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Klima und Wandel

Eine Tour de Force durch die Deutsche Klimapolitik

Dominik LennéDienstag, 31.01.2023

"Europe Calling" ist eine Reihe von Online-Diskussionen, die von Sven Giegold, damals noch grüner Europaabgeordneter, 2017 begründet wurde. Wie wir wissen, wurde Giegold dann Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klima und konnte die Reihe nicht mehr selbst weiterführen. Interessierte gründeten daraufhin den Europe Calling e. V., der die Reihe unter seinem Geschäftsführer Maximilian Fries weiterführt, der auch dieses Interview moderierte.

Aufgrund der Prominenz des Interviewpartners waren ca. 10.000 Zuschauer mit dabei. Habeck beantwortete eine Stunde lang eine Fülle von Fragen, die ihrerseits eine Auswahl aus einer noch viel größeren Fülle von Fragewünschen waren. Die Hörer hatten jede Frage als für sie wichtig gekennzeichnet; die Fragen mit den meisten Stimmen wurden dann gestellt. So gibt das Interview einerseits einen Einblick in die Prioritäten der Zuhörerschaft, andererseits aber auch in die ungeheure Breite der Arbeit, die die Beschleunigung der Dekarbonisierung in Deutschland bedeutet und die Randbedingungen sowie Zwänge, denen sie ausgesetzt ist.

Die folgende Liste von Themen ist nicht vollständig:

  • Das Klimaschutz-Sofortprogramm ist der übergreifende Name für eine ganze Reihe von Maßnahmen aller Ressorts, die intern und extern auf ihre Verträglichkeit mit den definierten 2030 Zielen geprüft sowie dann gesetzgeberisch umgesetzt werden. Bis auf den Verkehrsbereich sei diese Verträglichkeit gegeben. (Habeck spart nicht mit Verweisen auf das Nachzuckeln des Verkehrsministeriums.)
  • Das Energieeffizienzgesetz, das seit einem halben Jahr in Arbeit ist, sei bald beschlussreif für das Kabinett – aber natürlich sei unsicher, in welcher Form es nach diesem Beschluss herauskommt, da alle Kabinettsmitglieder zustimmen müssen.
  • Zur Frage der Steuer auf Flugzeugtreibstoff: Hier sei man durch internationale Verträge gebunden, da sei wenig möglich.* 
  • Die Beschleunigung von Genehmigungen für Windräder: Diese Genehmigungen werden letztlich auf Länder- oder sogar Gemeindeebene erteilt. Eine Reihe von Bundesregelungen bringen Beschleunigungen und eine (befristete) EU-Dringlichkeitsverordnung sehe vor, dass individuelle Umweltverträglichkeitsprüfungen in speziellen Gebieten nicht mehr vor dem Bau vorgenommen werden müssen. 
  • Viele Bezieher von "Ökostrom" ärgerten sich, dass ihre Strompreise über den Strommarkt letztlich doch von den Gaspreisen abhingen – ob man diesen nicht aus dem Strommarkt rausnehmen könne. Habeck beantwortete diese Frage nicht, sondern verwies darauf, dass ab 2025, wenn das neue Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende wie geplant in diesem Jahr in Kraft trete, jeder Stromanbieter variable Tarife anbieten müsse. Dieser ermöglicht Haushalten, ihre Stromkosten dadurch zu senken, dass sie einen Teil ihres Verbrauchs auf Zeiten niedriger Strompreise legen könnten. 
  • Zu Lüzerath: Die Bilder hätten durchaus Wucht, sagte Habeck, aber man habe mit der Aufgabe des Ortes einen acht Jahre früheren Kohleausstieg erwirkt. Das EU-ETS**, das mit Sicherheit über den Preis die Kohleemissionen senke, sei eben nicht alles – man brauche auch fixe Ausstiegstermine, um den entsprechenden Unternehmen den verlässlichen Rahmen zu bieten, der für die sehr hohen Investitionen notwendig sei. 
  • Über die Kapazität der LNG-Terminals: Diese sei nicht zu hoch angesetzt, wie oft behauptet wird; mit allen neuen Importterminals sei sie immer noch deutlich niedriger als die von Nord Stream 1. Außerdem sei zu bedenken, dass über Deutschland auch einige Nachbarländer versorgt würden und eventuelle Überkapazität besser sei als eine weitere Versorgungskrise. 
  • Zu Erdgas-Erschließungen im Senegal oder anderswo in Afrika: Dies sei ein klarer Fehler, es sei besser, das Geld in erneuerbare Energiegewinnung zu stecken – der erneuerbare Anteil an der afrikanischen Stromerzeugung sei nur ein Prozent.***
  • Pro-Kopf-Rückzahlung von Einnahmen aus dem Emissionshandel: Man wolle dorthin kommen, wo die Schweiz jetzt schon ist. Im Finanzministerium werde eine zentrale Datenbank für die Bankkonten aller Bürger erstellt, für die man die Angabe gewisser Daten auch aus Datenschutzgründen verweigern könne. Das dauere aber noch länger – bis etwa zum Ende der Legislaturperiode.
  • Das große Thema Gebäude, der Elefant im Raum, wurde von den Fragestellern interessanterweise nicht für so wichtig erachtet, sodass es nur ganz kurz gestreift wurde. Habeck stellte lediglich fest, dass die Nachfrage nach Wärmepumpen und Sanierungen 2022 stark angestiegen sei. 
  • Gibt es überhaupt genug Arbeitskräfte, um die riesigen Investitionen in Windkraft, Fotovoltaik, Sanierung & Co. zu stemmen? Habeck beantwortete diese Frage mit einem klaren Nein. Er plädierte für alle Maßnahmen, die Menschen auf den Arbeitsmarkt bringen: von besserer Kinderbetreuung über niedrigere Hürden für Migranten bis zur Entwicklung "des fortschrittlichsten Einwanderungsgesetzes in Europa", das in Arbeit sei.

Im Ganzen eine mit Informationen vollgepackte Stunde, in der Habeck zeigte, wie breit und vielschichtig die anstehenden Maßnahmen sind. 

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* Innerdeutsche Kerosinsteuer wäre problemlos möglich. Für internationale Flüge ist die Besteuerung durch viele bilaterale Verträge geregelt, die alle geändert werden müssten. (Wikipedia)

** EU Emissions Trading System. Die Gesamtemission der EU-Industrie im ETS-Sektor (Großindustrie und Stromerzeugung) hat eine Obergrenze, die jedes Jahr sinkt. Die Aufteilung auf die emittierenden Unternehmen erfolgt über handelbare Zertifikate, die jährlich entwertet werden müssen. Da es im Elektrizitätsbereich keine Gratiszertifikate gibt, schlagen die Emissionskosten voll auf die Strompreise durch, was zu einem hohen Anreiz für emissionsarme Stromgewinnung führt.

*** Hier irrt Habeck. Afrika hat – durch seine Wasserkraft und seinen sehr niedrigen Pro-Kopf-Verbrauch – einen recht hohen Anteil erneuerbarer Energien (statista.de).

Eine Tour de Force durch die Deutsche Klimapolitik

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Kommentare 3
  1. Nick Reimer
    Nick Reimer · vor einem Jahr

    Sehr verdienstvoll, Merci!

  2. Maximilian Rosch
    Maximilian Rosch · vor einem Jahr

    Tolle Zusammenfassung, vielen Dank!

  3. Marcus von Jordan
    Marcus von Jordan · vor einem Jahr

    Danke. War auch dabei und hatte hier Notizen liegen, um das auch zu piqen. So gut hätte ich es eh nicht hinbekommen. Ich war angetan vom Format und von der enormen, inhaltlichen Sachlichkeit. Bin Mitglied der Grünen und freue mich darüber, dass da offensichtlich hart gearbeitet wird. Völlig OK, wenn es manchen nicht genug ist, aber mein Eindruck ist, dass sie eben machen, was möglich ist.

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