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Liebe, Sex und Wir

Eine große Lüge der Menschen: Gut statt glücklich sein zu wollen

Judka Strittmatter
freie Journalistin und Autorin
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Judka StrittmatterFreitag, 06.10.2017

Der von mir sehr geschätzte österreichische Philosophie-Professor Robert Pfaller setzt sich in diesem Interview mit einem Staat auseinander, der uns zuviel verbietet (Rauchen) und mit Politischer Korrektheit, die sich selbst pervertiert, weil sie andere Lebensformen abstraft. Schlagworte wie "Neoliberale Beraubungspolitik" oder "Gouvernanentenpolitik" mögen da nicht allen gefallen, anderen hingegen sehr. Inwieweit sich eine Gesellschaft auch entsolidarisiert, wenn PC-Gebaren nur benutzt wird, um das eigene Lustempfindung vor sich selbst zu verschleiern oder mit Moral aufzuladen, die sich gegen andere richten kann, erklärt er hier auch ausführlich. Ich wünschte, mehr solcher kontroversen Texte zu lesen zu können. Ich wünsche mir generell wieder mehr Meinungsfreiheit in diesem Land, ohne dass man gleich als dieses oder jenes abklassifiziert wird. 

Das Schlimme an den asketischen Praktiken in den westlichen Gesellschaften ist, dass sie meist asozial und entsolidarisierend sind: «Was, du isst noch Fleisch? Was bist du nur für ein schändlicher Geselle!» Ausserdem sind das Distinktionspraktiken, mit denen man jemanden zu deklassieren versucht. Und sie wirken entpolitisierend, weil sie aus politischen Fragen nur Fragen individuellen Wohlverhaltens machen. Was auf der Ebene der Ethik auch gefährlich ist: Diese Leute laden ihr Glück immer mit Moral auf. Sie sagen nicht einfach: «Das schmeckt mir jetzt besser», sondern dass sie damit die Welt retten. Und das hätte Epikur aus der Genussperspektive am härtesten kritisiert: dass die Menschen ihre Neigung zur Pflicht machen und damit ihre eigene Lust vor sich verschleiern. Das ist immer schon eine erste Lüge: gut statt glücklich sein wollen.
Eine große Lüge der Menschen: Gut statt glücklich sein zu wollen

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Kommentare 11
  1. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor mehr als 6 Jahre

    also über Christians Generalkritik wundere ich mich ein wenig - klar ist das ein Rumpelinterview, aber ich sehe nicht wo Pfaller da so radikal und abgrenzend argumentieren würde. Andererseits sind mir seine Thesen teilweise auch viel zu steil und mitnichten "ausführlich erklärt". Mir bleibt da mehr so eine Ahnung, dass da was dran ist. Nicht zuletzt deshalb, weil er im Sinne einer notwendigen neuen Linken argumentiert. "Das ist immer schon eine erste Lüge: gut statt glücklich sein wollen." ist irgendwie ein geiler Satz aber! Und das mein Saufen ein Unterbrechungsritus ist, muss auch unbedingt stimmen! :D

  2. Moritz Orendt
    Moritz Orendt · vor mehr als 6 Jahre

    Schon ein bisschen skurril, der Typ:

    "Es ist ganz wichtig, das zu markieren und diese Leute zu brandmarken: Die Sozialdemokraten, die die Bologna-Reform gemacht haben, das waren Verräter."

    Wann hat es jemals den Diskurs vorwärts gebracht, jemanden zu "brandmarken" und zu beschimpfen?

    Auch von dieser Minderheit habe ich in meinem ganzen Leben nichts gehört:

    "Allerdings bin ich einer Gruppe zugehörig, die nie erwähnt wird, nämlich die der glücklichen Passivraucher."

    Ich mache die, natürlich genauso anekdotische, Beobachtung, dass sogar Raucher den Nichtraucherschutz loben und sich daran erfreuen, beim Essen nicht mehr vollgequalmt zu werden.

    1. Fabian Goldmann
      Fabian Goldmann · vor mehr als 6 Jahre

      @Moritz Für deine Statistik: Ich gehöre auch zu den glücklichen Passivrauchern. Kenne auch noch einen anderen. Trotzdem dürfte unsere Zahl so gering sein, dass ich es ausnahmsweise für legitim erachte, uns jeglichen Minderheitenschutz zu verweigern.

  3. Christian Huberts
    Christian Huberts · vor mehr als 6 Jahre

    Also Pfallers Hinweis, dass es große politische Versäumnisse (etwa bei der Regulierung der Finanzmärkte) gibt, kann ich problemlos folgen. Auch, dass der Fokus auf ein individuelles Gut-Sein nicht allein die Lösung solcher großen, komplexen und langwierigen Probleme ist. Davon abgesehen, ist da jedoch eine Person, die individuelle Überempfindlichkeit beklagt, aber die Meinung anderer Menschen offenbar selbst als narzisstische Kränkung erlebt. Da fordert jemand Meinungsfreiheit, mag aber politische Korrektheit oder Gender-Theorie nicht als Meinung (oder gar als durchaus wissenschaftlich fundierte Theorie, die sie ist) akzeptieren. Pfaller fordert Ambiguitätstoleranz, scheint im ganzen Interview aber nicht in der Lage, Widerspruch zu dulden. Er beklagt, dass kritische Stimmen abgewürgt werden, Kritik an ihm ist aber »Sprachpolizei«. Die »Schwundstufe linker Ideologie« basiere teilweise auf fiktiven Problemen, über weite Strecken des Interviews argumentiert Pfaller aber rein anekdotisch.

    Statt gangbare Alternativen zum so genannten »Gutmenschentum« aufzuzeigen, wird hier einfach das andere Extrem des Spektrums bedient. Das ist genauso wenig hilfreich wie selbstgefälliges Gut-Sein.

    1. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor mehr als 6 Jahre

      So ungefähr das dürfte er gemeint haben: Man sagt etwas und muss sich dafür gleich anhören, man habe wohl mal eine narzisstische Kränkung erlitten. Und natürlich propagieren die Genderleute ungewöhnlich bis absurde Schreibweisen, von denen man teilweise Augenschmerzen bekommt. Die taz etwa schafft es in manchen Artikeln sogar, gleich mehrere davon unterzubringen - mit Unterstrich, mit Sternchen und mit großem I. Die schönste Schreibweise, die mir bisher untergekommen ist: JägerInnen und SammlerInnen, auch noch in Anführungszeichen gesetzt, angeblich um ironische Distanz zu kennzeichen. Dass eine solche Begrifflichkeit faktisch in die Irre führt, stört dabei nicht einmal Wissenschaftler (korrekt wäre vermutlich Jäger und Sammlerinnen, von mir auch gerne - Ladies first, was aber natürlich nicht sexistisch zu verstehen ist - in umgekehrter Reihenfolge). Ich halte seinen seinen zentralen Vorwurf jedenfalls für diskussionswürdig: Einzelne Gruppen wie Nichtraucher oder Veganer haben vor allem ihr spezifisches Interesse im Blick und verzerren damit die politische Agenda.

    2. Judka Strittmatter
      Judka Strittmatter · vor mehr als 6 Jahre

      @Dirk Liesemer So sehe ich das auch, danke.

    3. Christian Huberts
      Christian Huberts · vor mehr als 6 Jahre

      @Dirk Liesemer Pfaller wirft ungeniert anderen Menschen eine narzisstische Kränkung vor – weil sie nicht seiner Meinung sind. Neben vielen anderen Vorwürfen gegen Weltbilder, Meinungen und wissenschaftlichen Positionen, die seinen individuellen Ansichten widersprechen. Da wird er – getreu dem Wunsch zur Möglichkeit der freien Äußerung von jeglicher Kritik – auch meinen Vorwurf einer narzisstischen Kränkung aushalten können. Das ist ja ein großes Problem dieses Interviews und vieler Texte aus dem Anti-PC-Genre: Statt den Grenzen des Gut-Seins tatsächlich argumentativ zu begegnen, Alternativen zu entwickeln, pikieren und belustigen sie sich schlicht darüber, dass ein Veganer mal was Gemeines über ihre Wurst gesagt hat. Das kann ich nicht ernst nehmen, weil es eben genauso kleingeistig, entpolitisiert und individualistisch ist, wie ein angebotenes Saitan-Steak. Um mal zu paraphrasieren: Einzelne Gruppen wie Raucher oder Fleischesser haben vor allem ihr spezifisches Interesse im Blick und verzerren damit die politische Agenda.

      Und um noch eine Gemeinsamkeit herauszustellen: Den zentralen Punkt, dass das Gut-Sein definierbare Grenzen kennt, halte ich – siehe oben – ebenfalls für diskussionswürdig.

    4. Christian Huberts
      Christian Huberts · vor mehr als 6 Jahre

      @Dirk Liesemer Und die Jäger*Innen und Sammler*Innen möchte ich auch nicht ganz unkommentiert lassen. ;-)

      Ich finde diesen Text gelungen: http://www.faz.net/akt.... Nicht, weil er den unerschütterlichen Nachweis erbringt, dass Frauen in der Frühgeschichte der Menschheit ebenfalls zur Jagd gingen, sondern weil er die schwierige Quellenlage betont. Und das ist eben ein zweischneidiges Schwert: Nur weil wir nicht genau wissen, ob es (viele) Jägerinnen gab, ist nicht automatisch »Jäger« der einzig gültige Begriff. Diese Annahme wäre unwissenschaftlich und wohl eher eine ideologische Projektion. Etwas, das ja sonst eher den »Genderleuten« (nebenbei: Warum so ein abfälliger Begriff, wenn man doch so cool mit gegenläufigen Ansichten sein möchte?) vorgeworfen wird. Und das ist auch der wunde Punkt vieler Anti-PC-Texte: Aus der bloßen Opposition gegenüber mutmaßlichem Quatsch folgt noch nicht die Richtigkeit der eigenen Position. Da braucht es schon Fakten, Differenzierung und Mühe zur Argumentation. All das leistet Pfaller zumindest hier nicht.

    5. Dirk Liesemer
      Dirk Liesemer · vor mehr als 6 Jahre

      @Christian Huberts Interessanter Link, will ich mir später gerne mal anschauen. Ich habe nicht geschrieben, dass ich Gendertheorien für grundsätzlichen Quatsch halte, allerdings bin ich mal gespannt, wie sich das bisland doch sehr behavioristisch ausgerichtete Forschungsfeld noch entwickeln wird. Und das Interview mit Pfaller ist durchaus anekdotisch geführt, wurde oben ja auch schon angemerkt. Nun laden die Fragen aber auch nicht gerade zu Antworten ein, die hier offenbar erwartet werden. Im Übrigen wurde die Wendung Jäger und Sammler bisher nie so verstanden, dass die Frauen unterdessen faul in der Höhle gesessen hätten. Zugegeben: "Genderleute" ist nicht nett gemeint, aber von den ganzen Schreibweisen, die das Schriftbild kaputtmachen und gerne mit pädagogisch-wissenschaftlichem Verve vertreten werden, bin ich total angenervt.

    6. Antje Schrupp
      Antje Schrupp · vor mehr als 6 Jahre

      "Keine Feministin kann mehr den Mund aufmachen, weil es schon inkorrekt ist, wenn man sagt, dass es Männer und Frauen gibt" - Das ist ein gutes Beispiel für seine Art der schiefen Argumentation : er reißt einen kleinen Aspekt einer Debatte, für deren Argumente er sich eigentlich nicht interessiert, aus dem Kontext, um sie dann zu denunzieren. Ich finde das nicht besonders originell.

      Aber interessant finde ich die philosophische Frage, die du in der Überschrift einführst: ich bin nämlich tatsächlich der Meinung, dass es für ein ethisches Leben wichtiger ist, nach dem Guten zu streben, als danach, glücklich zu sein. Oder ich finde das zumindest diskutabel, und ich finde es durchaus problematisch, wenn das Streben nach dem Guten generell diskreditiert wird. Das in dem Versuch, Gutes zu tun, allzu oft das Gegenteil geschieht, steht auf einem anderen Blatt, und ist aber auch keine neue Beobachtung.

    7. Christian Huberts
      Christian Huberts · vor mehr als 6 Jahre

      @Antje Schrupp Da würde ich gar nicht widersprechen. Das Wohl anderer Menschen im Blick zu haben, gut handeln zu wollen, sollte nicht pauschal diskreditiert werden. Das ist auch mein größtes Problem mit diesem Genre der Anti-PC-Texte/-Interviews. Sie schneiden diskussionswürdige Grenzen des Gut-Seins an, finden aber selbst keine andere Antwort, als mehr oder weniger versteckte Verachtung, Selbstbestätigung des eigenen Verhaltens sowie den Rückzug auf den Gegenpol des Spektrums. Ich fände einen Text/ein Interview interessanter, wo sich tatsächlich jemand dieser Frage stellt: Unter welchen Bedingungen ist Gut-Sein(-Wollen) nicht mehr gut? Bei Pfaller stattdessen dann aber ein paar persönliche Anekdoten und schiefe Argumentationen.

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