Die Missbrauchsfälle von Kindern und Frauen innerhalb der Kirche häufen sich. Im letzten Jahr hatte ich einen Bericht aus Rom gepiqt, in dem es darum geht, dass Ordensfrauen als unbezahlte Haushälterinnen ausgenutzt werden. Bei Arte erschien erst kürzlich die Doku „Gottes missbrauchte Dienerinnen“ und dann entdeckte ich das Interview mit Francesco Mangiacapra, 37, der sagt, er habe sieben Jahre lang Priestern sexuelle Vorlieben erfüllt. Er outete seine Kunden, da ihm die Doppelmoral zu viel wurde. 

Ich habe die Namen und die Beweise nur der Kirche übergeben. Zuvor hatte ich in einem Buch „Die Nummer eins – Bekenntnisse eines Callboys“ über die Hintergründe berichtet. Die Priester selbst und deren enger Kreis konnten erkennen, um wen es sich handelt. Ich dachte, dass dadurch etwas in Gang kommt, aber keine Spur davon. (...) Die Version für die Presse enthält auch nur geschwärzte Namen. Die Presse war skeptisch, bis dann die Kirche bestätigte, dass wohl alles echt sei. Die Belege sind auch recht eindeutig.

Als ich den Artikel entdeckte, dachte ich kurz darüber nach, wie skandalös das ist. Aber eigentlich schockt es uns nicht mehr. Doch ist es so verwerflich, wenn Geistliche die Dienste von SexarbeiterInnen in Anspruch nehmen? Mangiacapra hat freiwillig als Callboy für katholische Priester gearbeitet, gut verdient und hat nun eine mediale Bühne. Er litt nicht als Schutzbefohlener unter dem Machtmissbrauch, wie er in zahlreichen Skandalen aufgedeckt wurde. 

Ja, Sexarbeit ist immer noch in vielen Gesellschaften – zumindest nach außen – verpönt und in diesem Fall auch ein Bruch des Zölibats, doch sich die Realität einzugestehen, dass auch Geistliche sich sexuell ausleben, würde nicht nur dem Image der Kirche gut tun, sondern weiteren Missbrauch sogar verhindern. Mangiacapra hat seine eigene Ansicht von seiner Mission, davon erzählt er mehr im Interview.