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Liebe, Sex und Wir

Frauen, die schlechten Sex haben, oder warum "Consent" nicht genügt

Antje Schrupp
Politikwissenschaftlerin, Journalistin
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Antje SchruppMontag, 11.12.2017

Diese Kurzgeschichte hat mich in ihren Bann gezogen, denn so ähnlich wie der Protagonistin ist es auch mir selbst ergangen, und mehr als einmal: Ich hatte Sex mit einem Mann, obwohl ich gar nicht wollte. Nicht, weil er mich dazu genötigt oder gar gewaltsam gezwungen hat, sondern mit meiner vollen Einwilligung: Weil ich an einem bestimmten Punkt meinte, nicht mehr Nein sagen zu können. 

Ohne zu viel spoilern zu wollen, finde ich das Ende der Geschichte unpassend: In diesem Interview sagt die Autorin Kristen Roupenian, sie habe es gewählt, um klarzustellen, dass der männliche Protagonist unsympathisch ist. Aber der Witz an dieser und den vielen ähnlichen Geschichten ist ja gerade, dass die betreffenden Männer überhaupt nicht unsympathisch sind, und dass sie auch "eigentlich" gar nichts falsch machen. Sondern dass wir alle, Männer wie Frauen, kulturell so geprägt sind, dass wir es letzten Endes für verwerflich halten, wie sich die Protagonistin hier verhält. Heute, dem Feminismus sei Dank, vielleicht nicht mehr auf einer rationalen Ebene, aber eben auf einer emotionalen. Selbst ich, trotz all meiner Reflektion und Erfahrung zu dem Thema, empfand beim Lesen streckenweise Mitleid mit dem Mann. 

Es sind diese Dinge, an denen jetzt, nach den #metoo-Debatten, weiter diskutiert werden muss. Im Anschluss an die Kurzgeschichte empfehle ich daher gleich noch zur Vertiefung diesen Text von Ella Dawson: "Bad sex, or the sex we don't want but have anyway" 

Wie sexuell aktiv und initiativ darf eine Frau sein, ohne an einem bestimmten Punkt das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu verlieren? Noch lange sind wir kulturell nicht an dem Punkt, dass es als selbstverständlich gilt, dass eine Frau wirklich jederzeit Nein sagen kann, ganz egal, was sie bis dahin getan hat.

Frauen, die schlechten Sex haben, oder warum "Consent" nicht genügt

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Kommentare 10
  1. Tobias Schwarz
    Tobias Schwarz · vor mehr als 6 Jahre

    Das finde ich interessant.

    Denn natürlich hätte sie auch subjektiv nein sagen können: "It wasn’t that she was scared he would try to force her to do something against her will but that insisting that they stop now, after everything she’d done to push this forward, would make her seem spoiled and capricious, as if she’d ordered something at a restaurant and then, once the food arrived, had changed her mind and sent it back."

    Weil ich ihre Entscheidung, das durchzuziehen, obwohl sie es im Moment eigentlich nicht wollte, als Ausdruck emotionaler und gerade auch sexueller Reife sehe, des Bewusstseins um die eigene Verantwortung gegenüber dem Gegenüber, die Fähigkeit die eigene Sexualität in den Kontext tatsächlicher sozialer Interaktion zu setzen. Das ist aus meiner Sicht schon ein ganzes Stück *weiter* als es die meist im luftleeren Raum stattfindenden Consent-Debatten sind. Hier haben aber "echte Menschen" miteinander zu tun gehabt.

  2. Antje Schrupp
    Antje Schrupp · vor mehr als 6 Jahre

    Sorry, für den kaputten Link zu dem Text über "Bad Sex" - jetzt funktioniert er!

  3. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor mehr als 6 Jahre

    ...wirklich gute Story. Es ist so anrührend, weil man sich wirklich vorstellt, dass es so viele grässliche Missverständnisse gibt, weil zwei Menschen es gleichzeitig nicht schaffen, in sich selber reinzuhorchen und selbstbewusst ihren Willen zu entwickeln, weil sie so überladen sind von dem, was sie meinen sein zu müssen und von den Unterstellungen, was der andere so alles wollen könnte. Klar betrifft das Männchen wie Weibchen. Klar hat es aber im einen Fall immer einen viel krasseren Dreh, weil die Möglichkeit von Gewalt im Raum steht. Als Hinweis darauf habe ich das Ende verstanden. Denn ansonsten ist die Lage so unterschiedlich nicht - sich in eine Lage manövriert zu haben, wo man das Gefühl hat nicht mehr "nein" sagen zu können, wird auch vielen Männern schon passiert sein.

    Und ich stelle genau die Gegenfrage zu Nils - wenn man die "Hure" am Ende ausblendet, warum sollte man nicht auch etwas Mitleid mit Robert haben?

  4. Christian Huberts
    Christian Huberts · vor mehr als 6 Jahre · bearbeitet vor mehr als 4 Jahre

    Tolle Kurzgeschichte!
    Ich war beim Lesen ebenfalls hin- und hergerissen: Erst dachte ich, es läuft auf das Game von Pick-up-Artists heraus, dann kurz Mitgefühl mit dem Typen, dann wieder ganz und garnicht. Die Ambivalenz, die da aufgebaut wird, ist wirklich spannend, weil sie viele Fragen aufwirft und eben nie zu 100% klar ist, wer da eigentlich gerade etwas falsch macht oder von sich aus eine Grenze ziehen müsste. Das Ende erübrigt dann jedoch wieder einen großen Teil dieser Ambivalenz. Aber ich vermute, dass die Autorin damit auch auf das popkulturell häufig referenzierte »Nice Guy™ syndrome« anspielt: http://geekfeminism.wi.... Gegenstand vieler Meme mit einem vergleichbaren Ende und sehr gut auf den Punkt gebracht von diesem XKCD-Comic: https://xkcd.com/513/. Männer, die denken, ihr (tatsächlich) respektvolles und freundliches Verhalten, würde ihnen einen moralischen Anspruch auf eine romantische und/oder sexuelle Beziehung verschaffen. Und Frauen, die sich in der Pflicht sehen, diesen Anspruch zu erfüllen, wenn sie nicht als »w***e« gelten wollen.

    PS: Der Link zum zweiten Interview geht leider nicht.

    1. David Kretz
      David Kretz · vor mehr als 6 Jahre

      Guter xkcd! Hatte den schon ganz vergessen...

  5. Nils Pickert
    Nils Pickert · vor mehr als 6 Jahre

    Interessant, wie unterschiedlich wir das lesen (hören) und die Geschichte trotzdem einen Piq wert finden (danke dafür). Ich für meinen Teil hätte mich darüber gefreut, wenn die Autorin eine Dublette geschrieben hätte, also noch einen Text über die gleiche Situation aus der Sicht des Mannes. Das wäre für die Debatte womöglich noch fruchtbarer gewesen. Das Ende finde ich zwar durchaus realistisch, aber irgendwie auch mit zu simplifizierenden Mitteln möglichst billig die Lesenden abspeisend. Für die Gemengelage und die Problematik, die du beschreibst, wäre es interessanter, wenn auch gewagter gewesen, auf diesen Wink mit dem Zaunfahl zu verzichten.

    Was mich noch interessieren würde: Warum genau hast du Mitleid mit diesem Mann?
    LG
    Nils

    1. Marcus von Jordan
      Marcus von Jordan · vor mehr als 6 Jahre

      wenn du das "whore" am Ende ausblendest - warum nicht Mitleid mit Robert haben? Er verhält sich idiotisch und bekommt kein entsprechendes Feedback und damit keine Möglichkeit es besser zu machen. warum auch immer, hat er nie das Feedback oder die Prägung mitbekommen, die es ihm ermöglicht hätten, sensibel genug zu sein, sein tatsächliche Wirkung zu verstehen oder abzufragen. Das ist, glaube ich, ein Problem von extrem vielen Männern. Robert steht am Ende da, hat bis zum Geschlechtsakt Bestätigung erhalten und dann keine Erklärung dafür, dass er final abgelehnt wurde.

    2. Nils Pickert
      Nils Pickert · vor mehr als 6 Jahre

      @Marcus von Jordan Ich finde das einen sehr bemerkenswerten Punkt, aber ich befürchte, dass er den eigentlichen Rahmen, den diese Geschichte aufspannt, sprengt und sie überfrachtet. Deswegen hätte ich mir noch eine zusätzliche Geschichte der gleichen Autorin aus der Perspektive von Robert gewünscht.

      Die Frage, die dieser Text nämlich auch stellt - und von der ich nicht sicher bin, ob er sie eigentlich stellen wollte - ist die, was Robert hätte anders machen sollen und können. Er wollte eine sexuelle Beziehung mit Margot, Consent bestand und dann fiel es ihm zu, diese erste, sexuelle Begegnung mit Margot komplett alleine zu gestalten. Wie du sagst: Ohne jegliches Feedback oder auch nur Interesse. Ich würde soweit gehen zu behaupten, dass es nicht nur Robert, sondern heterosexuellen Männern grundsätzlich in dieser Situation schwerfällt, zu erkennen, dass Margot ein persönliches Problem mit ihm/ihnen hat, weil dies von einem systemischen Fehler überlagert wird: "Das ist halt so, das wird von mir qua Geschlecht erwartet, ich gestalte das jetzt mal, wird schon schiefgehen."

      LG
      Nils

    3. Antje Schrupp
      Antje Schrupp · vor mehr als 6 Jahre

      Hallo Nils, die Idee mit der Dublette aus der Sicht von Robert finde ich spannend, aber ich fände es besser, wenn ein Mann das schreiben würde, und zwar am besten einer, der so etwas ähnliches selbst schon erlebt hat. Ansonsten wäre es ja eine Geschichte darüber, wie eine Frau sich vorstellt, das sowas aus der Perspektive eines Mannes vermutlich ist - also bloße Fiktion.

    4. David Kretz
      David Kretz · vor mehr als 6 Jahre

      @Antje Schrupp Toller Piqd! Zur Frage der Notwendigkeit eines autobiographischen Elementes gibts hier ein paar ganz gute Gedanken:

      http://www.nybooks.com...

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