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Klima und Wandel

Kernfusion: Was vom neuen "Weltrekord" zu halten ist

Nick Reimer
diplomierter Energie- und Umweltverfahrenstechniker, Wirtschaftsjournalist und Bücherschreiber
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Nick ReimerDonnerstag, 10.02.2022

Seit Jahrzehnten versucht die Wissenschaft, die Kernfusion für die Energieerzeugung nutzbar zu machen. Kernfusion ist das Prinzip der Sonne: Atomkerne von Wasserstoff und Helium verschmelzen und geben dabei ungeheure Mengen von Energie ab. Dieses Vorbild wollen sich Forscher zu Eigen machen. Das Potenzial ist fantastisch; 1 Gramm Wasserstoff gibt etwa dieselbe Menge Energie frei wie die Verbrennung von 8 Tonnen Erdöl. Oder 11 Tonnen Kohle.

"Das Gute an dieser Technologie ist: Sie ist absolut sicher!", erklärt vor 16 Jahren Rudolf Brakel vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald. Deren Vorteil sei nämlich, dass schon die minimalste Störung zum Zusammenbruch der Kettenreaktion führt. "Während sich bei Atomunfällen im extremsten Fall – wie in Tschernobyl – Hitze unkontrolliert aufbauen kann, würde es bei einer Störung der Kernfusion zum sofortigen Erkalten kommen."

Im Versuchsreaktor JET in der Nähe von Oxford ist jetzt etwas gelungen, was die Forscher als "Durchbruch" beschreiben: Erstmals wurden während einer fünf Sekunden langen Plasmaentladung eine Energiemenge von 59 Megajoule freigesetzt. Zwar mussten die Fachleute mehr Energie fürs Heizen reinstecken als durch die Fusion erzeugt wurde. Aber sie konnten dabei die Kernverschmelzung detailliert beobachten. Die Resultate seien ermutigend: "Das bringt die Fusion ein Stück näher", urteilt Athina Kappatou vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching, die maßgeblich an den Experimenten am JET beteiligt. "Es ist ein Beweis, dass eine Fusion eine gute Option für eine klimaneutrale Energieerzeugung in der Zukunft ist."

Kommt jetzt also ein neues Zeitalter mit sauberer Energie im Überfluss? An der kontrollierten Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium wird bereits seit den 1960er-Jahren geforscht. Selbst wenn die Forscher jetzt von "Durchbruch" reden: Die Ergebnisse sollen im Versuchsreaktor ITER angewendet werden, der seit 2007 im südfranzösischen Cadarache gebaut wird. Ziel von ITER ist, unter Einsatz von Deuterium-Tritium-Brennstoff zehnmal so viel Energie zu gewinnen, wie zuvor an Heizenergie ins Plasma eingespeist wird. Geplant ist dieses Ergebnis für das Jahr 2035.

Damit wird die Kernfusion keinen Beitrag zur Lösung der Klimakrise leisten können: Wenn die Technologie tatsächlich in den 2040er-Jahren großtechnisch zur Produktionsreife gelangt, müssen viele Staaten längst klimaneutral sein.

"In 50 Jahren wird uns die Kernfusion mit Strom versorgen – das wird uns nun schon seit 30 Jahren versprochen", kritisierte Johannes Lackmann 2006, damals Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien. Der Preis für Fusionsstrom werde mit 20 Cent je Kilowattstunde kalkuliert. Aber "Wind- und Wasserkraft liegen heute bei circa 8 Cent, Biomasse bei 15 Cent“, so Lackmann. Energiepolitisch sinnvoller sei es daher, die prognostizierten Forschungskosten der Fusion von 100 Milliarden Euro in Forschung und Ausbau der erneuerbaren Energien zu stecken. Mein Kollege und Mitpiqer Ralph Diermann hat die Kernfusion hier einmal als den "Berliner Flughafen der Energieforschung" bezeichnet.

Kernfusion: Was vom neuen "Weltrekord" zu halten ist

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Kommentare 3
  1. Hartmut Bischoff
    Hartmut Bischoff · vor 2 Jahren

    ... man kann aber einfach so weitermachen, wie bisher, wenn man zentrale Kernfusionsreaktoren hat.
    Die Nutzung dezentraler regenerativer Energien ist eine radikale Änderung der Energiepolitik und gibt den Bürgern Hoheit über ihre Energieverbrauchsgewohnheiten. Systemänderungen sind einfach unbequem.

    1. Michael Praschma
      Michael Praschma · vor 2 Jahren

      Der Eindruck, wie und mit welchen Zielvorstellungen die Energiewende hin zu den Erneuerbaren betrieben wird, deutet aber auch auf ein Weiter-so hinsichtlich des Konsums. Das geschieht mit erheblichen Folgen für Landschafts- und Naturschutz – u. a. deshalb, weil Erzeugung und Verbrauch der Energie sich kaum geographisch zueinander bringen lassen. Unter dem Aspekt könnte Fusionsenergie schon sexy sein.

    2. Nick Reimer
      Nick Reimer · vor 2 Jahren

      @Michael Praschma Es geht bei der Kernfusion um eine Systemfrage: Erneuerbare funktionieren nur dezentral, weshalb der Energietransport anders organisiert werden muss. Von große Atomblöcken (1400 Megawatt) gehen die Leitungen ins Land. Unter Kleinanlagen wie Windrädern (1,5 Megawatt) oder Solaranlagen (10 Kilowatt) muss ein Schwarmsystem organisert werden: ohne eine alles beherrschende Zentrale wie dem Atomkraftwerk. Odere eben dem Fussionsreaktor. Der Konsum-Gedanke ist aber wichtig und viel zu wenig beleuchtet!

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