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Literatur

Die Füchsin spricht

Die Füchsin spricht

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtMittwoch, 01.02.2017

Aller Menschen Meinung kennst Du,/ Und nimmer entzieht sich Dir die Seele/ Hochmütig und stolz/ Auf den verschwommenen Schwall der Worte.

Diese Verse stammen natürlich nicht aus dem Roman, um den es hier gehen soll, sondern aus dem Orphischen Hymnos an Nemesis. Aber gegen Ende des Romans ist ein Kapitel mit Nemesis überschrieben, in dem Toni, die Protagonistin, in Berlin auf eine Obdachlose trifft. Toni hatte sich auf eine Professur beworben und war zu einer Probevorlesung eingeladen worden, einer jener Veranstaltungen, die im universitären Bereich despektierlich als Vorsingen bezeichnet werden. Allerdings wird die Stelle an einen eher mittelmäßigen Günstling des Leiters des Fachbereiches vergeben. Toni kennt solche Situationen schon gut, was aber nicht bedeutet, dass sie nicht auch jetzt Scham und Verletzung empfindet.

"Toni, schniefend und verwirrt, braucht Wasser und Wein nach einem Tag voller Wein und Trosttelefonaten."

Die Pennerin führt Toni in ihr abgerissenes Quartier und flößt ihr eine Tinktur ein.

"Was war das? Baldrian oder Kodein? Die Nemesis kichert."

Klar, die Welt ist aus den Fugen. Fragt sich aber, ob sie je gefügt war, und ob es, wenn sie es gewesen ist, dann auch Literatur gab, die über ein Gespräch über Apfelbäume hinausgekommen wäre. Eine eindringliche Passage in Sabine Scholls Roman "Die Füchsin spricht", der im Frühjahr des vergangenen Jahres im Secession Verlag für Literatur Zürich erschienen ist, beschreibt, wie Kiki, die Tochter der Protagonistin Toni, in der Uckermark auf einen Baum klettert, um mit ihrem Funktelefon Empfang zu bekommen. Auch auf dem Baum funktioniert ihr Handy nicht, und ohne die Hilfe ihrer Mutter kommt sie nicht mehr herunter. Das ist eine Beobachtung am Rand, eine die mich als zweifachen Vater natürlich sehr gerührt hat, aber vielleicht ist es auch ein Sinnbild für die Angewiesenheit der Generationen.

Überhaupt scheint Kommunikation im technischen, aber auch im inhaltlichen Sinn im Roman eine Rolle zu spielen. Distanzen zwischen Japan und Deutschland, Ungarn und Amerika sind zu überbrücken. Wanderungsbewegungen, die Informationsaustausch nach sich ziehen. Telefone und Computer, Email und Chat. Bildübertragungen, die sich im Laufe der erzählten Zeit des Romans erheblich verbessern und Entfernungen zu überbrücken scheinen.

Akademikerinnen und Akademiker sind, zumindest solange sie keine Lehrstuhlinhaber sind, Nomaden, und mehr als viele andere auf diese Kommunikation angewiesen. Sie Ziehen von Lehrauftrag zu Lehrauftrag, Universität zu Universität, Vertretung zu Vertretung, sind gezwungen, jede noch so schlecht bezahlte Stellung im Betrieb der Hochschulen und Universitäten anzunehmen. Dass sie dabei ein nicht geringes Stück Welt kennenlernen, ist Nebeneffekt. Auf ihrem Weg durch die Institutionen sammeln sie Wissen an, das sie zuweilen in kleinen Dosen an Studierende abgeben können. So auch Toni.

Aus diesem Akademikerinnendasein entwickelt Scholl ein Kaleidoskop, das Schlaglichter wirft auf die letzten circa zwanzig Jahre Gegenwart mit ihren politischen und gesellschaftlichen Untiefen, den Verschränkungen aus Mythen und Realität, von den osteuropäischen Umbrüchen Ende des letzten Jahrhunderts bis zur Nuklearkatastrophe von Fukushima. Und sie tut dies aus einer feministischen Sicht. Für mich war es einer der beeindruckendsten Romane des letzten Jahres.

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