gedichten, Romanen und auf Gemälden verewigt. Dagny zeigt sich trinkfest und wählt ihre Partner, bis sie im Kreis der Kneipe "Zum Schwarzen Ferkel" auf Stanislaw Stachu Przybyszewski trifft. Sie heiraten, geben wilde Partys, leben weit über ihre Verhältnisse. Stachus Geliebte nimmt sich das Leben, ihn kümmerts kaum. Und Dagny? 

Und dann – dann kam jene große, schwarze Nacht, als ich erwachte und sah, und gelähmt vor Angst sah – sie auf der Kante meines Bettes sitzen... Sie war auferstanden von den Toten! Nun wollte sie sich rächen ...

Im 2019 erstmals auf Deutsch erschienenen Gesamtwerk Dagny Juels Flügel in Flammen taucht die rachsüchtige Tote und ehemalige Geliebte gleich in der ersten Geschichte Rediviva auf. 171 Seiten umfasst ihr nachgelassenes Werk (Prosa, Gedichte, Theaterstücke), welches mir ob der Todessehnsucht ihrer beharrlich ums Thema Liebesverlust kreisenden Figuren morbide erscheint. Ich wurde damit nicht warm. Im Nachwort schreibt der Übersetzer Lars Brandt:

"Die hermetische, gespenstische und unheilschwangere Atmosphäre in ihren Schriften bringt einem in Erinnerung, daß Bram Stocker zur selben Zeit seinen Schauerroman Dracula schrieb ..."

und hätte mehr mit den Lebensumständen und Dagny Juels Ausgeliefertsein an die "trunkene Aufgeblasenheit mancher Männer um sie herum" zu tun gehabt, als mit der realistisch ironischen Distanz in den Werken ihrer Zeitgenossinnen.

Mich begeisterte die vielstimmige Klangcollage, die in knapp drei Hörstunden scheinbar jeden Winkel dieses kurzen und schillernden Lebens ausleuchtet. Zum Beispiel, wie Dagny und ihr trunksüchtiger Ehemann in ihrer Krakauer Wohnung auf ein Wunder warten, um die eingeladenen und bald eintreffenden 30 bis 40 Tauffeier-Gäste der kleinen Tochter zu bewirten. Es erscheint ein junger Dichter, der mit einem Stipendium ausgestattet auf der Durchreise nach Wien dem verehrten Przybyszewski seine Aufwartung macht ...

Ist das Paar schon verarmt aus Berlin geflohen, geht ihnen in Krakau die Liebe abhanden und Dagny kann nicht bleiben, irrt durch Europa und wird 33-jährig im Grand-Hotel von Tiflis durch einen Liebhaber erschossen, der sich selbst richtet und dem überlebenden Sohn Dagnys hinterlässt: "Sie war eine Heilige".

Die Schriftstellerin Dagny Juel – Bohémienne, erotische Ikone, Mord

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Kommentare 4
  1. Hartmut Bischoff
    Hartmut Bischoff · vor mehr als 2 Jahre

    Schade, dass die Sendung nicht mehr abrufbar ist.

    1. Anne Hahn
      Anne Hahn · vor mehr als 2 Jahre

      doch, doch, auf den link gehen, runterscrollen und dann auf den play-button!

    2. Maximilian Rosch
      Maximilian Rosch · vor mehr als 2 Jahre

      Hab sie gefunden und oben den Audiolink hinzugefügt, jetzt ist sie auch hier abspielbar. Der Audiobeitrag bei DLF Kultur: https://www.deutschlan...

    3. Anne Hahn
      Anne Hahn · vor mehr als 2 Jahre

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