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Literatur

Adoleszenz und Befreiung

Adoleszenz und Befreiung

Jan Kuhlbrodt
Autor und Philosoph

*1966 in Karl-Marx-Stadt
Studium in Leipzig und Frankfurt am Main
Redakteur bei EDIT und Ostraghege
freier Autor
letzte Veröffentlichungen: Kaiseralbum (Verlagshaus Berlin), Das Modell (Edition Nautilus), Die Rückkehr der Tiere (Verlagshaus Berlin)

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Jan KuhlbrodtSonntag, 24.01.2021

„Johnny Ohneland“ von Judith Zander ist ein über 500 Seiten langer Coming of Age Roman, der vor einem besonderen Hintergrund spielt, denn in dem Maße, wie sich die Persönlichkeit der Protagonistin herausbildet, zerfällt und verschwindet das Land, in dem sie geboren wurde. Und mit dem Land zerstieben die eingeführten Identitäten und Gewissheiten, der Menschen die darin lebten und sich darin zerrieben. Identität, so scheint es, ist nicht zuletzt ein Reflex, auf die Strukturen in der Umgebung. Sie bildet mit ihnen ein fragiles Geflecht, das einem, solang man darin gefangen ist, einigermaßen undurchdringbar erscheint. Und es ist nicht nur das Land, das im Laufe des Romans zerfällt, sondern auch die Familie der Protagonistin. So kommt es zu einer Rollenverschiebung, die nicht nur mit dem Alter der Protagonistin zusammenhängt. Das klingt zunächst dramatisch, ist es wohl auch. Aber wir begegnen in Johnny einer Frau, die aus einer gewissen Isolation heraus eine beeindruckende Kraft und Lebensfähigkeit entwickelt.

Johnny ist der Name, der ihr den Geburtsnamen ersetzt. Erst ein innerfamiliärer Spitzname hat er mit der Zeit die Position des Namens eingenommen, und die Differenz von Namen und geschlechtlicher Zuschreibung tritt zuerst in den Hintergrund, bevor sie sich im Leser und in der Lektüre vollends auflöst. Auch das, so scheint mir, ist ein Moment einer Befreiung, einer Befreiung aus erstarrten Rollenzuschreibungen.

Und manchmal gibt es eine Ungleichzeitigkeit zwischen der Entwicklung eines sexuellen Begehrens und dem Bewusstsein darüber. Der Kopf bewegt sich noch in einer eingeführten und sanktionierten Triebstruktur während der Sinn sich schon auf das Eigentliche richtet. Diese Ungleichzeitigkeit kann in dramatische, aber auch komische Situationen führen.

In einem Kapitel in der Mitte des Buches besucht Johnnys Bruder die Heldin in Finnland, und sie reisen mit einer Finnin, einer Freundin von Johnny zur Mitsommerzeit durch das Land. Und es kommt zu freundlich dramatischen Situationen, weil Johnnys Begehrten dem ihres Bruders ähnelt, während sich ein Bewusstsein der eigenen Homosexualität erst herausbildet. Das ist von Zander großartig gestaltet.

Das Buch ist eine Selbstansprache, vielleicht eine Selbstvergewisserung der Protagonistin. Anfangs hatte ich die Befürchtung, dass diese Perspektive nicht die ganzen 500 Seiten trägt. Aber ich las diesen Gedanken weg. Der Trick dabei ist, dass der Text jede Menge Identifikationsanker bietet und die Möglichkeit eines Erfahrungsabgleiches. Geradezu wie ein Schatten erhebt sich hinter der Konstitution der Protagonistin so etwas wie die eigene Geschichte.

Während ich in Zanders Buch las, in den ersten Kapiteln, musste ich mich zum Beispiel an meine einzige Ferienlagerfahrt erinnern. Meine Mutter fand, ich war neun oder zehn, dass ich so etwas durchleiden müsse. Kaum saßen wir im Regionalzug, fingen mitfahrende Kinder an, die Gruppe mit familienartigen Dienstgraden auszustatten. Es wurde festgelegt, wer als Vater, Mutter, Onkel, Tante usw. zu gelten hatte. Es war die Hölle; diese falsche Familie war die Hölle. Eine Hölle für zehn Tage.

Und natürlich hat Zander gelesen. Und gehört. Der Text trägt Referenzen von Goethe, Salinger. Chatwin, Lindenberg und vielen anderen. Am Ende des Buches sind auf zwei Seiten Namen aufgeführt. Auch das ein Geflecht, das den Text trägt, sich aber an keiner Stelle bildungsbürgerlich vordrängt.

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