https://www.piqd.de/klimawandel.atomKlima und WandelDer Klimawandel dürfe nicht länger kommenden Generationen überlassen werden, sagt Papst Franziskus. Kein übereilter Schritt im Herbst 2015 - sagen wir. Was sind die vielversprechendsten Ansätze, wer sind die Pioniere?
2024-03-24T10:35:29+01:00https://www.piqd.de/klimawandel/wohin-ziehen-wir-wenn-die-klimakrise-unertraglich-wird2024-03-24T10:35:29+01:002024-03-24T10:35:29+01:00Wohin ziehen wir, wenn die Klimakrise unerträglich wird?<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Diese Frage stellt das Buch des Investigativ-Journalisten Abrahm Lustgarten mit dem Titel "On The Move - The Overheating Earth And The Uprooting Of America". Es basiert auf vielen wissenschaftlichen Studien, die sich im Kern alle mit klimabedingten Migrationen und Migrationsmodellen beschäftigen.Wir werden als europäische und als nordamerikanische Region zunehmend vor die Frage gestellt werden, wie wir mit den Migrationsdrücken aus den Ländern des Südens, die jetzt schon massiv durch die Klimakrise betroffen sind, die wir im globalen Norden verursacht haben, umgehen werden. Er macht die Unmittelbarkeit der Klimakrise durch Gesprächen mit aus Mittelamerika Geflüchteten persönlich nachvollziehbar. Daraus leitet er dann aber auch die Frage, wie sich die inländische Migrationsbewegung innerhalb der USA entwickeln wird. Das Leben in von Überschwemmung immer stärker betroffenen US-Regionen wird derzeit beispielsweise noch durch die staatliche Subventionierung in Form der Übernahme finanzieller Überschwemmungsrisiken unterstützt. Dies ist im übrigen ein Fehler, den deutsche Politik nach der Überschwemmung von Ahrweiler et al. in Gesprächen mit Versicherern zu wiederholen droht. Wie werden sich die inländische Migrationsbewegungen entwickeln, wenn der Staat diese Subventionen einstellt und die wahren Standortkosten des eigenen Heims sichtbar werden?Wann wird diese inländische Migration einsetzen? Welche Altersgruppen werden sich wie verhalten? Werden die Alten in der Hitze zurückgelassen? Werden Städte gemieden werden?Und wann stellen wir uns in Deutschland diesen Fragen? Der Wohnatlas der Postbank hat erst vor wenigen Tagen gezeigt, dass neben den üblichen großen Städten mit ihren abstrus hohen Immobilienpreisen vier ländliche Regionen auf demselben Preisniveau angesiedelt sind: Es handelt sich dabei durchweg um im Sommer deutlich kühlere Regionen an Nord- und Ostsee.Ab wann werdet ihr an das Umziehen denken?
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/messung-der-abhangigkeit-vom-auto-in-794-stadten2024-03-22T13:44:30+01:002024-03-22T13:44:30+01:00Messung der Abhängigkeit vom Auto in 794 Städten<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Nach neuesten Berechnungen wird ca. die Hälfte der Treibhausgas-Emissionen in der EU im Jahre aus dem Verkehrssektor stammen. Es ist also lohnenswert zu schauen, in welchen Lebensbereichen und in welchen Kontexten verschiedene Mobilitätsformen genutzt werden, um Ansätze zu finden, sich von der Abhängigkeit vom Auto zu befreien.Eine neue Studie, die zudem durch eine spannende #DataViz begleitet wird, gibt hierzu spannende Einblicke. Es wurden in 61 Ländern und 794 Städten Daten über das Mobilitätsverhalten von 850 Mio. Menschen gesammelt und ausgewertet. Die lebensfeindliche Wirkung des Autos auf unsere Lebensqualität steht für die Autorinnen außer Zweifel:"The takeaway is clear: we drive too many cars, and the burden of cars in cities is huge and goes beyond the combustion of petrol. It is also the parking space required, the driving infrastructure, the noise they produce, the toxic materials used in manufacturing and road pavement, the crashes they cause, and others."51% der Pendelfahrten in Städten werden mit dem Auto durchgeführt. Es gibt jedoch große regionale und interkontinentale Varianzen. So ist die Abhängigkeit vom schädlichen Auto in den USA besonders hoch, in Asien besonders niedrig, während Europa im Mittelfeld liegt. Innerhalb von Europa sind vor allem osteuropäische Städte durch eine gute ÖPNV-Infrastruktur geprägt. Städte, die eher von Fahrradpendeln und Fußrouten gekennzeichnet sind, sind Kopenhagen, Utrecht, Bilbao und Bozen. Die Städte in Asien profitieren von einem dominanten Anteil innerstädtischen ÖPNVs. Gleiches gilt für Lateinamerika und Afrika. In Afrika ist hingegen besonders gut zu beobachten, wie "Wohlstandsmehrung" zu einer stärkeren Abhängigkeit vom Auto führt. Die Städte in den USA sind bis auf New York City durch einen übergroßen Anteil von Auto-Abhängigkeit in Mitleidenschaft gezogen.Eine wirklich gute Datenvisualisierung dieser Masse an Daten findet sich hier. Auf dieser Seite könnt auch ihr euch einordnen. Ich hatte das "Problem", dass ich mit einem Radanteil von 100% keine Darstellung angeboten bekam, in der ich das Auto auf 0% stellen konnte, Auch dieses Tatsache spricht wohl Bände...
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/deutsche-stadte-willkommen-im-park-paradies2024-03-18T12:06:43+01:002024-03-18T12:06:43+01:00Deutsche Städte: Willkommen im Park-Paradies<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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In München kostet ein Parkausweis für Anwohner gerade einmal 30 Euro im Jahr, in Berlin gar nur 20 Euro – ein Bruchteil dessen, was in vielen anderen großen Städten Europas zu zahlen ist. Für Parken im Halteverbot sind bundesweit nur 25 Euro fällig, für Parken in einer Feuerwehrzufahrt lächerliche 55 Euro. In der Bundeshauptstadt nimmt Parkraum zehn Mal mehr Fläche ein als Spielplätze.Diese Zahlen stammen aus einem Report, den eine Autorengruppe aus dem Wirtschafts-Ressort der Süddeutschen Zeitung erstellt hat. Sie führen dort auf, welche Privilegien Autofahrer beim Abstellen ihrer Fahrzeuge auf öffentlichem Grund genießen – und wie schwer sich Städte tun, mehr Gerechtigkeit (vor allem finanzieller, aber auch räumlicher Art) herzustellen. So haben manche Kommunen versucht, Anwohner-Parkausweise teurer zu machen, auch mit Staffelung nach Größe oder Gewicht der PKW. Einige Städte konnten das auch tatsächlich durchsetzen; andere sind gescheitert, entweder an Gerichten oder an Anwohnerprotesten. So oder so ist die von vielen Experten geforderte marktwirtschaftliche Bepreisung des Parkraums auf Basis der jeweiligen Bodenpreise und des Parkdrucks nicht mehr als eine sehr ferne Utopie.Ein Paradies für Parker sind die deutschen Städte aber auch, weil vielerorts kaum überwacht wird – es fehlt an Mitarbeitern. Wie fordernd der Job ist, stellt der Report ebenfalls dar, einer der Autoren hat eine Kontrolleurin begleitet. Womöglich liegt die Lösung in der Digitalisierung, heißt es im Report: In Amsterdam scant die Stadt die Nummernschilder der parkenden Autos, deren Halter zuvor per Handy Tickets gekauft haben müssen. In Deutschland steht dem bislang der Datenschutz entgegen.
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Ralph Diermannhttps://www.piqd.de/users/ralph.diermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/co-emissionspreis-sank-aber-keine-panik2024-03-17T14:19:16+01:002024-03-17T14:19:16+01:00CO₂-Emissionspreis sank - aber keine Panik!<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Als Pro-Klimaschutz-Mensch in Europa ist man zur Zeit zwischen Hammer und Amboss: auf der einen Seite die Beschleunigung der Erwärmung mit Erscheinungen wie der Erhöhung der Netto-Energieaufnahme der Erde und einer unwirklich hohen Temperatur der Meeresoberfläche, auf der anderen Seite Angstgeschrei wegen der "Deindustrialisierung Deutschlands" oder sogar Europas.Demgegenüber scheint die EU-Klimapolitik - und hier insbesondere das EU Emissionssenkungssystem für Industrie- und Stromemissionen (EU Emissions Trading System, EU ETS 1) - wie ein Fels in der Brandung: Es gibt für jedes Jahr eine Emissions-Obergrenze vor, die sinkt jährlich ab und landet 2040 bei Null. Das ist vereinbart, festgelegt, allseits akzeptiert, zum Laufen gebracht, funktioniert. Der gepiqte, konzise und sachkundige Artikel geht über die jüngste Entwicklung dieses Systems.Der Zertifikatepreis, d.h. der Preis pro Tonne emittiertes CO₂, war lange sehr niedrig gewesen, weil man das System mit viel zu vielen Emissionsrechten ausgestattet hatte. Mit den unter Anderen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unter dem Motto "Fit for 55" in Gang gesetzten Reformen wurde das Zertifikatangebot verknappt und die jährliche Absenkungsrate erhöht, was zu einem erstaunlichen Anstieg des Preises auf 80 - 100 € führte - erstaunlich deshalb, weil im Markt ungefähr ein Jahresumsatz an Zertifikaten bereits auf Lager war ¹ ; man kaufte also aus Vorsicht dazu. Seit einem halben Jahr ist der Zertifikatepreis auf dem Weg nach unten und dabei mittlerweile bei 60 € angelangt, wofür es eine Reihe von zusammenwirkenden Gründen gibt:
Covid-19 und die Putin-bedingte Energiepreissteigerung hat eine Verminderung der Industrieproduktion - und der damit verbundenen Nachfrage nach Zertifikaten verursacht ².
Durch den milden Winter wurde weniger Strom nachgefragt.
Der Ausbau der regenerativen ersetzt einen immer größeren Teil der fossilen Stromerzeugung.
Die Europäische Kommission brauchte für ihr REPowerEU-Programm (das auch eine Folge des Krieges ist, denn die EU will sich damit von russischem Gas unabhängiger machen) schnell 20 Mrd. € - und hat dafür Zertifikatausgabe vorgezogen.
Der Artikel vertritt den Standpunkt, dass die Industrie, indem sie weniger Zertifikate kauft, kurzsichtig handelt:A structurally lower carbon price has two main effects. First, it provides industrial emitters with a sense of comfort that investments in abatement technologies can wait. This will haunt the market in the long-term with an even higher reduction effort required towards 2030 and beyond. A classic ‘kicking the can down the road’ effect. Denn es sei klar, dass es in nicht allzu langer Zeit mit dem Emissionspreis wieder erheblich aufwärts gehen werde. Die Emissionsobergrenze sinkt unablässig, 2026 sogar besonders stark wegen einer einmaligen Basisanpassung. Die jetzt wegen RepowerEU zusätzlich verkauften Zertifikate werden ab 2027 fehlen. Irgendwann werde der Markt (in seiner unendlichen Weisheit) das auch merken - es sei aber unklar, wann genau. Für 2030 werden 90 bis 190 (!) €/t vorhergesagt. Es gibt nur drei Varianten, in denen das nicht geschieht:
Die Umstellung auf erneuerbare Energie und Erhöhung der Effizienz verläuft auch bei niedrigen Emissionspreisen so schnell, dass die Emissionen konstant weit genug unter der Obergrenze liegen. Das ist nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich.
Die europäische Produktion, besonders die emissionsintensive, sinkt. Wenn dieses durch Auswanderung von Produktion geschieht (Fachbegriff "Carbon Leakage"), ist das das beschrieene Deindustrialisierungszenario. Es kann durch eine Mischung aus Subventionen und Bepreisung von importierten Produkten gemildert werden.
Die übelste Variante ist, dass die Anti-Klimaschutz-Kräfte mit ihren zunehmend populistischen Parolen nach der Europawahl am 9. Juni die EU-Politik dominieren und das geplante Sinken der Emissionen verlangsamen.
FacitEs ist - wie fast überall - komplex. Europa hat nur noch 16 Jahre für eine nahezu vollständige Entfossilisierung der gesamten Industrie. Das wird mit Sicherheit zu erheblichen Widersprüchen führen, auf die wir uns schon einmal geistig-moralisch einstellen sollten. Die Weiter-wie-bisher-Wohlstands-Fraktion wird alle Register ziehen, um die nötigen Umstellungen zu verzögern. Halbwahrheiten und populistische Anti-Klimaschutz-Framings werden mindestens so intensiv aufpoppen wie bisher. Für pro-Klimaschutz-Menschen ist es unverzichtbar, zur Europa-Wahl zu gehen und pro-Klimaschutz-Parteien zu wählen - und dafür zu argumentieren.Anmerkung¹ Die Sandbag-EU-ETS-Simulator-App zeigt die verschiedenen Bestandteile und Flüsse im ETS und ist auf den ersten Blick ziemlich verwirrend. Die Kurve für den Zertifikateüberschuss, d.h. die Zertifikate, die gekauft, aber noch nicht verwendet wurden, ist die gestrichelte Kurve. ² Ein Effekt, den ich in einem frühen Blog Post über Bepreisungssysteme erwähnte (den ich hier bewerbe, denn er ist, glaube ich, eine gute Einführung in das Thema): Emissions-Obergrenzensysteme führen bei schlechter Konjuktur zu niedrigen Energiepreisen, wirken also antizyklisch. It's a feature, not a bug. Zum Weiterlesen"Europe’s industrial decarbonisation at risk amid sharp drop in CO2 price" - Beitrag auf EURACTIV"The recent drop in prices on the EU’s Emissions Trading System (EU ETS) threatens to slow industrial decarbonisation and to deprive state treasures of urgently needed funds for climate action." - Beitrag auf Carbon Market Watch, der die negativen Effekte auf Klimainvestitionen betont."Looking beyond the short-term turbulence: The promising long-term horizon of the EU ETS and carbon pricing" - Einschätzung des Finanzdienstleisters im Emissionshandel Homaio."EU carbon prices likely to remain under pressure" - Markterklärung der ING-Bank
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Dominik Lennéhttps://www.piqd.de/users/dominique.lennehttps://www.piqd.de/klimawandel/mythos-entkopplung2024-03-15T11:48:52+01:002024-03-15T11:48:52+01:00Mythos Entkopplung<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Das neoliberale Paradigma der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Treibhausgas-Emissionen wird von bekannten internationalen Organisationen wie der OECD oder der IEA vertreten, weil es die theoretische Möglichkeit anbietet, ohne „Verzicht“ auf rein quantitatives materielles „Wachstum“ weiter so zu wirtschaften wie in den letzten 200 Jahren und sich damit keine Gedanken über eine Veränderung unseres Umgangs mit der Umwelt machen zu müssen.Die sogenannten heterodoxen Ökonomen, die von der neoliberalen Glaubensrichtung abweichen und dafür regelmäßig mit Nicht-Beachtung in der ökonomischen Debatte abgestraft werden, halten dem neoliberalen Traum aber ganz einfach die nüchternen Zahlen vor, so der Debattenbeitrag bei GRIST.Wachstum wird nach wie vor vom Großteil der Ökonomen gleichgesetzt mit Mehrung des materiellen Wohlstandes, dem Anstieg der Zahl der Arbeitsplätze und der Reduzierung der sozialen Ungleichheit.Hierbei ist zu betonen, dass es die sogenannte „absolute“ Entkopplung durchaus geben kann. So haben 70 Länder weltweit zwischen 1990 und 2020 mindestens 5 aufeinander folgende Jahre der absoluten Entkopplung (BIP rauf, Gesamtemissionen runter) erlebt. Spannend wird aber eben, wenn diese erste Anzeichen einer Entkopplung extrapoliert werden, um zu analysieren, ob sich dieses Instrument wirklich eignet, um einen essenziellen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Für diese Forschung ist vor allem Jason Hickel bekannt. Dabei zeigte sich nun bei einer aktuellen Analyse des Entkopplungspfades, dass die 11 Länder, die bereits am stärksten „entkoppelt“ haben, weitere 220 Jahre benötigen würden, um zu einer Dekarbonisierung der Wirtschaft zu kommen.Gern wird von neoliberalen Ökonomen dann immer gern darauf verwiesen, dass uns eine Wundertechnik zukünftig ermöglichen würde, eine schnellere Entkopplung zu erreichen, die dann aus dem Nichts zu einer Steigerung der Entkopplungsrate um den notwendigen Faktor 10 führen würde.Aus dem Feld der alternativen Ökonomen werden stattdessen Strategien für ein Post-Wachstum oder ein De-Wachstum vorgeschlagen. Diese Strategien verweigern die Fixierung auf eine abstrakte Zahl wie das BIP-Wachstum, das nur wenig über Lebensqualität, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz auszusagen vermag. Dabei sollen vor allem die reichen Länder mit De-Wachstum konfrontiert werden, da diese ja auch für den allergrößten Teil der historischen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.Und bei dieser gesamten Debatte ist noch nicht einmal das Problem der postkolonialen Stoffströme vom globalen Süden in den globale Norden berücksichtigt. Kurz: Es kommt das etwas auf uns zu und wir sollten uns mit dem Gedanken anfreunden, dass es ein „Weiter So“ nicht geben kann.
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/uberaus-dehnbares-greenwashing-beim-yoga2024-03-14T18:11:22+01:002024-03-14T18:11:22+01:00Überaus dehnbares Greenwashing beim Yoga<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Gerade weil ich täglich Yoga mache, nervt mich die scheinheilige Werbung vieler Yoga-Firmen. Lululemon kaufe ich schon lange nicht mehr, weil deren Yoga-Kleidung fast nur aus Plastik (Polyester) besteht. Trotzdem wirbt die Milliarden-schwere Bekleidungsfirma mit grünem Lifestyle und der Behauptung: "Unsere Produkte und unser Handeln vermeiden Umweltbeeinträchtigungen und tragen zur Wiederherstellung eines gesunden Planeten bei."Lululemon wuchs weltweit "durch ein sorgfältig aufgebautes Image."Be Human. Be Well. Be Planet.Ein Lebensgefühl. Wer Lululemon trägt, steht für Achtsamkeit gegenüber dem Menschen und Planeten. Mit diesem Versprechen ist Lululemon zu einem der größten Bekleidungsunternehmen der Welt aufgestiegen. 34.000 Mitarbeiter, 655 Läden weltweit. Ein Börsenwert von 55 Milliarden Dollar.
Eigentlich schon klar, dass das Kaufen von Plastikhosen nicht zur Gesundheit des Planeten beitragen kann. Gut, dass Zeit GREEN mal wieder genauer hinsieht und die andere Bilanz des Unternehmens recherchiert, nämlich die CO2-Bilanz.2020: 829.456 t CO₂e2021: 1.343.649 t CO₂e2022: 1.691.009 t CO₂eSo steigen die Treibhausgase von Lululemons Wertschöpfungskette, Jahr für Jahr.
Weniger kaufen, vor allem weniger Plastik, trägt immer noch am meisten zur Wiederherstellung der Planetengesundheit bei. Om.
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Michaela Haashttps://www.piqd.de/users/michaela.haashttps://www.piqd.de/klimawandel/warum-mancher-jubel-uber-energiewende-erfolge-verfehlt-ist2024-03-13T16:54:15+01:002024-03-13T16:54:15+01:00Warum mancher Jubel über Energiewende-Erfolge verfehlt ist<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Eine Standard-Reaktion auf Energiewende-Missmut ist der Verweis auf die Strombörse: Nachdem die Preise dort seit Herbst 2021 und vor allem nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine stark angestiegen sind, hat sich der Wind etwa seit Mitte letzten Jahres gedreht – Strom ist dort seitdem so billig wie seit Jahren nicht mehr. Das wird gemeinhin dem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren, vor allem der Photovoltaik, gutgeschrieben (was allerdings nur ein Teil der Wahrheit ist, denn ebenso schlagen sich hier der Rückgang des Verbrauchs sowie die niedrigeren Gaspreise nieder).Der Ökonom Peter Seppelfricke von der Hochschule Osnabrück begründet in der jüngsten Ausgabe seiner Kolumne für Capital, warum es Augenwischerei ist, die niedrigen Börsenpreise als Beleg für den Erfolg der Energiewende zu nehmen. Denn diese Betrachtungsweise lässt außeracht, dass der überwiegende Teil der Kosten dort gar nicht abgebildet wird: Die Wetterabhängigkeit der Solar- und Windenergie verlangt Backup-Kapazitäten, Flexibilitäten und Speicher; die dezentrale Erzeugungsstruktur erfordert einen umfassenden Netzausbau. Deswegen sei es im Übrigen auch wenig erhellend, auf die niedrigen Gestehungskosten der Erneuerbaren („die Sonne schickt keine Rechnung“) zu verweisen, da diese Kosten hier ebenfalls nicht eingepreist sind.Zudem erläutert Seppelfricke einen Effekt, mit dem sich die Erneuerbaren kannibalisieren: Je mehr Strom sie erzeugen, desto stärker sinkt in dieser Zeit der Börsenpreis – und damit die Erlöse, die sich mit dem Ökostrom erzielen lassen. Da die meisten Anlagenbetreiber aber für ihren eingespeisten Strom eine Fix- oder eine Mindestvergütung bekommen, muss der Staat umso mehr Geld zuschießen.Was Seppelfricke hier ausführt, wird in Energiewirtschaft und -forschung schon seit vielen Jahren intensiv diskutiert. Einen wichtigen Beitrag liefert er damit aber trotzdem, da er die öffentliche Debatte um Energiewende-Erfolge etwas zurechtrückt - auch wenn man über einige seiner Schlüsse trefflich streiten kann.
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Ralph Diermannhttps://www.piqd.de/users/ralph.diermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/big-oil-lobbyiert-schon-seit-den-1960er-jahren-gegen-green-tech2024-03-13T11:04:45+01:002024-03-13T11:04:45+01:00Big Oil lobbyiert schon seit den 1960er Jahren gegen Green Tech<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Im Jahr 2015 veröffentlichte Climate Inside News einen Blockbuster-Scoop: Exxon hatte seit den 1970er Jahren durch eigene Forschung über die Folgen der Verbrennung fossiler Energiespeicher nicht nur Bescheid gewusst, sondern neuen Erkenntnissen zufolge eigene Klimamodelle und Analysen erstellt, die so genau waren, dass sie Trends in der Erderwärmung vorhersagen konnten, die bis heute gültig sind (nämlich rund 0,2°C pro Dekade).In der darauf folgenden Gerichtsverhandlung einer Klage durch die Stadt New York wurde Exxon (leider) von dem Vorwurf freigesprochen, seine Investoren betrogen zu haben. Ob Exxon die Menschheit selbst betrogen hat, wurde (bis jetzt) nicht verhandelt.Vor einer Woche nun hat sich Exxon CEO Darren Woods sich und seinen Konzern blamiert, als er behauptete, die Öffentlichkeit -- also wir -- seien Schuld an der nur schleppend voranschreitenden grünen Energiewende, da wir nicht dafür bereit seien zu zahlen. Für eine Energiewende wohlgemerkt, die in den 70er, 80er und 90er Jahren noch erheblich billiger ausgefallen wäre, da wir für eine Überführung des Wirtschaftssystems in ein Nachhaltiges ausreichend Zeit gehabt hätten.Ich erzähle diese kurze Episode aus dem klimawandelbezogenen Geschäftsgebaren eines der größten Öl-Konzerne der Welt als kleines Intro für den eigentlichen Piq, denn wie immer in klimawandelbezogenen wirtschaftspolitischen Angelegenheiten ist alles noch viel schlimmer:Dario Kenner von der Uni Essex hat öffentliche Verlautbarungen des American Petroleum Institutes und FuelsEurope, zwei der größten Lobby-Organisationen der Öl-Industrie in den USA und Europa, untersucht und fand heraus, dass diese bereits seit den 1960er Jahren gezielt gegen grüne, kohlenstoffbelastungsarme Technologien agitieren. So hat Kenner dutzende Fälle gefunden, in denen Lobbyisten Druck und Einfluss auf die Politik ausgeübt haben, um Subventionen für etwa E-Autos, Solaranlagen oder Wärmepumpen zu verhindern. Das alles geschah bereits vor 60 Jahren unter dem Stichwort einer angeblichen "technologieneutralen Herangehensweise" der dominierenden Energiekonzerne, was nicht nur ein bisschen an die "Technologiefreiheit" erinnert, die heute noch von der gestrig-denkenden FDP propagiert wird. Auch wurden damals bereits die Scheinargumente einer angeblichen Wettbewerbsverzerrung durch staatliche Subventionen erneuerbarer Energien ins Feld geführt, während -- und hier wird es ganz besonders haarsträubend -- die gleiche Öl-Industrie selbst von Subventionen und Steuererleichterungen profitierte. Laut dem Internationalen Währungsfond belaufen sich die Subventionen für die Fossil-Industrie inklusive der gesellschaftlichen Kosten alleine für das Jahr 2022 auf stattliche 760 Millaren Dollar in den USA, und 310 Millarden Dollar in der EU.Und während all das an die Öffentlichkeit kommt, passiert: Von Seiten der Wirtschaft: zu wenig; von Seiten der Politik: zu wenig; und ansonsten: Polizeigewalt gegen Klimaaktivisten. Das Wort für dieses jahrzehntelange Hintergehen der Öffentlichkeit durch Politik und Öl-Industrie heisst: Heuchelei.
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René Walterhttps://www.piqd.de/users/rene.walterhttps://www.piqd.de/klimawandel/die-grosse-atlantische-umwalzstromung-stand-der-forschung2024-02-29T22:16:15+01:002024-02-29T22:16:15+01:00Die große atlantische Umwälzströmung - Stand der Forschung<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Als "Atlantic Meridional Overturning Circulation" (AMOC) bezeichnet man jene Komponente des atlantischen Strömungssystems, die Oberflächenwasser vom Südatlantik bis in die Arktis zieht, wo es sich abkühlt, auf Grund der nun größeren Dichte absinkt und als Tiefenströmung wieder zurückfließt. Die AMOC ist also der durch die nördliche Kälte angetriebene Teil der Strömung. Der Golfstrom, dessen Weiterführung nach Europa Nordatlantikstrom genannt wird, ist die Komponente des Strömungssystems, die durch den tropischen Ostwind angetrieben wird. Dieser drückt Oberflächenwasser in die Karibik, wo sie von der amerikanischen Landmasse nach Norden abgelenkt wird. Da sich die Erdoberfläche weiter nördlich langsamer nach Osten bewegt als weiter südlich, löst sich der Strom von der Küste und nimmt Kurs auf Europa (Stichwort Corioliskraft). Diese beiden Komponenten überlagern sich und bilden eine Gesamtströmung. Soweit so gut.Nun haben wir allerdings ein kleines Problem: Das Grönlandeis schmilzt und das Schmelzwasser vermindert den Salzgehalt des Wassers in genau der Region, in der es durch die Kälte auf den Grund sinkt. Dadurch wird es leichter (Salzwasser ist schwerer) und die Antriebskraft für die AMOC nimmt ab: sie wird langsamer. Das wiederum vermindert den Transport salzigen Atlantikwassers nach Norden, und bei gleichbleibendem Süßwassereintrag vermindert sich so die Dichte des Wassers in der Absinkregion weiter - eine verstärkende Rückkopplung. Ab einem bestimmten, nicht genau bekannten Süßwassereintrag bekommt dieser Mechanismus eine Eigendynamik: die AMOC wird immer langsamer, die Dichte des arktischen Oberflächenwassers immer geringer und die Strömung kommt innerhalb einiger Jahrzehnte völlig zum Erliegen, sie kollabiert.Dies ist keine Spekulation. Es hat im Laufe der Erdgeschichte öfter stattgefunden. Zwar verschwindet die windgetriebene Komponente der Strömung nicht, aber die Gesamtströmung wird deutlich schwächer. Wenn das geschieht, sinkt die mittlere Temperatur in Europa um mehrere Grad ab, je nach Ort sind bis zu 20 °C weniger im Winter möglich, und es wird deutlich trockener. Das würde massive Probleme für die Nahrungsmittelproduktion mit sich bringen, abgesehen von sonstigen Nachteilen. Aber nicht nur wir wären betroffen: die Niederschlagsgürtel der Welt würden sich verschieben, der Meeresspiegel an der amerikanischen Ostküste ansteigen, die Regenzeiten im Amazonasgebiet könnten sich umkehren, die Südhalbkugel würde deutlich wärmer werden und wegen des größeren Temperaturunterschiedes die Stürme intensiver. Aus nachvollziehbaren Gründen gibt es also einen Zweig der Klimawissenschaft, der versucht, die Bedingungen eines solchen Umschlagens aufzuklären und der gepiqte Artikel skizziert den Stand der Forschung, von dem ich hier einige Aussagen wiedergebe.
In den bisherigen Klimamodelle ist die AMOC bekannterweise zu stabil - hier ist noch viel Feinarbeit nötig.
Eine Methode, die Stabilität eines komplexen Systems zu charakterisieren, ist die Variabilität und Selbstkorrekturzeit gewisser Kenngrößen anzuschauen. Wenn diese zunehmen, nähert sich das System einem Umschlagpunkt. Eine spektakuläres Paper tat das im letzten Jahr und kam zu dem Schluss, dass dieser bereits in einigen Jahrzehnten zu erwarten sei - eine Aussage, die dann aber wegen zu großer Unsicherheiten angegriffen wurde.
Die jüngste, mit exorbitantem Rechenaufwand erstellte Untersuchung einer niederländischen Arbeitsgruppe bestimmte aus einem etwas hypothetischen Modell einen wichtigen Vorhersageparameter, der halbwegs gemessen werden kann. Man sieht, dass sich die AMOC auf den Umschlagpunkt zubewegt - die Daten sind jedoch nicht gut genug um seinen Zeitpunkt abzuschätzen.
Als Facit könnte man sagen, dass der AMOC-Stillstand zu den vielen Umschlagereignissen des Klimasystems zählt, die ebenso katastrophal wie unsicher in ihrem Zeitpunkt sind. Unsere numerischen Modelle können zwar den globalen Temperaturanstieg leidlich wiedergeben, sind aber noch nicht gut genug, brauchbare Voraussagen für solche Umschlagereignisse zu treffen; hierfür müssten auch alle regionalen Teilsysteme genau genug simuliert werden, was viel schwieriger ist. Insbesondere das Zusammenwirken der sich gerade beschleunigenden Klimaerwärmung - mit aktuell sehr hohen Wassertemperaturen - mit dem Dichte-Antrieb der AMOC ist noch so gut wie nicht verstanden. Wir führen ein globales Experiment mit äußerst ungewissem Ergebnis aus. Wie immer heißt es: lieber auf der sicheren Seite bleiben!Liste von weiteren Artikeln zum ThemaExtreme Climate Impacts From Collapse of a Key Atlantic Ocean Current Could be Worse Than Expected, a New Study Warns (Inside Climate News)Visualisierung der Meeresströmungen auf earth.nullschool.netWhat is happening in the Atlantic Ocean to the AMOC? (Stefan Rahmstorf vom PIK auf RealClimate.org)Will the Gulf Stream really shut down? (OCEANUS - the journal of our ocean planet)Vital ocean currents regulating Earth’s climate ‘on course to a tipping point’ (Independent)
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Dominik Lennéhttps://www.piqd.de/users/dominique.lennehttps://www.piqd.de/klimawandel/der-staat-new-york-rollt-grosses-programm-fur-warmepumpen-aus2024-02-28T15:00:11+01:002024-02-28T15:00:11+01:00Der Staat New York rollt großes Programm für Wärmepumpen aus<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Während es in Deutschland die politischen und wirtschaftlichen VertreterInnen der Gas-Lobby ebenso wie in UK geschafft haben, HausbesitzerInnen bezüglich der Kosten und der Zuverlässigkeit der Wärmepumpen zu verunsichern (zur entsprechenden Recherche des GUARDIAN geht es hier), sind uns die USA nicht nur auf deren Bundesebene mit dem Inflation Reduction Act sondern inzwischen auch auf der kommunalen Ebene mit der Wärmewende ein Stück weit enteilt. Der Staat New York hat bereits 30.000 Wärmepumpen für Wohnungen im öffentlichen Wohnungsbau zu einem Gesamtpreis von $ 70 Mio. gekauft, die im Laufe der nächsten Monate installiert werden sollen, um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren und den selbstgesteckten Klimazielen näherzukommen. Dies entspricht einem Anteil von 10% an allen öffentlichen Wohnungen.Bisher mangelte es sowohl in den USA als auch der EU an Prototypen für den flächigen Einsatz der Art von Wärmepumpen, die außen am Gebäude speziell von Mehrparteienhäusern angebracht werden können. Gerade aber der Einsatz in solchen Wohnungen ist elementar wichtig für den Klimaschutz, da die Mehrzahl der Menschen in solchen Wohnungen lebt und dies tendenziell mit einem geringeren Familieneinkommen einhergeht. In der Stadt New York stammen 40% der Treibhausgasemissionen aus der Produktion von Wärme. Sogenannte Fenster-Wärmepumpen (im Originaltext wird nicht nach Split-Anlagen und reinen Wärmepumpen-Anlagen unterschieden) sind damit ein extrem wirksamer Hebel für die Wärmewende. Hinzukommt, dass die installierten Systeme im Sommer auch kühlen können. Dieser Aspekt ist in New York, das unter klimawandelverstärkten Hitzewellen leidet, nicht zu vernachlässigen.
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/die-anderen-wollen-ihn-auch-globale-einstellungen-zum-klimaschutz2024-02-28T00:16:49+01:002024-02-28T00:16:49+01:00Die Anderen wollen ihn auch - globale Einstellungen zum Klimaschutz<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Humans are (what behavioral scientists call) “conditional cooperators”. They contribute more to the public good if they believe that others contribute as well.In einer großen, globalen Studie wurden 130.000 Menschen in 125 Ländern diese und ähnliche Fragen vorgelegt:
Sollten die Menschen allgemein mehr für den Klimaschutz tun?
Sollte Ihre Regierung mehr für den Klimaschutz tun?
Würden Sie Nichts, zwischen 0% und 1% oder 1% oder mehr ihres Einkommens für Klimaschutz investieren?
Wieviel Prozent Ihrer Mitbürger ist Ihrer Meinung nach bereit, 1% oder mehr ihres Einkommens für Klimaschutz zu investieren?
Die Ergebnisse, die in dem gepiqten Interview mit den Studienautoren besprochen werden, sind erstaunlich: 86% aller Befragten beantworteten die erste, 89% die zweite Frage mit "Ja". Bei der dritten Frage, der Bereitschaft, eigene finanzielle Ressourcen einzusetzen, war die Bereitschaft geringer, aber global immer noch 69% für 1% oder mehr. Allerdings zeigten sich bedeutende regionale Unterschiede. Je reicher ein Land ist, desto geringer die Bereitschaft zu Eigenleistung, mit Ausnahmen. Sehr hohe Werte haben ganz Ostasien inklusive China, einige Länder Südamerikas, Afrikas und Schweden. Sehr niedrige Werte zeigten USA, Kanada, Russland, Pakistan, UK. Je wärmer und je vulnerabler ein Land für die Effekte der Klimakrise ist, desto höher die Bereitschaft, eigene Mittel einzusetzen. Diese Ergebnisse kann man nun gut benutzen, um mit Fingern zu zeigen - wichtiger aber ist ein anderes Ergebnis: Die Menschen haben kein besonders positives Bild ihrer Mitbürger - sie unterschätzen systematisch und erheblich deren Bereitschaft, auch eigenes Geld in den Schutz der Erde zu stecken. Und das ist schlecht, denn die Verhaltenswissenschaft sagt, dass Menschen eher bereit sind, zu einer Sache beizutragen, wenn sie glauben, dass die Anderen es auch tun. Deswegen, so die Autoren, sei es von zentraler Bedeutung, nicht die Einwände einer lauten Minderheit wiederzugeben, sondern klar und eindeutig zu kommunizieren, dass die überwältigende Mehrheit der Menschen auf der ganzen Welt bereit ist, gegen den Klimawandel zu handeln und dies auch von ihren Regierungen erwartet.
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Dominik Lennéhttps://www.piqd.de/users/dominique.lennehttps://www.piqd.de/klimawandel/wenn-klimawandelleugner-mit-gpt-uber-die-klimakrise-diskutieren2024-02-23T18:50:44+01:002024-02-23T18:50:44+01:00Wenn Klimawandelleugner mit GPT über die Klimakrise diskutieren<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Was zunächst sehr seltsam und abwegig klingt, haben Forschende in einem sehr groß angelegten sozialen Experiment tatsächlich so umgesetzt. Fast 3.300 Teilnehmende an dem Experiment haben in 20.000 Dialogen mit einer Künstlichen Intelligenz (genauer: GPT-3) über den menschengemachten Klimawandel und die Black Lives Matter Bewegung gesprochen. Neben der Einstellung zu diesen beiden Themenblöcken wurden die Teilnehmenden auch nach weiteren soziodemographischen Kriterien wie bspw. Geschlecht und Bildung differenziert.Das Ergebnis überraschte: Sowohl die Leugner des menschengemachten Klimawandels als auch formal geringer Qualifizierte haben das "Gesprächserlebnis" als negativer als der Rest der Teilnehmenden bewertet. Erstere haben sich aber nach dem Dialog messbar und signifikant in Richtung der Akzeptanz des menschengemachten Klimawandels bewegt. Die Debatten über die innewohnenden Verzerrungen bei Algorithmen (Perspektiven der weißen Männer werden eher als "normal" in den Entscheidungsmechanismus implementiert) sind ja schon länger bekannt. Ausgangspunkt des Experiments war in diesem Fall deshalb die Frage, wie "gerecht" und "ausgewogen" der Dialog in Abhängigkeit der soziographischen Merkmale erfolge. Die Forschung zu dieser Frage kann in ihrer Wichtigkeit gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, geht es doch darum, in einer Zukunft der deliberativen "KI-Demokratie" Diskurse herrschaftsfrei und an Fakten orientiert zu führen.Die drei entscheidenden Fragestellungen in diesem Studienkontext lauteten:"Wie unterscheiden sich die Erfahrungen und das Lernergebnis der Nutzer zwischen verschiedenen sozialen Gruppen, wenn sie mit GPT-3 über wichtige wissenschaftliche und soziale Fragen (d.h. Klimawandel und BLM) sprechen?Wie unterhält sich GPT-3 mit verschiedenen sozialen Gruppen über wichtige wissenschaftliche und soziale Fragen?Wie korrelieren die Gesprächsunterschiede mit der Erfahrung und dem Lernergebnis der Benutzer mit GPT-3 zu entscheidenden wissenschaftlichen und sozialen Fragen?"Das Ziel der Forschenden ist es, mit dieser Studie und den Ergebnissen ein Framework für die Erstellung einer "gerechten" Dialog-KI im deliberativen Diskurs anzubieten.
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/suv-uncool-materialien-zu-einer-kritik-der-stadtgelandewagen2024-02-19T14:23:48+01:002024-02-19T14:23:48+01:00SUV Uncool: "Materialien zu einer Kritik der Stadtgeländewagen"<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Edo Reents, Redakteur im Feuilleton der FAZ, nimmt die Pariser Volksabstimmung über höhere Parkgebühren für auswärtige SUVs zum Anlass, ebenso erhellend wie erheiternd zu fragen: „Was soll eigentlich das Gegurke und Gewürge in den Innenstädten?“Und lässt von Beginn an durchblicken, dass der Hass auf SUVs, den deren Verteidiger weinerlich beklagen, absolut berechtigt ist. Die Autos sind zu groß, zu dreckig und zu schwer, ressourcenverschlingend und lächerlich unpraktisch – so weit so bekannt. Vor allem aber sind SUV asozial, im wahrsten Sinne des Wortes. Reents schreibt:„Ist der Individual-, näherhin der Pkw-Verkehr schon per definitionem eine tendenziell egoistische Angelegenheit, so ist der SUV der Materialhaufen gewordene Egoismus, der hier gleichsam zu sich selbst kommt. Denn nicht nur, dass alles, was an ihm gepriesen wird, ausschließlich den Insassen zugutekommt – der hohe Sitz wie überhaupt der ganze, allerdings beeindruckende, aber eben auch, zumal für die alltägliche Spazierfahrt übertriebene Komfort; dazu die hohe Kühlerhaube, die jeden auch nur etwas kleineren Menschen mit voller Wucht erfasst –; es hat, in der Summe auch ein größeres Gefährdungspotenzial für jeden anderen Verkehrsteilnehmer.“Den Fahrzeugen haftet in ihrem Design etwas Totalitäres an, so Reents, auch die Werbung hat oft diese Vibes. Dort wird häufig ein eklig martialischer Ton gepflegt, die Hersteller sprechen potenzielle Kunden so an, als befänden sich diese permanent im Kampfmodus; in einem Asphaltdschungel, in dem nur die Stärksten überleben (dank des SUV, klar). Paradoxerweise stellen zugleich die SUV-Freunde Kritik unter Ideologieverdacht, als Ausdruck eines freiheitsfeindlichen Verbotskultes.
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Ralph Diermannhttps://www.piqd.de/users/ralph.diermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/anpassungsfahigkeit-an-nachhaltigkeit-keine-deutsche-kernkompetenz2024-02-16T11:01:26+01:002024-02-16T11:01:26+01:00Anpassungsfähigkeit an Nachhaltigkeit: Keine deutsche Kernkompetenz<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Allzuoft wird der notwendige nachhaltige Wandel, gegen den sich ja immer wieder Konservative und Liberale stemmen, leider nur als technokratischer Prozess gesehen, für dessen Umsetzung Regulierungen aka "Stellschrauben" angepasst werden müssen. Diese Sicht auf Transformation ist eine durch die Volkswirtschaftslehre dominierte Sichtweise. Leider haben die Excel-Tabellen und deren Gleichungen selten etwas mit sozialen Realitäten zu tun. Es ist einfach nicht möglich, den Wandel einer Gesellschaft durch regulatorische Stellschrauben umzusetzen. Genau an dieser Stelle hat das estnische Forschungsteam angesetzt, als es sich die Potenziale von über 60 Ländern zur nachhaltigen Transformation angeschaut hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass es eben nicht nur die volkswirtschaftliche Stärke eines Landes ist, die über den Weg der öffentlichen Finanzen dann den Wandel vorantreibt. Ein Blick auf die polarisierte Stimmung in einem Teil der deutschen Gesellschaft, die mit dem notwendigen Wandel hadert und teils sogar das demokratische System infrage stellt, zeigt, dass es eben auch die politischen Institutionen und die der Gesellschaft zugrundeliegenden Normen sind, die die Krisenanpassungsfähigkeit einer Gesellschaft prägt. So stehen neben Schweden eben auch Ländern im Anpassungs-Ranking des Teams ganz oben, die man dort eventuell nicht vermutet hätte: Spanien, Brasilien, Slowenien, Peru, Nicaragua. Deutschland hingegen hat keine Kernkompetenz "Anpassungsfähigkeit" aufzuweisen.
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/natur-als-uhr2024-02-14T16:41:12+01:002024-02-14T16:41:12+01:00Natur als Uhr<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Der Uhrmacher Phil Abernathy werkelt derzeit in seinem Studio an der Küste des Vancouver Island an seinem Meisterwerk: einer Uhr, die den Ablauf der Zeit anhand der ältesten Bäume der Welt anzeigt. Wenn der Wald schnell wächst, wird die Zeit schneller vergehen. Wachsen die Bäume langsamer, verlangsamt sich auch die Uhr.Hinter dem Kunstwerk steckt eine tiefgründige Philosophie: Umwelt-Katastrophen sind die Konsequenz einer Weltsicht, die den Menschen ins Zentrum stellt, während andere Lebensformen aussterben. Was wäre, wenn sich der Mensch wieder mehr in den Rhythmus der Natur einfügt?Factory farming and logging, fossil fuel and plastics production, mining, human construction and infrastructure — all disregard the timing with which nonhuman systems emerge, ebb and flow. The globalized logic of industry, with its planetary supply chain, must keep up with human demand, turning civilization itself into a manifestation of logistics.Our mastery of the world is a mastery of time.
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Michaela Haashttps://www.piqd.de/users/michaela.haashttps://www.piqd.de/klimawandel/wie-deutsche-forscher-zwei-millionen-hektar-wuste-begrunen-wollen2024-02-13T11:40:29+01:002024-02-13T11:40:29+01:00Wie deutsche Forscher zwei Millionen Hektar Wüste begrünen wollen<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Während die Suchmaschine Ecosia gerade vermeldet hat, 200 Millionen Bäume gepflanzt zu haben (was ebenfalls einen Piq wert wäre), macht sich ein anderes deutsches Projekt daran, eine riesige Fläche der Sahara in Mauretanien zu begrünen. Es ist ein Forschungsteam vom Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier, das an der Küste des afrikanischen Landes Entsalzungsanlagen bauen will, die mit Solar- und Windenergie betrieben werden. "Mit diesem entsalzten Wasser bewässern wir die Wüste großflächig und pflanzen dort Bäume. Die wachsen und nehmen dann CO2 aus der Luft auf." Was vor ein paar Jahrzehnten für viele noch verrückt geklungen hätte, klingt mittlerweile durchaus machbar, und auch ein Experte, den tagesschau.de zitiert, hält das Vorhaben grundsätzlich für umsetzbar. Die Wirkung wäre beachtlich: "Wenn wir diese zwei Millionen Hektar in der Wüste Mauretaniens bepflanzen, könnten wir so beispielsweise ein Viertel der deutschen jährlichen Emissionen gewissermaßen im Sand der Sahara binden."Anfang Dezember hat der Saarländische Rundfunk bereits darüber berichtet. Nun konnte Projektleiter Peter Heck laut tagesschau.de die entsprechenden Landrechte erwerben und Vereinbarungen mit Politikern vor Ort treffen. So richtig glauben und vorstellen kann man sich das Ganze zwar immer noch nicht. Andererseits: Wenn ein Start-up aus Kreuzberg weltweit 200 Millionen Bäume pflanzen lassen kann, dann wird es mit diesem Projekt bestimmt auch klappen.
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Squirrel Newshttps://www.piqd.de/users/squirrel.newshttps://www.piqd.de/klimawandel/unsere-mondlandung-grosser-denken-bei-der-energiewende2024-02-12T13:31:39+01:002024-02-12T13:31:39+01:00Unsere Mondlandung: Größer denken bei der Energiewende <img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Wir haben uns bei der Diskussion um die Gestaltung der Energiewende verzettelt, argumentiert SZ-Redakteur Helmut Martin-Jung. Wir streiten etwa über das Heizungsgesetz, die Förderung heimischer Photovoltaik-Hersteller oder die künftige Gestaltung des Strommarktes und verlieren dabei aus den Augen, was die Transformation des Energiesystems tatsächlich bedeutet: ein Jahrhundertprojekt zur klimagerechten Modernisierung von Wirtschaft und Infrastruktur, das unseren Wohlstand wahrt, die Strom- und Wärmepreise im Zaum hält und die Energieversorgung sichert.Martin-Jung plädiert deshalb in einem Essay dafür, die Energiewende zu einem Projekt zu machen, wie es in den USA einst die Mondlandung war. Heißt: Sie in der politischen Debatte konsequent positiv zu besetzen und mit der nötigen Finanz- Kommunikationskraft auszustatten. Regeln zu lockern, so dass Bürger und Unternehmen mehr Möglichkeiten bekommen, Energiewende-Maßnahmen umzusetzen, und Investoren mehr Kapital bereitstellen. Anwohner noch viel stärker an den Erträgen von Wind- oder Solarparks beteiligen.Dann nämlich, so die Hoffnung von Martin-Jung, könnte es gelingen, einen sehr großen Teil der Nation hinter der Energiewende zu versammeln – so wie in den Sechzigern das Programm zur Mondlandung breite Zustimmung in der Bevölkerung fand, gar Begeisterung auslöste. Mit dieser Vision vor Augen würden wir weniger über das Klein-Klein streiten, sondern vielmehr unsere Ressourcen für Wichtigeres einsetzen: vermehrt ins Handeln kommen – mit der Schlagzahl, die die Klimakrise erfordert.
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Ralph Diermannhttps://www.piqd.de/users/ralph.diermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/klimawissenschaftler-m-mann-gewinnt-prozess-gegen-rechte-blogger2024-02-11T17:15:57+01:002024-02-11T17:15:57+01:00Klimawissenschaftler M. Mann gewinnt Prozess gegen rechte Blogger <img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Nicht nur zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gibt es den Versuch, Desinformation zu verbreiten, und damit die westlichen Demokratien zu destabilisieren. Auch in der Klimawissenschaft sind KlimawissenschaftlerInnen wie Katharine Hayhoe oder Michael Mann stetigen Angriffen auf die Integrität ihrer Person ausgesetzt, seitdem professionelle KlimawandelleugnerInnen anerkennen mussten, dass die Erwärmung nicht mehr zu leugnen ist. Was diese LeugnerInnen antreibt, Realitäten und Wissenschaften zu negieren, haben inzwischen weite Teile der Community der PsychotherapeutInnen analysiert.Einem solchen Angriff auf seine wissenschaftliche Integrität war auch Michael Mann vor 12 Jahren ausgesetzt, als zwei rechte Blogger versucht haben, grundsätzliche Aussagen von Michael Mann sowie seine Person zu diffamieren. Die damalige Diffamierung, die vor einigen Tagen nun auch zu Gunsten von Michael Mann gerichtlich endlich bestätigt worden war, war nur der Auftakt für die Änderung der Strategie der KlimawandelleugnerInnen, Personen direkt anzugehen oder alle Kraft darauf zu konzentrieren, mögliche Lösungen zur Klimakrise oder Maßnahmen des Klimaschutzes als nicht wirksam zu labeln.Sowohl im verlinkten Text der New York Times als auch hier in der Washington Post gibt es mehr kontextbezogene Information über die Strategien der VerbreiterInnen von Desinformation. Desinformation zu verbreiten, ist ein Angriff auf den demokratischen Diskurs. Von daher ist das Urteil, das im Sinne von Michael Mann getroffen wurde, so wichtig, da es feststellt: Diffamierung fällt nicht unter den Grundsatz der freien Meinungsäußerung.
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/klimaokonomie-erweitert-den-verengten-vwl-fokus-auf-die-klimakrise2024-01-30T08:49:06+01:002024-01-30T08:49:06+01:00Klimaökonomie erweitert den verengten VWL-Fokus auf die Klimakrise<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Als ich in den 1980er Jahren Volkswirtschaftslehre studierte, war die Zunft von älteren weißen Männern bestimmt, die modellverliebt in ihre eigenen abgeschlossenen mathematischen Welten abtauchten und wenig Bezug ihrer Lehre zur Realität zuließen. Die von diesen Personen ausgebildeten Nachwuchskräfte weisen bis heute diese Fokussierung auf ihre Modellwelt auf. Die Volkswirtschaftslehre leidet seit Jahrzehnten an einem methodischen Stillstand, der bereits in der Zeit der Finanzkrise stark kritisiert worden war. Umso erfrischender und Mut machender ist der Bericht in der New York Times von einer der größten ökonomischen Konferenzen in den USA, veranstaltet von der American Economic Association und etlichen daran anschießenden Organisationen, oder wie es einer der vortragenden Experten formulierte: "Wir sind jetzt alle KlimaökonomInnen".Während in den letzten Jahrzehnten ÖkonomInnen damit befasst waren, die negativen Externalitäten der Treibhausgase in ihre Modelle einzubauen, haben sie es doch nie geschafft, die Wechselwirkung von politischen oder unternehmerischen Entscheidungen mit der Klimakrise in die Köpfe der EntscheiderInnen zu bekommen, so die Autorin.Inzwischen sorgen aber neue junge NachwuchsökonomInnen und mehr Diversität dafür, dass das Klima interdisziplinär operationalisiert Eingang in sowohl betriebs- als auch volkswirtschaftliche Berechnungen findet, seien es die lokalen wirtschaftlichen Auswirkungen der Herstellung von Windkraftanlagen, die Stabilität der Stromnetze, die Folgen der Nutzung von eAutos, die Berechnungen zu den ökonomischen Folgen der Hochwasserereignisse, die Ursachen der Klimamigration oder die Auswirkungen der Klimaextreme auf die betrieblichen Produktivitäten.Die Expertinnen scheinen sich einig darin, so die Autorin, dass die lange Fixierung auf die Modellwelt und die fixe Idee, die Klimakrise allein mit der Verteuerung der Treibhausemissionen angehen zu wollen, zu einem methodisch verengten Blick geführt hat, der nunmehr durch andere Disziplinen und den Nachwuchs aufgebrochen wurde.
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/ki-ermoglicht-politikfolgenabschatzung-im-umweltbereich2024-01-28T11:46:42+01:002024-01-28T11:46:42+01:00KI ermöglicht Politikfolgenabschätzung im Umweltbereich<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Eine relativ kurze Meldung der University of California, Berkeley, lässt aufhorchen, auch wenn sich die Ergebnisse der Analyse der dort beschriebenen Künstlichen Intelligenz wegen der unterschiedlichen Rechtssysteme in den USA und Deutschland nicht 1:1 auf Deutschland übertragen lassen: Ein Team der Universität hat eine KI daraufhin trainiert, die vergangene und die zukünftig prognostizierte Wirkung von Regularien, die Feuchtgebiete, Flussläufe und Trinkwasser-Reservoirs beeinflussen, zu untersuchen. Was diese Methode so bedeutend macht ist, dass, so wie es ein Forschender formuliert, die KI die DNA einer umweltpolitischen Aktivität entschlüsselt und damit die betroffene Fläche der Aktivität ex ante abschätzt und ex post überprüfen kann. Hiermit kann KI die Performanz einer politischen Entscheidung direkt messbar machen. Die Implikation dieser Methode kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, wenn Wissenschaft den nächsten Schritt geht, und diese Methode auch auf andere Politikfelder ausweitet. In Deutschland gab es seit den 1970ern immer wieder den Versuch einer systematischen Politikfolgenabschätzung. Diese rückt mit dieser neuen Methode in greifbare Nähe und könnte Politik rationaler und weniger parteipolitisch gefärbt werden lassen.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/ki-ermoglicht-politikfolgenabschatzung-im-umweltbereich">[link]</a>
Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/zum-stand-des-greenwashings-in-der-nahrungsmittelindustrie2024-01-23T19:05:14+01:002024-01-23T19:05:14+01:00Zum Stand des Greenwashings in der Nahrungsmittelindustrie<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Ebenso wie die Erdölindustrie gerät auch zunehmend der Teil der Nahrungsmittelindustrie unter Druck, der seine Produkte größtenteils auf der Massentierhaltung (Schlachtung und Milcherzeugnisse) aufbaut. Dabei ist festzustellen, so die Bestandsaufnahme der Washington Post, dass Begriffe wie z.B. "klimafreundlich" für Produkte genutzt werden, die eindeutig nicht als solche deklariert werden können, oder wie es es ein Wissenschaftler ausdrückt: Es gibt keinen klimafreundlichen Burger, der auf der Haltung von Nutztieren basiert.Die Nahrungsmittelindustrie und die Gastronomie versuchen dabei - ungewollt oder bewusst - die Komplexität der Nomenklatura, der Berechnungsmethoden und der Lieferketten zu nutzen, um am Ende der Lieferkette den Begriff der Klimafreundlichkeit nutzen zu können. So wird dieser Begriff beispielsweise von Fleischproduzenten bezüglich der eigenen Fleischprodukte genutzt, da die GHG-Emissionen des Produktes gerade einmal 10% unter dem Branchenschnitt liegen.Zu Recht wird auf Planungen der EU hingewiesen, Greenwashing demnächst zu verbieten. Erste Schritte wie das Verbot, Fliegen als klimafreundlich zu deklarieren, wurde ja bereits unternommen. Der Text bietet eine gute Übersicht über die entsprechende Situation auf dem US-Fleisch- und Burger-Markt. Letztlich kann nur an die Fleischproduzenten appelliert werden, ihr Geschäftsmodell, das auf der Ausbeutung von Lebewesen basiert, grundsätzlich zu überdenken.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/zum-stand-des-greenwashings-in-der-nahrungsmittelindustrie">[link]</a>
Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/welche-klimapolitik-von-trump-zu-erwarten-ist2024-01-22T11:43:44+01:002024-01-22T11:43:44+01:00Welche Klimapolitik von Trump zu erwarten ist<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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In seiner ersten Amtszeit hat Donald Trump längst nicht so viel Porzellan zerschlagen wie es ihm möglich gewesen wäre, wenn er nicht so dilettantisch regiert hätte. Um zu verhindern, dass sich das nach seiner Wiederwahl wiederholt, hat der einflussreiche rechte Think Tank Heritage Foundation einen umfangreichen Fahrplan für das Regierungshandel in einer zweiten Amtszeit Trump erarbeitet. Ella Müller, in Washington für die Heinrich-Böll-Stiftung tätig, beschreibt in einem kostenlos zugänglichen Gastbeitrag für Tagesspiegel Background Energie & Klima, was darin zur Klimapolitik steht. Sie geht davon aus, dass der Fahrplan Regierungsprogramm wird, wenn Trump die Wahl gewinnt.Das Thema Energie nimmt einen sehr hohen Stellenwert ein in diesem Konzept, gehört die aggressive Verteidigung der fossilen Welt doch zu den Säulen der rechten Propaganda. Die Zukunft der USA liegt auf Bohrinseln, in Kohleminen und in Erdgasförderanlagen, schreibt Müller, die Helden dieser rechten Erzählung seien Bauern und Trucker. Bidens Klima- und Industriepolitik werde abgewickelt, die Umweltbehörde EPA kaltgestellt, der Inflation Reduction Act – ein üppig ausgestattetes Programm, das Investitionen in klimaschonende Technologien anreizt – rückgängig gemacht. Für all das liefert das Dokument detaillierte Pläne.Im Kern gehe es darum, die fossile Welt mit allen Mitteln zu verteidigen. Dazu zählt auch, Klimaschützer als Staatsfeinde, als Extremisten zu brandmarken, sie aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen, sie gar zu kriminalisieren. Der Tonfall ist paranoid, schreibt Müller, maximal alarmistisch und aggressiv. Sie zitiert aus dem Programm: „Conservatives have just two years and one shot to get this right. With enemies at home and abroad, there is no margin for error. Time is running short. If we fail, the fight for the very idea of America may be lost.“
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Ralph Diermannhttps://www.piqd.de/users/ralph.diermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/anzeichen-fur-beschleunigung-der-erwarmung-verdichten-sich-weiter2024-01-11T14:06:51+01:002024-01-11T14:06:51+01:00Anzeichen für Beschleunigung der Erwärmung verdichten sich weiter<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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2023 hat einen neuen Allzeit-Rekord der globalen Mitteltemperatur in Bodennähe aufgestellt. Das ist für sich genommen noch nichts Aufsehenerregendes, es war quasi zu erwarten gewesen, da es seit 1980 ca. alle 4,5 Jahre so eine Überschreitung der Trendlinie gibt. Was überraschend ist, ist die Höhe dieser Überschreitung: wir sind um Haaresbreite unter der 1,5-Grad-Marke geblieben. Eine Reihe von Einzelmeldungen sind Mosaiksteinchen, von denen hier nur einige exemplarisch aufgeführt seien:
Die Meerestemperaturen im Nordatlantik und global sind extrem gestiegen, was die Dürre in Europa beendete und in Überschwemmung umschlagen ließ.
Die Waldbrände haben 11 mal mehr Waldfläche zerstört als neu angepflanzt wurde (Artikel in Nature, leider hinter Bezahlschranke).
Das schwimmende Eis um Antarktika herum hat stark abgenommen, was zu einer Destabilisierung des westantarktischen Eisschildes geführt hat.
Das Albedo der Erde, d.h. der Anteil des Sonnenlichtes, der sofort wieder reflektiert wird, hat messbar abgenommen, was zu einer höheren Energieaufnahmerate führt.
Diese Mosaiksteine passen zu einem größeren Bild: dem der Beschleunigung der Erwärmung. Seit 1980 war diese, abgesehen von Fluktuationen, erstaunlich linear, mit einer sehr konstanten Rate von 0,2 °C/Dekade. Im gepiqden Artikel wird vorgerechnet, dass diese Linearität höchstwahrscheinlich vorbei ist.Tamino, ein Klimablogger dem ich folge, ist gewiegter Statistiker. Er hat sich den HadCRUT-Temperaturdatensatz vorgenommen, einen der fünf von bekannten Institutionen veröffentlichten Auswertungen der globalen Temperaturmessdaten, und mit einem Filterverfahren die Steigung der Glättungsfunktion für jedes Jahr bestimmt. Gegen Ende des betrachteten Zeitraums nimmt die Unsicherheit dieser Anstiegsrate stark zu, so dass ein weiterhin linearer Anstieg noch im Bereich der Unsicherheit liegt. Man könnte einwenden, dass damit ein Anstieg nicht bewiesen sei. Aber: der Erwartungswert der Anstiegsrate¹ liegt nun bei 0,27 °C/Dekade. Das heißt, dass eine viel höhere Rate von 0,34 °C/Dekade genauso wahrscheinlich ist, wie der bisherige Wert von 0,2 °C/Dekade. Des Weiteren hat er bekannte, nicht von den Treihausgasen abhängige Fluktuationen bestimmt und herausgerechnet. Dies sind: die Variation der Solarstrahlung, die Wirkung von Vulkanausbrüchen und der südpazifischen Großwetterlage, die als El Niño Southern Oscillation (ENSO) bekannt ist. Wenn man das tut, sieht man den Einfluss der Treibhausgase (und weiterer, nicht benannter Rückkopplungsmechanismen) deutlicher. Das Ergebnis ist, dass der Erwartungswert der Anstiegsrate dieser bereinigten Temperatur nun bei 0,3 °C/Dekade liegt und dass ein weiterhin linearer Anstieg nicht mehr im Unsicherheitsbereich liegt - dass also die Beschleunigung der Erwärmungsrate als fast sicher anzusehen ist. AnmerkungWas folgt daraus für unsere Politik und unser privates Verhalten? Keine Panik, aber mehr Fokussierung, Bewusstheit und Wirksamkeit in der Klima-Arbeit und dem eigenen Verhalten. Weniger Ablenkenlassen von Nebenschauplätzen. Eine klarere Vorstellung von einer tiefgreifenden Dekarbonisierung des Lebens. ---¹ Der Mittelwert des Unsicherheitsbereichs.
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Dominik Lennéhttps://www.piqd.de/users/dominique.lennehttps://www.piqd.de/klimawandel/verstellt-uns-die-menschliche-evolution-den-weg-aus-der-klimakrise2024-01-08T15:10:43+01:002024-01-08T15:10:43+01:00Verstellt uns die menschliche Evolution den Weg aus der Klimakrise?<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Ein neues wissenschaftliches Paper der University of Maine stellt die These auf, dass der Mensch evolutionär und kulturell nicht dafür geschaffen sei, die Klimakrise erfolgreich zu bewältigen.Der erste von den Forschenden genannte Grund liegt darin, dass die Menschheitsgeschichte eine Geschichte der räumlichen und materiellen Expansion gewesen ist. Kleine über den Planeten verteilte Menschengruppen haben beständig ihre Werkzeuge zur Ausweitung der materiellen Grundlage ihres Lebens genutzt. Kam es infolgedessen zur Zerstörung der regionalen Lebensgrundlagen, so zogen die Menschen entweder weiter oder entwickelten Methoden fort, die Ausbeutung vor Ort noch weiter treiben. Das Problem liegt nun ganz offensichtlich darin, dass es zukünftig keinen Weg mehr geben wird, vor zerstörten natürlichen Ressourcen zu fliehen. Nahezu die ganze Welt wird von den Menschen genutzt, um weiter materiellen Konsum anzuhäufen. Es gibt keine Räume des Ausweichens mehr. Da die Genetik der sozialen Entwicklung hinterherhinkt, ist der Mensch nicht darauf spezialisiert, mit begrenzten und zerstörten Räumen umzugehen, ohne mit anderen Menschen in Konflikt zu geraten.Hier setzt das zweite elementare Argument an. Regelungen zur Bewältigung umweltbedingter Konflikte waren in der Vergangenheit stets regionaler und teils nationaler Art. Grenzüberschreitende Verschmutzungen von Flüssen wurden und werden zwischen den beteiligten Nationen geregelt. Inzwischen hat die Klimakrise uns aber gezeigt, dass ein Problem jenseits der Regelungsebene zu finden ist, dass auch nur global gelöst werden kann. Hierzu gibt es aber keinen Erfahrungshintergund. Es gibt keine gesetzlich oder regulatorisch legitimierte globale Sanktionsebene, die globale Spielregeln auch umsetzen könnte. Die internationalen Klimakonferenzen und die UN können zwar eine Plattform zur Aushandlung und zum Austausch bieten; ihnen fehlt aber der sanktionierende Charakter. Wie soll das globale "Spiel" der Klimakrise gelöst werden, wenn es keine Ordnungsmacht gibt?
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/2023-das-jahr-der-wetterextreme2023-12-30T10:29:58+01:002023-12-30T10:29:58+01:002023: Das Jahr der Wetterextreme<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Es gibt eine relativ junge Wissenschaft, die sich "Attributionsforschung" nennt: Sie untersucht, ob bestimmte Extremwetter-Ereignisse ohne den Klimawandel derart schlimm ausgefallen wären. Das Ergebnis von Attributions-Studien zeigte zuletzt immer häufiger, dass ohne die Erderhitzung bestimmte Ereignisse "nahezu unmöglich" gewesen wären: das Hochwasser im Ahrtal 2021 beispielsweise, die extreme Hitze 2019 in Australien - gefolgt von einer verheerenden Flut.Auch im ablaufenden Jahr gab es eine Reihe von Wetterextremen, die ohne den Klimawandel nicht möglich gewesen wären: zum Beispiel die Juli-Hitze in Europa, die schweren Waldbrände in Kanada oder die April-Hitze rund ums Mittelmeer. Noch nie war so viel Treibhausgas in der Atmosphäre wie in diesem Jahr, insofern ist nicht verwunderlich, dass das Jahr 2023 weltweit als das mit den extremsten Ereignissen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Geschichte eingehen wird. Einschließlich November lag die global gemittelte Temperatur 1,46 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900, womit jene 1,5 Grad, die sich die Staaten mit dem Parisprotokoll als Ziel zur Begrenzung gesetzt hatten, fast erreicht ist. Bislang war 2016 weltweit das heißeste Jahr mit plus 1,3 Grad. Und natürlich haben die Extreme nicht nur Auswirkungen auf die Menschen: 2023 gab es beispielsweise das stärkste je gemessene Korallensterben. Nie gab es am Südpol weniger Meereis als in diesem Jahr. Nach Erhebungen der Schweizerischen Kommission für Kryosphärenbeobachtung haben die Gletscher der Alpenrepublik in den vergangenen zwei Jahren zehn Prozent ihres Volumens eingebüßt. Damit ging in nur zwei Jahren so viel Eis verloren wie insgesamt zwischen 1960 und 1990.Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) lag die Temperatur 2023 hierzulande bereits mehr als zwei Grad über den Werten aus den Vergleichsjahren – so hoch wie noch nie seit Beginn der Messungen im Jahr 1881. Das hiesige Temperaturmittel erreichte 2023 erstmals 10,6 Grad und lag damit 2,4 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Dabei scheint möglich, dass 2024 das ablaufende Jahr noch toppen wird. „Ich schätze die Chancen auf 50 zu 50“, sagt Helge Gößling, Klimaphysiker am Alfred Wegener Institut in Bremerhaven. Dies liege am Wetterphänomen El Niño, das dieses Jahr begann: Es heizt alle paar Jahre den Pazifik auf und erhöht die globale Mitteltemperatur um rund 0,2 Grad. In der Regel schlägt sich das erst im Jahr nach dem Auftreten nieder – und das wäre dann 2024.
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Nick Reimerhttps://www.piqd.de/users/nick.reimerhttps://www.piqd.de/klimawandel/was-konnen-wir-aus-dem-entstehen-der-klimakrise-lernen2023-12-26T12:52:39+01:002023-12-26T12:52:39+01:00Was können wir aus dem Entstehen der Klimakrise lernen?<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Wir sollten den Kampf gegen die Klimakrise nutzen, um aus etlichen Fehlern der Vergangenheit zu lernen: Welche Logiken in der Gesellschaft, der Wirtschaft, Politik oder Kultur sind es, die wir ändern müssten, um eine lebenswertere Zukunft für uns alle zu erhalten, fragt James Gustave Seth bei "Yale Environment 360". Welche Rolle haben skrupellose Unternehmen, die nur dem Selbstzweck der Vermehrung des Einkommens der Vorstände dienen, sowie ignorante VerbraucherInnen bei der Verursachung der Klimakrise gespielt, denen die Quellen oder die Folgen ihres maßlosen Konsums vollkommen egal waren?Seth nennt 4 Fehler, aus denen wir lernen sollten. Erstens ist es die politisch gewollte Belohnung des kapitalistischen Prinzips, Profit, Wachstum und Macht zu verbinden, um Gewinne anzuhäufen. Die Regulierung des betrieblichen Profitstrebens und des Bankensystems, das die fossile Wirtschaft finanziert, wäre eine geeignete Antwort, wird aber infolge der Verbindung der Interessen von Wirtschaft und Politik verhindert.Zweitens ging diese politisierte Ökonomie – in den USA – mit einem Ausbau des weltweit operierenden US-Militärs einher. Wirtschaftliche und politische Interessen verbanden sich weltweit durch die wirtschaftlich getriebene Außenpolitik der USA, so der Autor.Drittens haben die vernetzten politischen und wirtschaftlichen Interessen die politische Debatte in den USA dahingehend dominiert, dass der durch die Wissenschaft gerechtfertigte Klimaschutz als "Glaubensfrage" dargestellt wurde und damit an Schwungkraft in der Klimakrise verloren hat. Viertens ist es der grundsätzliche Glaube, individuelles Glück durch die Anhäufung von Materie steigern zu können. Zum Egozentrismus gesteigerter Individualismus und die Unfähigkeit, in zeitlichen Kontexten zu denken, hat zu einer Fixierung auf tägliche Bedürfnisbefriedigung durch Konsum geführt. Nach wie vor glauben wir, außerhalb und neben der Natur zu stehen, obgleich wir doch nur als Bestandteil der Natur existieren können. Seth sieht die Lösung dieser 4 Probleme in der Umsetzung des IRA sowie in zahlreichen kommunalen und Aktivitäten der NGO. Wird dies am Ende ausreichen, um die Klimakatastrophe zu verhindern? Schon bald werden wir es wissen.
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/wasserknappheit-in-kalifornien-gier-versus-klimakrise2023-12-17T14:27:16+01:002023-12-17T14:27:16+01:00Wasserknappheit in Kalifornien - Gier versus Klimakrise <img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Die Klimakrise bringt so manche politische Ideologie ins Wanken, da sie neue Realitäten für veraltete politische Konzepte herstellt und alte Gewissheiten auf die Probe stellt. Davon handelt der #LongRead in der New York Times über die Wasserrechte in Kalifornien.Als die ersten Siedler vor etwa 150 Jahren nach Kalifornien gekommen sind, galt das Prinzip, dass der Erste, der auf einem Stück Land Ansprüche auf Wasserrechte stellt, diese automatisch zugesprochen bekommt. Für den Umfang der Nutzung wurde auf das Prinzip "Us it or lose it" zurückgegriffen, das im Kern bedeutete: Sei gierig.In den folgenden Jahrzehnten, so die Info-Grafiken der NYT, siedelten sich die Menschen dann auch folgerichtig in der Nähe der Wasserläufe, Wasserquellen oder Grundwasserreservoire an. Das libertäre Prinzip, auf jeden staatlichen Eingriff zu verzichten und sich stattdessen auf das Ich-Prinzip als ordnendes Prinzip des Wirtschaftens zu beziehen, so wie es die libertäre Ideologie predigt, funktionierte so lang, bis es infolge der Klimakrise zu immer stärkeren Schwankungen der Verfügbarkeit von Wasser kam. Die Natives, die sich traditionell auf die Lachse in den Flüssen als zentrales Wesensmerkmal ihrer Kultur fokussierten, waren die ersten Opfer der Gier und der Klimakrise. Die Fischbestände gingen auf nahezu Null zurück und sie mussten ihre angestammten Regionen verlassen.In den letzten Jahren gab es nun immer wieder Versuche der regionalen Wasserbehörde, die Übernutzung von Wasser gerade in Dürrezeiten zu verhindern. Geldstrafen wurden verhängt, Unternehmen wurden aufgerufen, auf die Nachbarschaften "Rücksicht" zu nehmen. Man hatte gehofft, dass die Unternehmer und die Landwirte "rational" handeln würden und sich das Wasserproblem in einer Art der Selbstorganisation lösen lassen würde. In einem Umfeld jahrzehntelang ungestraft ausgeübter Gier konnten diese Bemühungen und Aufrufe nicht erfolgreich sein. Nunmehr versucht die Wasserbehörde, eine umfangreiche Bestandsaufnahme der Wasserrechte durchzuführen, um das Management des Oberflächenwassers und des Grundwassers im Sinne aller Beteiligten zu verbessern. Es stehen bei dieser Bestandsaufnahme aber die Tradition der mündlich überlieferten Wasserrechte und die nicht aufgearbeiteten Archive der kommunalen Verwaltungen den Folgen der Klimakrise entgegen. Landwirte und Unternehmen haben bereits harten Widerstand gegen dieses Management des knappen Wassers angekündigt.Wer wird am Ende obsiegen? Klimakrise oder Gier?
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/kunstliche-intelligenz-im-dienste-der-nachhaltigkeit2023-12-10T13:02:47+01:002023-12-10T13:02:47+01:00Künstliche Intelligenz im Dienste der Nachhaltigkeit <img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Nach wie vor wird Künstliche Intelligenz (KI) eher thematisiert, wenn es wie in den letzten Tagen auch um die Regulierung von KI geht, um Gefahren für die Menschheit auszuschließen oder massenhafte Überwachung im öffentlichen Raum in Demokratien auszuschließen. Dass aber KI einer der entscheidenden Stellhebel für mehr Klimaschutz ist, wird fatalerweise zu oft übersehen. Dieser Beitrag bei CNN bietet einen umfassenden Einblick in die gegenwärtige Nutzung von KI für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz.So kann KI eingesetzt werden, um in Regionen, die von Dürre und Überschwemmungen geplagt sind, 20 Jahre im Voraus zu berechnen, wie sich die Ernten bei bestimmten Pflanzen verändern werden und ob es sich noch lohnt, die analysierte Pflanze in der Region zu kultivieren. Das Anpflanzen von CO2-speicherndem Seegras kann mit Hilfe von KI optimiert werden, die die zahlreichen Wechselwirkungen der Meeresströmungen, der Auswirkungen von Tourismus an der Küste, der Verteilung von Toxinen mit den Standortbedingungen des Seegrases berücksichtigen kann. KI ermöglicht erstmals die saisonale Betrachtung der Veränderung des Permafrosts infolge der Klimaveränderung. Sie kann zudem seit neuestem präzisere Wetterprognosen erstellen als die etablierten Wettermodelle und damit die Wechselwirkung des Wetters mit dem Smart Grid und der Bereitstellung von erneuerbaren Energien vorausberechnen; dies ist eine der wichtigsten Voraussetzungen der effizienten Nutzung von PV- und Windenergien.In naher Zukunft werden erste KI-Anwendungen Marktreife erlangen, die als Nachhaltigkeits-Coach den Konsumentinnen Hinweis geben, wie der eigene Alltag nachhaltiger gestaltet werden kann.Wenngleich es gegenteilige Effekte dadurch geben kann, dass die KI den Strombedarf wird steigen lassen, überwiegen doch per Saldo eindeutig die positiven Wirkungen der Technik, da in den unterschiedlichsten Kontexten die Relation von Ressourceninput und Outcome verbessert werden wird. Der entscheidende gegenüber menschlichen Entscheidungen besteht in der Prognosefähigkeit der KI, die kein Mensch durch subjektive Einzelfallbetrachtungen und zeitintensive Versuch-und-Irrtum-Testreihen übertreffen kann. Lasst uns das positive Potenzial dieser Technik intensiv nutzen.
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Ole Wintermannhttps://www.piqd.de/users/ole.wintermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/vor-der-klimakonferenz-cop-28-einige-hilfestellungen2023-11-29T19:24:12+01:002023-11-29T19:24:12+01:00Vor der Klimakonferenz COP 28: Einige Hilfestellungen<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2021/03/05/5s1fk46fyv_piqd_klima_pappe_who_gives_a_crap_we_do.png" />
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In wenigen Stunden beginnt die 28. UN-Klimakonferenz, mutmaßlich wird sie bis zum 12. Dezember dauern. Um darauf vorbereitet zu sein, drei Punkte:1. Zum Stand der Klimaerhitzung hat die Deutsche Welle sehr gut Daten aufbereitet: Zu der Dimension des Problems, der aktuellen Lage oder den nationalen Pro-Kopf-Emissionen, also quasi die Schuldfrage. 2. ist eine Klimakonferenz genau genommen viele Klimakonferenzen: Neben der "Conference of the parties" (COP) tagen mit SBI und SBSTA zwei weitere Verhandlungsstränge, dazu kommt die Konferenz der Kyotostaaten, des Weiteren die der Staaten, die das Parisprotokoll unter dem Dach der Vereinten Nationen unterschrieben haben, sowie diverse Unterkonferenzen, die sich mit Anpassung, Finanzen, Waldschutz und Co. befassen. Ich habe versucht, diesen Dschungel in einer Grafik aufzubereiten.3. bin ich gefragt worden, warum diese COP so wenig Interesse im öffentlichen Bewusstsein erzeugt. Der Fehler besteht hauptsächlich darin, zu glauben, Klimakonferenzen könnten dafür sorgen, dass die Emissionen sinken. Oder das wenigstens etwas für den Klimaschutz getan wird. Beides ist absolut falsch: Nur Staaten können eine Politik für den Klimaschutz machen und ihre Emissionen senken. Und weil es bei den Staaten – siehe Deutschland – eben so miserabel läuft, wird alles auf die COPs fokussiert – bei denen es zum Schluss dann heißt: "Is ja wieder nichts rausgekommen!"Klimakonferenzen sind a) dazu da, das Problem zu durchdringen in all seine Facetten (Adaptation, REDD, Loss and Damage, Technologietransfer, Vergleichbarkeit von Klimaschutzbemühungen, einheitliche Messstandards, historische Schuld, und ja, natürlich auch Reduktion...). Klimakonferenzen sind b) dazu da, ein Verständnis dafür zu bekommen, wer in welcher Pflicht steht (Warum darf Chile kein neues Kohlekraftwerk bauen, wenn Deutschland 2020 gerade eines ans Netz geschaltet hat). Klimakonferenzen sind c) dazu da, die Dimension des Problems und seine Auswirkungen zu erfassen (New York wird gegen den steigenden Meeresspiegel bei mehr als 1.000 Kilometer Küstenlänge nicht zu halten sein, genauso wenig wie Jakarta, für das bereits jetzt eine Ersatzhauptstadt erbaut wird). Schließlich geht es auf den Klimakonferenzen d) darum, – im multilateralen Prozess Ziele zu formulieren – zu den Finanzen, zu den Reduktionen, zum Ende der klimaschädlichen Subventionen (Glasgow), zum Ende der Nutzung fossiler Energien (soll jetzt kommen), damit sich die Wirtschaft in ihren Investitionszyklen darauf einstellen kann. Außerdem geht es auf dieser Klimakonferenz in Dubai darum, die Ziele "operabel" zu machen. Das Kyoto-Protokoll stammt von 1997, aber es war eine leere Hülle. Beschlossen wurde damals etwa der CDM-Mechanismus, der "Adaptation-Fund" oder "Joint Implementation". Wie das aber funktioniert, darüber wurde bis 2004 verhandelt.In so einer Phase sind wir jetzt wieder: Das Paris-Protokoll ist eine leere Hülle, wie die einzelnen Bausteine aussehen, darüber wird verhandelt. Zum Beispiel das zusätzlich zur Entwicklungshilfe 100-Milliarden-Dollar-Paket, dass die Industriestaaten dem globalen Süden ab 2020 jährlich versprochen haben – und noch nicht einmal annähernd ausbezahlten: Sind darin Investitionen der Wirtschaft enthalten? Welcher Industriestaat muss wie viel zahlen? Zählt China mittlerweile zu den Zahlungspflichtigen, ist Katar immer noch antragsberechtigt? Dürfen Kredite etwa der Entwicklungsbanken angerechnet werden? Wer darf Anträge auf das Geld stellen, wer bewilligt es, nach welchen Kriterien?Das sind die Mühen der Ebene, die nicht so einfach zu erklären sind, wie Klimakonferenzen, bei denen es um Ziele ging – etwa 2007, 2009, 2012 oder 2015.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/vor-der-klimakonferenz-cop-28-einige-hilfestellungen">[link]</a>
Nick Reimerhttps://www.piqd.de/users/nick.reimerhttps://www.piqd.de/klimawandel/das-ende-einer-atom-renaissance-die-es-genau-genommen-nie-gab2023-11-25T21:33:59+01:002023-11-25T21:33:59+01:00Das Ende einer Atom-Renaissance (die es genau genommen nie gab)<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Das war eine Ankündigung, die die Atomwirtschaft in Ekstase versetzte: Der US-amerikanische Konzern NuScale kündigte 2011 den Bau einer völlig neu designten Atomreaktoren-Generation an, den sogenannten "Small Modular Reactor" (SMR). Dezentral und mit vergleichsweise geringer Leistung sollen sehr viele dieser Anlagen besonders für Industriekomplexe günstig Energie produzieren. So der Plan. Prompt schafft es der Konzern in die Liste der "besten Erfindungen des Jahres 2022" des renommierten Time-Magazins. Begründung: "Reaktoren zu verkleinern macht die Kernkraft sicherer, skalierbarer und kostengünstiger – das ist die Idee hinter dem Small Modular Reaktor (SMR) von NuScale". Das rief ein angebliches "Revival der Atomkraft" aus: Selbst Frankreichs Präsident sieht in der SMR-Technologie die Zukunft seines Landes. Weltweit werden seitdem mehrere Dutzend verschiedene "Mini-Meiler" entwickelt, wobei die Zukunfts-Konzepte kurioserweise teils auf Reaktorentwürfe aus den 1950er-Jahren basieren. Zugelassen für den technischen Betrieb ist allerdings bislang nur ein einziges: Das Mini-AKW der Baureihe VOYGR eben jener Firma NuScale – im Prinzip ein klein dimensionierter Druckwasserreaktor. Das machte der Atomkraftlobby Hoffnung: Spätestens im Jahr 2029 könne ein VOYGE-Mini-Atomkraftwerk im US-Bundesstaat Idaho ans Netz gehen. Doch dieser Traum ist jetzt geplatzt: NuScale hat bekannt gegeben, das VOYGR-Projekt nicht weiterzuverfolgen, weil Strom aus diesen Reaktoren wesentlich teurer wird, als wenn er etwa durch erneuerbare Technologien herstellbar ist. Und ganz klar Konsequenzen gezogen: Der Projektpartner Utah Associated Municipal Power Systems teilte dem Magazin „Science“ mit, in der nahen Zukunft werde sich das Unternehmen stattdessen auf den Ausbau von Windenergie, Solarkraftwerken und Batterien konzentrieren.Klingt wie ein Witz. Scheint aber in diesem Falle Gott-sei-Dank der Lauf der Geschichte zu sein. "Gott-sei-Dank", weil in den NuScale-Plänen natürlich nirgendwo der Millionen Jahre strahlende Atommüll als zu beachtendes Problem berücksichtigt wurde.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/das-ende-einer-atom-renaissance-die-es-genau-genommen-nie-gab">[link]</a>
Nick Reimerhttps://www.piqd.de/users/nick.reimerhttps://www.piqd.de/klimawandel/ein-schuss-optimismus-ammoniak-antrieb-startup-firmenvideo2023-11-20T19:00:15+01:002023-11-20T19:00:15+01:00Ein Schuss Optimismus - Ammoniak-Antrieb-Startup-Firmenvideo<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Wir sind letzthin arg von Hiobsbotschaften geplagt, nicht wahr?Dieses kurze Werbevideo eines US-Startups lässt uns einen Blick in die Zukunft des Seetransports werfen. Dieser wird bekanntlich seit Jahr und Tag mit Schweröl angetrieben. Für Akkus, die effizienteste Variante, sind die Entfernungen dort zu groß. Also sucht man nach Treibstoffen, die die Energie regenerativen Stroms auf die Schiffsschraube bringen können. Purer Wasserstoff kommt wegen seiner geringen Dichte nicht in Frage. Die wichtigsten Kandidaten, die beide auf regenerativem Wasserstoff basieren, sind Methanol und Ammoniak, jede mit ihren Vor- und Nachteilen. Die Methanol-Synthese erfordert Kohlenstoff – woher nehmen? Entweder als CO₂ direkt aus der Luft holen – was Geld und Energie verbraucht – oder aus extra angebauten Pflanzen gewinnen, was Platz braucht, der für Anderes genutzt werden könnte. Ammoniak besteht aus einem Stickstoffatom mit drei Wasserstoffen daran. Stickstoff gibt es überall im Überfluss. Ammoniak wird in allergrößtem Stil weltweit hergestellt: es ist die Grundlage für Stickstoffdünger. Die Dekarbonisierung der Ammoniakherstellung ist eines der größten Einzelprojekte der Energietransformation. Es ist leider giftig, aber man kann damit seit hundert Jahren umgehen. Das Startup Amogy entwickelt die letzte Stufe der Energiekette: aus dem Ammoniak mechanische Energie für die Schifffsschraube zu gewinnen. Dafür gibt es zwei Ansätze: Motoren, die einfach Ammoniak verbrennen und der Weg über Brennstoffzellen und Elektromotoren – Amogy wählte den letzteren.Sie haben einen Reformer entwickelt, der per Katalysatoren das Ammoniak zerbricht, den Stickstoff wieder in die Atmosphäre entlässt und den Wasserstoff verfügbar macht. Dieser erzeugt dann mit Luftsauerstoff in der Brennstoffzelle den benötigten Strom. Man hat einen Traktor damit ausgerüstet und ist jetzt dabei, einen kleinen Ammoniak-Schlepper zu bauen, um etwas zum Vorzeigen zu haben und die Produktion Schritt um Schritt hochzuskalieren. Wir wissen nicht, wie der Ammoniak-Methanol-Wettbewerb für die wirklich großen Schiffe ausgehen und auch nicht, ob Amogy dabei Erfolg haben wird. Aber wir können eine Keimzelle der Umstellung der Handelsschifffahrt beobachten, die mit typisch amerikanischem Optimismus und Commitment dazu beitragen will.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/ein-schuss-optimismus-ammoniak-antrieb-startup-firmenvideo">[link]</a>
Dominik Lennéhttps://www.piqd.de/users/dominique.lennehttps://www.piqd.de/klimawandel/ausblick-auf-chinas-emissionen-der-silberstreif-am-horizont2023-11-17T20:32:48+01:002023-11-17T20:32:48+01:00Ausblick auf Chinas Emissionen - der Silberstreif am Horizont<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Lauri Myllyvirta ist China-Spezialist bei dem finnlandbasierten Klima-Analyse-Thinktank Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA). Sein neuester Beitrag auf der sich durch längere, fundierte Artikel auszeichnenden Plattform Carbon Brief verspricht nichts weniger als eine Sensation: die begründete Erwartung, dass die chinesischen CO₂-Emissionen von nächstem Jahr an abnehmen werden. Wenn sich dies bewahrheitet, rollt ein riesiger Stein von der Brust aller, die sich mit der Klimakrise befassen. Die Meldungen aus China waren ja nicht gerade ermutigend: nicht nur, dass die Emissionen global den bei weitem größten Einzelbeitrag darstellen und in den letzten vierzig Jahren massiv angestiegen sind (bis auf eine Wachstumskrise in 2015/16 und die Covid19-Zeit), sondern auch, dass eine enorme Anzahl neuer Kohlekraftwerke im Bau bzw. genehmigt sind – obwohl Staatschef Xi 2021 die gegenteilige Absicht äußerte. Ein Chinese verbrauchte 2022 mit 670 W etwa die gleiche mittlere elektrische Leistung wie ein Deutscher. Die steigende jährliche pro-Kopf-CO₂-Emission Chinas überholte die sinkende Deutschlands 2021 mit einem Wert von 8,1 t. Allerdings hat China ungefähr 18 Mal mehr Einwohner, d.h. Entscheidungen der chinesischen Führung sind 18 Mal wichtiger! Der Anteil des emissionsarmen Stroms war in China 34 %, in Deutschland 46 %. Mit diesen Emissionswerten erzeugte China jedoch nur ein pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt von 17600 $, das sind 33 % des Deutschen. D.h. dass die chinesische Wirtschaft extrem Emissions-ineffizient arbeitet. Wie geht der Kohle-Ausbau mit der Prognose einer Emissionssenkung zusammen? In zwei Absätzen:
Der enorme Zuwachs an emissionsarmer Stromerzeugung, d.i. Sonnen-, Wind-, Wasser- und Kernenergie, wird erstmals das zu erwartende Wachstum der gesamten Stromerzeugung von ungefähr 5 % p.a. übersteigen. Einen Beitrag dazu leistet auch das Ende der Trockenzeit, die die Stromproduktion der beträchtlichen chinesischen Wasserkraft verminderte – die Stauseen sind gut gefüllt. (Natürlich muss man immer etwas um die Niederschläge bangen.)
Der Konflikt zwischen Kohleverstromung und den Erneuerbaren ist real. Die Kohle hatte in China immer schon Probleme mit Überkapazitäten und extrem niedrigen Kraftwerksauslastungen von nur 46 %. Ein Grund dafür ist die Macht der Regionalregierungen: sie haben die Entwicklung eines effektiven nationalen Strommarkts verhindert. Letztlich dürften einige der geplanten Kraftwerke doch nicht gebaut und etliche der existierenden Kraftwerke stillgelegt werden, vermutlich von den weniger effizienten älteren. Die Verbleibenden werden teilweise als Backup vorgehalten und bekommen dafür viel Geld. Eine ähnliche Entwicklung sehen wir auch in Deutschland.
Interessant ist, wie Myllyvirta beschreibt, dass der phantastische Ausbau der Produktionskapazitäten für Photovoltaik, Windkraft, Batterien und E-Autos ursächlich mit dem Ende des Baubooms zusammenhängt, das u.A. durch den Bankrott des Bau-Giganten Evergrande erzwungen wurde. Die treibende Kraft waren die Regionalregierungen, die neue Investitionen ankurbeln mussten, um ihre Einnahmen zu sichern. Diese Produktionskapazitäten im PV-Bereich sind so astronomisch, dass auch im Erneuerbaren-Bereich eine Überproduktionskrise droht. Der Weltmarkt kann die Zahl der produzierten Module nicht so schnell absorbieren und deren Preise sind im Keller – kaum jemand kann noch Geld damit verdienen. Deshalb sind auch im Solarbereich einige Pleiten und Firmenzusammenschlüsse nicht unwahrscheinlich. Der Ausbau im Herstellungssektor für Erneuerbare hat noch eine weitere spannende Wirkung: ein neuer, starker Faktor im innerchinesischen Einfluss-System ist entstanden, der die Dekarbonisierung aus rein wirtschaftlichem Interesse vorangetrieben sehen möchte – und zwar national und auch global. Außenpolitisch passt das der Regierung gut in den Kram, kann doch so das internationale Image Chinas aufpoliert werden. D.h. zum Schutz des Erdsystems, der nicht zuletzt für China selbst von großer Bedeutung ist, kommt nun eine ökonomische und politische Motivationsdynamik hinzu. Das ist auch ein Kipp-Punkt der globalen Energiewende.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/ausblick-auf-chinas-emissionen-der-silberstreif-am-horizont">[link]</a>
Dominik Lennéhttps://www.piqd.de/users/dominique.lennehttps://www.piqd.de/klimawandel/friederike-otto-eine-leitautorin-der-ipcc-berichte-alles-gesagt2023-10-26T06:11:25+02:002023-10-26T06:11:25+02:00Friederike Otto, eine Leitautorin der IPCC-Berichte - Alles gesagt?<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Gerade erschien der neue Podcast der Reihe Alles gesagt? – “Friederike Otto, ist das noch Wetter oder schon Klima?“ Das Interview mit der Klimatologin führten Jochen Wegner und Christoph Amend von ZEIT ONLINE am 28. September. Die Frage im Titel ist eigentlich doof, wie Nick Reimer in einem Piq schrieb. Diese Plattitüde hält sich hartnäckig und widerspricht den seriösen Inhalten, um die es geht. So war es nicht der Titel und auch nicht nur die Ankündigung:Sie ist Physikerin, Philosophin und eine der international einflussreichsten Klimatologinnen. Vor zwei Jahren kürte das US-amerikanische Time Magazine Otto zu einer der einhundert einflussreichsten Personen, das Wissenschaftsmagazin Nature führte sie in der Top Ten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die das Jahr 2021 besonders geprägt haben. In diesem Jahr wird sie mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet, die meine Aufmerksamkeit auf diesen Beitrag lenkten. Es war der interessante Werdegang dieser jungen Wissenschaftlerin, die früher einmal am liebsten Journalistin geworden wäre, und ihr optimistischer Ausblick, dass die Menschheit eine Klimakatastrophe überleben wird.Die Zeit von der Schule bis zur steilen wissenschaftlichen Laufbahn nimmt fast die erste Stunde der insgesamt 374 Minuten ein. Wer eher mit konkreten Klimafragen beginnen möchte, kann später einsteigen. In jedem Fall lohnt es sich aber, auch diesen Teil zu hören, weil deutlich wird, welche Umstände und auch Zufälle zusammenkommen und neuen wissenschaftlichen Ideen zum Durchbruch verhelfen. Ab -05:22:29 erklärt Otto, was es mit der Attributions- oder Zuordnungsforschung, die von ihr mitbegründet wurde, auf sich hat (siehe auch diesen Piq von Alexandra Endres). Diese Methode ermöglicht es, den Einfluss des Klimawandels auf Extremwetterereignisse zu quantifizieren. Die Modelle basieren auf den CO2-Emissionen, wobei auch weitere Faktoren wie Landnutzung oder Abholzung den Klimawandel beeinflussen.Als Beispiele werden die Sturzflut im Ahrtal und andere Wetterkatastrophen genannt. Aufgrund des Klimawandels war der rund um das Ahrtal niedergegangene Starkregen 1,5- bis 9-mal wahrscheinlicher geworden. Die Spannweite ist durch das sehr begrenzte Gebiet bedingt. Die Erkenntnisse helfen bei der Analyse der Folgen, da sehr kurzfristig Fehlplanungen wie bspw. ein zu hoher Anteil versiegelter Flächen ermittelt und künftig vermieden werden können. Anders als die meisten Klimaforscher kommuniziert Friederike Otto ihre Erkenntnisse mit großem Engagement in der Öffentlichkeit. Hierzu sollten auch alle Wissenschaftler‘innen öffentlicher Institute verpflichtet werden. Zumeist geschehe das nur anlässlich des Erscheinens von Studien. Wo die Kommunikation, etwa bei „Wir müssen jetzt die Welt retten“, falsch läuft: Es geht beim Klimawandel nicht ums Ende der Welt. Der Klimawandel ist deswegen ein Problem, weil er die Lebensgrundlagen, um das jetzt mal ganz platt zu sagen, armer Menschen zerstört. Und zwar sowohl auf globaler als auch lokaler Ebene. Die Frage, warum die Menschheit wider besseren Wissens nicht so handelt, wie sie es aufgrund der Datenlage tun sollte,bringt Versäumnisse und Unwillen der Politik zur Sprache, geht aber auch den Ursachen in unserer Wahrnehmung des Klimawandels nach.Fragen über Fragen, die hier auf Piqd in aller Breite besprochen werden. Man mag nicht mit allem einverstanden sein, was die Weltsicht dieser Forscherin ausmacht, von der wir bestimmt noch hören werden. Auch ist vielleicht ihre manchmal etwas sperrige Sprache nicht jedermanns Sache, die aber wegen der Authentizität und Spontanität des Interviews dem Hörerlebnis – selbst bei mehreren Anläufen – keinen Abbruch tut.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/friederike-otto-eine-leitautorin-der-ipcc-berichte-alles-gesagt">[link]</a>
Lutz Müllerhttps://www.piqd.de/users/nnn.bbbhttps://www.piqd.de/klimawandel/krieg-terror-und-unsere-abhangigkeit-von-fossilen-energien2023-10-18T14:11:59+02:002023-10-18T14:11:59+02:00Krieg, Terror und unsere Abhängigkeit von fossilen Energien<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Es ist kein komplexer Gedanke und auch kein neuer, den Nils Minkmar da ausspricht – aber immer wieder und gerade heute braucht es unbedingt jemanden, der das Offensichtliche so klar und mit solchem Furor benennt, wie es der Autor tut: Islamisten und Antisemiten, Putin und Khamenei und Mohammed bin Salman, all die Feinde der offenen, liberalen, solidarischen Gesellschaft, eint, dass ihr Hass auf Juden, Frauen und Minderheiten privat bliebe, wenn wir ihnen nicht ihre fossilen Brennstoffe abkaufen würden.Auch der russische Überfall auf die Ukraine habe darin wenig geändert – wir haben bloß den Lieferanten gewechselt. Die Angst der Bundesregierung vor den deutschen Autofahrern ist größer als jene vor Putin, zitiert SZ-Redakteur und Autor Minkmar den Fernsehjournalisten Stephan Lamby. Deutschland lebt sentimental in der Fernsehwerbung der Siebziger Jahre: Eigenheim, PKW und Frühstücksidylle,schreibt Minkmar. Erst wenn wir von Öl und Gas weg kommen, helle sich der historische Horizont wieder auf.Die gepiqten Passagen stammen aus dem wöchentlichen, sehr empfehlenswerten Newsletter Minkmars, „Der Siebte Tag“ betitelt. Wer angesichts der Weltenlage etwas Trost sucht, findet auch den in dieser Ausgabe – von Igor Levit und Nigel Slater.
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Ralph Diermannhttps://www.piqd.de/users/ralph.diermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/wenn-wachstum-bedeutet-dass-unser-leben-besser-wird2023-10-17T10:41:06+02:002023-10-17T10:41:06+02:00"Wenn Wachstum bedeutet, dass unser Leben besser wird, ...<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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... dann habe ich nichts dagegen." Das sagt der Physiker Anders Levermann im Spiegel-Interview mit Susanne Götze (paid content). Levermann leitet die Abteilung Komplexitätsforschung am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), und er hat gerade ein Buch geschrieben, das am kommenden Donnerstag, den 19.10., erscheint. In "Die Faltung der Welt" beschreibt er, wie die Menschheit innerhalb der planetaren Grenzen leben kann, ohne auf Fortschritt und Entwicklung zu verzichten. Ich erforsche seit Jahrzehnten komplexe Systeme und deren Verhalten. Als Physiker lernt man von der Chaostheorie, dass es unendliche Bewegung im endlichen Raum gibt. Auch wenn das theoretisch klingt, so kann es helfen, klimapolitische Lösungen zu finden.Entscheidend dafür ist, dass dem Entwicklungsdrang der Menschen harte Grenzen gesetzt werden. Dann sucht er sich innerhalb dieser Grenzen andere, neue Wege. Die Bewegung bleibt, aber sie "faltet sich zurück in den Raum", sagt Levermann, und so bahnt sich der Fortschritt eben einen anderen, neuen Weg: Menschen sind kreativ, weil sie Grenzen haben. Wir hören nur begrenzt Frequenzen, komponieren aber immer neue Musik. Ähnlich ist es in der Malerei mit Farben oder beim Kochen. Unsere Sinne sind beschränkt, aber wir holen ständig neue Facetten aus ihnen heraus. Das schaffen wir nur, weil wir innerhalb eines Raumes der Möglichkeiten unseren Pfad »falten«. (...) Begrenzung macht innovativ und fortschrittlich.Wer jetzt an die FDP denkt, an den CO₂-Handel und "Technologieoffenheit", liegt nicht ganz falsch. In einer sich faltenden Welt schreibt niemand vor, was innerhalb der Grenzen möglich ist, die FDP wird das mögen. Das heißt aber auch, dass jede(r) selbstverständlich Fehler machen darf (Susanne Götze fragt an dieser Stelle nach Wasserstoffheizungen und E-Fuels). Entscheidend ist, dass die harten Grenzen unverrückbar bleiben. Das wiederum wäre mit der FDP, so wie sie sich derzeit darstellt, wohl nicht zu machen. Die Idee der Faltung klingt erst einmal ziemlich abstrakt. Levermann gibt aber auch praktische Beispiele dafür, wie sie in die Politik umgesetzt werden könnte. Mit dem EU-Emissionshandel funktioniere sie schon, sagt er. Auch der ursprüngliche Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes sei "ganz im Sinne der Faltung" gewesen. Und wenn es darum gehe, Grenzwerte für Chemikalien festzulegen, könnte der Staat – statt jedem neuen Stoff, der entwickelt wird, hinterherzurecherchieren, um mögliche Gefahren zu prüfen – einfach festlegen: "Niemand darf etwas in die Umwelt einbringen, was Natur oder Menschen schadet." Damit läge die Beweispflicht bei den Unternehmen. Sie müssten deutlich vorsichtiger agieren. Wachstum und Kapitalismus sind für Levermann also nicht das Problem. Die zunehmende Ungleichheit aber sehr wohl. Faltungsgrenzen, sagt er, würden "Megakonzerne wie Amazon und Google... wieder in den Markt (und Wettbewerb) zurückholen", und sie würden die Einkommensungleichheit begrenzen. Wie soll das in einer globalen Wirtschaft, in denen Staaten sich auf gemeinsame Regeln einigen müssen, funktionieren? Alle wirklich grundlegenden wirtschaftlichen Änderungen müssen national mit einer Art verallgemeinertem Lieferkettengesetz kombiniert werden. Die Faltungsgrenze könnte dabei sein, dass in einem Land keine Produkte mehr verkauft werden dürfen, deren Herstellung den Gesetzen des Landes widerspricht.Wie realistisch es ist, die Idee der Faltung auf die globale Wirtschaft zu übertragen? Ich habe keine Ahnung. Aber das Konzept scheint mir eine spannende Möglichkeit, die Wachstumsdebatte in der Klimakrise anders zu führen, und zwar jenseits der alten Grenzen zwischen Kapitalisten und Antikapitalisten. Vielleicht eröffnet das ja neue Wege. Ganz im Sinne der Chaostheorie. Noch einmal Levermann: Grenzen sind nicht das Ende der Wirtschaft oder unseres Wohlstands, sondern deren Garant. Sie sind der Anfang von etwas Neuem. Wir hören nicht auf zu produzieren und zu leben, wir tun es nur anders. Es kann weiter rasant vorangehen, nur unter anderen Vorzeichen. Es geht nicht um ein Zurück oder ein Weniger, sondern darum, es anders zu machen. Sehen Sie es als Herausforderung, neue Technologien und Lebensweisen zu entwickeln – innovativ statt regressiv.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/wenn-wachstum-bedeutet-dass-unser-leben-besser-wird">[link]</a>
Alexandra Endreshttps://www.piqd.de/users/alexandra.endreshttps://www.piqd.de/klimawandel/das-bewusstsein-der-dringlichkeit-temperaturrekorde-20232023-10-16T14:54:02+02:002023-10-16T14:54:02+02:00Das Bewusstsein der Dringlichkeit - Temperaturrekorde 2023 <img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Eines ist klar: 2023 wird das nächste Allzeit-Hoch der global gemittelten Lufttemperatur in Bodennähe sein, und 2024 hat wegen El Niño das Zeug dazu, das Level mindestens zu halten.¹ In einem vorigen Piq wurde berichtet, wie sich das bereits im Juni mit ungewöhnlich hohen Meerestemperaturen abzeichnete – der Verlauf hätte sich noch abschwächen können, das hat er nicht getan. Die globale Mitteltemperatur lag in den letzten Jahren ein wenig unter dem – wohlgemerkt ansteigenden – Erwartungswert² und verschiebt sich dieses Jahr in einem deutlichen Sprung über den Erwartungswert. Der Sprung ist so bemerkenswert, dass er den Berkeley Earth – Mitarbeiter und Carbon Brief – Autor Zeke Hausfather zu dem zu einem Twitter Hashtag gewordenen Ausruf "Gobsmackingly Bananas!" bewegte. Er schrieb dazu einen New-York-Times-Kommentar, in dem er eine Beschleunigung des Temperaturanstiegs³ vermutete. Den Kommentar wollte ich eigentlich piqen – ich wählte aber diesen anderen Artikel, weil er einen wesentlich breiteren Überblick bietet. Er stellt Äußerungen von elf verschiedenen bedeutenden Klimawissenschaftlern zusammen und ermöglicht so eine ausgewogenere Beurteilung der Lage. Man streitet sich etwas, ob der diesjährige Temperatursprung so ungewöhnlich ist, dass er einen neuen Modus des Klimas ankündigt, oder ob er zwar groß ist, aber noch im Rahmen des Erwartbaren liegt. Deutlich ist aber, dass die Wissenschaft zurzeit keine schlüssige Erklärung für diesen Sprung hat:“For four decades it’s been going as predicted,” he wrote on X (the platform formerly known as Twitter). “But we don’t understand the surprise upward leap that is happening now. And that worries me.” (Stefan Rahmstorf)Ich sehe das als nicht so ungewöhnlich. Ein Teil der Variabilität des Klimasystems ist zufällig, was ein anderes Wort dafür ist, dass wir keine gute Erklärung dafür haben.Dazu kommt, dass unsere Modelle etliche Mechanismen nicht oder nicht gut abbilden. So sind etwa die Emissionen durch die massiven Waldbrände, wie die in Kanada und die Torfbrände in Indonesien, noch nicht enthalten.Über das Ausmaß der Wirkung der Aerosole auf die Wolkenbildung gibt es Meinungsverschiedenheiten. Der Klimaforscher der ersten Stunde James Hansen und sein Team sagen, sie sei bisher stark unterschätzt. Das ist zwar umstritten, aber deswegen nicht einfach von der Hand zu weisen. Damit hätte die Verminderung der Aerosole durch Entschwefelung unserer Rauchgase – durch weniger Wolkenbildung und vermindertes Albedo – eine deutlich stärkere Erwärmung zur Folge als angenommen. Was bedenklich ist, dass früher solche Temperatursprünge im Gefolge der El-Niño-Phase der ENSO-Oszillation im Südpazifik auftraten, während er 2023 bereits davor kam, mit einem weiteren Anstieg durch die aktuelle El-Niño-Phase in 2024 zu erwarten. Jedenfalls zeigt die Sache, dass die Unsicherheiten in der Klimamodellierung, die von den Abstreitern gern als Argument für deren Nutzlosigkeit angeführt werden, auch in der falschen Richtung wirken können, nämlich nach oben. Zusammenfassend: Die Menschheit wird nicht untergehen, aber unsere Handlungen haben Wirkungen. Klarheit über diese – soweit dies möglich ist – ist das Mindeste. ------¹ Tatsächlich war das zu erwarten, da wir im Mittel alle 4,2 Jahre so ein absolutes Maximum sehen – ein Effekt eines linearen Anstiegs, dem statistische Variationen überlagert sind.² Das hängt mit der gerade vergangenen langandauernden La-Niña-Phase der Wettersystem-Oszillation ENSO (El Niño Southern Oscillation) zusammen. In ihr ändert sich die Wassertemperatur im Südpazifik stark, was nicht nur Einfluss auf viele regionale Wettersysteme hat, sondern auch auf die globale Mitteltemperatur. ³ Seit 1980 ist der Temperaturanstieg der oberflächennahen Atmosphäre bemerkenswert linear und es ist fraglich, ob der 2023-Sprung signifikant genug ist, um das zu ändern. Bemerkenswert deshalb, weil die Rate der Energieaufnahme der Erde in dieser Zeit deutlich anstieg. Ein Teil dieser zusätzlichen Energie ist in Verdunstung von Meerwasser umgesetzt worden und steckt jetzt als mehr Wasserdampf in der Atmosphäre.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/das-bewusstsein-der-dringlichkeit-temperaturrekorde-2023">[link]</a>
Dominik Lennéhttps://www.piqd.de/users/dominique.lennehttps://www.piqd.de/klimawandel/jetzt-offiziell-wasserkreislauf-der-erde-gestort2023-10-13T12:20:37+02:002023-10-13T12:20:37+02:00Jetzt offiziell: Wasserkreislauf der Erde gestört<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Die World Meteorological Organization WMO, eingedeutscht Weltmeteorologieorganisation, ist seit den 1950er Jahren oberste Wetterbehörde der Vereinten Nationen – also quasi der Menschheit. Ursprünglich installiert, um die internationale Wetterbeobachtung zu standardisieren und etwa für Luftverkehr, Schifffahrt oder Landwirtschaft nutzbar zu machen, muss sie sich heute immer stärker mit den Folgen des Klimawandels befassen. Die neueste Analyse steht im Bericht "Zustand der globalen Wasserressourcen 2022": Die gestiegenen Globaltemperaturen haben den Wasserkreislauf der Welt durcheinander gebracht. Die Entwicklung war von der Wissenschaft vorhergesagt. Und dabei handelt es sich um Physik: Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit speichern, weshalb es zu viel stärkeren Niederschlägen und Überschwemmungen kommt. Gleichzeitig sorgen höhere Temperaturen dafür, dass die Pflanzen mehr Wasser verdunsten - dem Boden also entziehen. WMO-Chef Petteri Taalas: "Wir haben global weniger Wasser in Reservoiren und wir haben Grundwasser verloren."Das ist kein entferntes Problem, sondern eines, dass auch Deutschland ganz akut betrifft: Trotz des vielen Regens in den letzten Tagen zeigt der Dürremonitor in weiten Teilen Ostdeutschlands, aber auch in der Pfalz, in Baden oder Niedersachsen dunkelrot: "Extreme", vielerorts sogar "außergewöhnliche" Dürre im Unterboden. Manche Störung des globalen Wasserhaushaltes klingt grotesk – und ließe sich sehr leicht vermeiden. So haben wir beispielsweise mit dem Kauf unserer Frühkartoffeln dafür gesorgt, dass sich die Erdachse um dutzende Zentimeter verschoben hat, wie jüngst eine Studie aus Südkorea ergab: In den letzten Jahren hat sich der Anbau in der Wüste etwa in Israel oder Ägypten zu unserem Hauptlieferanten entwickelt. Um die Sahara fruchtbar zu machen, sind riesige Berieselungsanlagen entstanden, die dank moderner Pumptechnik jahrtausendealtes Grundwasser zu Tage fördern. Nach Angaben von Öko-Test verbrauchen die ägyptischen Anbauer im Schnitt 407 Liter Wasser pro Kilogramm Kartoffeln, deutsche Bauern kommen fast ohne aus. Allerdings können die im April, Mai oder Juni nur gelagerte, also keine frischen Kartoffeln anbieten: Wir kaufen also Wasser aus der Wüste. Und weil dies kein frisches, sondern tief im Boden jahrtausende gelagertes ist, ändern sich die Masseverhältnisse des Planeten, und das wiederum den Drift: „Unsere Studie zeigt, dass die Umverteilung des Grundwassers tatsächlich den größten Einfluss auf die Rotationspoldrift hat“, erklärt Ki-Weon Seo, Geophysiker an der Seoul National University, der die Studie leitete.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/jetzt-offiziell-wasserkreislauf-der-erde-gestort">[link]</a>
Nick Reimerhttps://www.piqd.de/users/nick.reimerhttps://www.piqd.de/klimawandel/der-ol-boss-der-den-klimagipfel-leitet-so-tickt-sultan-al-jaber2023-10-09T19:38:58+02:002023-10-09T19:38:58+02:00Der Öl-Boss, der den Klimagipfel leitet: So tickt Sultan Al Jaber<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2021/03/05/6054p51zxx_piqd_klima_plastik_verhuellt_mensch.png" />
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Ende November beginnt der nächste UN-Klimagipfel (COP28) in Dubai, in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Fiona Harvey hat Sultan Al Jaber, den Präsidenten der COP28, für den britischen Guardian porträtiert. In ihrem Text beschreibt sie, wie Al Jaber auftritt, und sie beleuchtet, welche Zwänge und Widersprüche hinter seiner COP28-Präsidentschaft stecken. Das offensichtlichste Problem (das er selbstverständlich gar nicht sieht): Al Jaber ist der Chef der staatlichen Ölgesellschaft ADNOC (die ihn auch bei der COP28-Vorbereitung unterstützt, was Leonie Sontheimer in diesem piq kritisiert hat). ADNOC plant, seine Öl- und Gas Förderkapazitäten massiv auszubauen, trotz der eskalierenden Klimakrise. Das gibt schon eine Ahnung davon, welche Rolle der COP28-Präsident der fossilen Industrie im Kampf gegen die Klimakrise zugedacht hat. (Dazu passt übrigens auch diese Meldung von Reuters: Am vergangenen Wochenende trafen sich die Energieminister der drei größten OPEC-Mitgliedsländer Saudi Arabien, VAE und Irak in Riad zur UN-Klimawoche für den Mittleren Osten und Nordafrika (MENA). Sie warnten davor, die Ölindustrie zu "stigmatisieren", und kündigten einen "Übergang mit genügend Kohlenwasserstoffressourcen" an – also mit reichlich fossiler Energie.)Wie das funktionieren soll, legt COP28-Präsident Al Jaber im Gespräch mit Harvey immer wieder dar; dabei bleibt er die ganze Zeit über unterhaltsam, freundlich, eloquent: der perfekte Diplomat für die Sache der fossilen Industrie. Auch Harveys Nachfragen bringt ihn nicht aus der Fassung. Im Guardian widerlegt sie seine Talking Points dann einen nach dem anderen:
Ja, der IPCC hat festgestellt, dass die Welt immer noch einen gewissen Anteil an fossilen Brennstoffen benötigen wird, selbst wenn sie den Netto-Nullpunkt erreicht. Aber die benötigte Menge wird winzig sein (...).
Ja, fossile Brennstoffe, die effizienter gefördert werden, sind besser für den Planeten (...). Aber das ignoriert die Tatsache, dass es sich immer noch um fossile Brennstoffe handelt, deren Verbrennung in dem Maße, wie wir sie betreiben, den Planeten zerstören wird.
Ja, die Wissenschaftler sind sich einig, dass einige Anlagen zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung benötigt werden, ebenso wie Technologien, um Kohlenstoff aus der Luft abzusaugen. Aber diese werden relativ klein sein und hauptsächlich die am schwersten zu beseitigenden Emissionen aus Industrien wie der Zementherstellung betreffen (...).
Al Jabers flüssige Rhetorik dient dazu, eine einzige unumstößliche Tatsache zu verschleiern: Die Welt kann nicht mit einer boomenden Industrie für fossile Brennstoffe weitermachen. (...) Sonst werden wir gebraten.
Ihr Text weist auch darauf hin, welche Rolle Saudi-Arabien im Hintergrund spielen könnte, der weltweit größte Ölproduzent, der immer wieder Fortschritte auf den UN-Klimagipfeln blockiert. Die VAE haben enge Beziehungen zum Nachbarland:
Diplomaten aus anderen Ländern, die an der COP28 beteiligt sind, spekulieren, dass Al Jabers Äußerungen von saudischen Interessen überprüft oder kontrolliert werden.
(...)
Mehrere der Diplomaten, mit denen ich spreche, äußern im Vertrauen Vorbehalte gegenüber Al Jaber und der COP-Präsidentschaft der VAE. Keiner will damit an die Öffentlichkeit gehen (...). "Er ist der Einzige, den wir haben, und wir müssen mit ihm zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass er im eigenen Land oder von Saudi-Arabien unterminiert wird", so ein allgemeiner Standpunkt.
Keine guten Vorzeichen für den Gipfel. Große Erfolge sind in Dubai nicht zu erwarten. Vielleicht einigt man sich auf ein globales Ausbauziel für erneuerbare Energien. Den Ausstieg aus den fossilen Energiequellen aber ist mit einem Mann der Ölindustrie, wie Al Jaber einer ist, nicht zu machen.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/der-ol-boss-der-den-klimagipfel-leitet-so-tickt-sultan-al-jaber">[link]</a>
Alexandra Endreshttps://www.piqd.de/users/alexandra.endreshttps://www.piqd.de/klimawandel/das-schmelzen-der-gletscher-in-den-alpen2023-10-05T16:27:53+02:002023-10-05T16:27:53+02:00Das Schmelzen der Gletscher in den Alpen<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Steigt die globale Oberflächentemperatur, hat das natürlich auch Auswirkungen weit oben in den Bergen: Nach Erhebungen der Schweizerischen Kommission für Kryosphärenbeobachtung haben die Gletscher der Alpenrepublik in den vergangenen zwei Jahren zehn Prozent ihres Volumens eingebüßt. Damit ging in nur zwei Jahren so viel Eis verloren wie insgesamt zwischen 1960 und 1990. Demnach wurde sogar im südlichen Wallis und Engadin auf über 3.200 Metern – also einer Höhe, in der Gletscher bis vor kurzem noch im Gleichgewicht waren – eine Eisschmelze von mehreren Metern gemessen.Tausende Forscher und Freiwillige sind in den vergangenen 200 Jahre immer wieder aufgestiegen, um die Alpengletschern zu vermessen. Bis vor 50 Jahren wechselten sich Vorrücken mit Rückzugsperioden ab. Seit Anfang der 1980er Jahre aber gibt es nur noch den Rückzug. Dieses Entwicklung lässt sich besonders gut an den Daten des Silvrettagletschers nachvollziehen: Von 1920 bis 1980 schrumpfte er mal, das andere mal wuchs er auf. Seit Mitte der 80er Jahre aber zeigt die Kurve stetig und steil nach unten. Jedes Jahr dünnt das Eis um zirka einen Meter weiter aus.Die Gletscherschmelze hat Auswirkungen weit über die Alpen hinaus: Beispielsweise ist der Rhein in in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein wichtiges Trinkwasserreservoir für Anwohner an seinen Ufern. Und obendrein die wichtigste Wasserstraße für den Güterverkehr. "In den nächsten Jahren beginnt der große Streit um das Wasser", prophezeit der Gletscherforscher Wilfried Haeberli, emeritierter Professor an der ETH Zürich. Der Grund: Die Alpengletscher in der Schweiz und Deutschland "füttern" gerade in den niederschlagsärmeren Sommermonaten den Rhein. Sind die Gletzscher aber weg, ist nichts mehr da, was "füttern" kann. Der Meteorologe Andreas Wagner:"Man muss davon ausgehen, dass in etwa 30 bis 40 Jahren dem Rhein kein Wasser mehr zufließt aus den Gletschern."
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/das-schmelzen-der-gletscher-in-den-alpen">[link]</a>
Nick Reimerhttps://www.piqd.de/users/nick.reimerhttps://www.piqd.de/klimawandel/warum-der-starke-anstieg-der-strom-importe-eine-gute-sache-ist2023-10-02T13:38:26+02:002023-10-02T13:38:26+02:00Warum der starke Anstieg der Strom-Importe eine gute Sache ist<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2021/03/05/54b1wnebyj_piqd_klima_windpark_meer.png" />
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Auf den ersten Blick zeigt die monatliche Darstellung der Strom-Importe und -Exporte ein beunruhigendes Bild: Floss viele Jahre lang in den allermeisten Monaten deutlich mehr Strom von Deutschland ins Ausland als umgekehrt, so hat sich das Bild nach dem Abschalten der letzten AKWs umgedreht. Seit Mai ist das Exportsaldo tief negativ – Deutschland bezieht weit mehr Strom von seinen Nachbarn als es exportiert; trotz der großen Mengen an Solarstrom, die die Photovoltaik-Anlagen im Sommer geliefert haben. CDU/CSU und AfD sehen sich darin bestätigt in ihrer Kritik, das Abschalten der AKWs sei ein Fehler gewesen.Ist die Zunahme der Strom-Importe also ein Warnsignal? Legt Deutschland die Zuverlässigkeit seiner Stromversorgung in die Hände der Nachbarländer? Malte Kreutzfeldt von Table Media – ein 2021 gegründetes Verlagshaus, das hochwertige, größtenteils kostenpflichtige Fach-Newsletter erstellt – hat nun einmal genauer hingeschaut, was da eigentlich los ist. Dazu hat der Ex-taz-Redakteur Zahlen der Bundesnetzagentur sowie des Fraunhofer ISE unter die Lupe genommen. Sein Artikel ist gratis zugänglich.Kurz zusammengefasst: Deutschland profitiert sowohl volkswirtschaftlich als auch mit Blick auf den Klimaschutz von den gestiegenen Importen. Volkswirtschaftlich, weil die Einfuhr günstiger ist als die Produktion im Inland. Und aus Klimasicht, weil der Strom vor allem aus Dänemark, Schweden und Norwegen kommt, wo Wind- bzw. Wasserkraft die wichtigsten Energiequellen sind. Und die Abhängigkeit? Gibt es nicht, denn Kreutzfeldt zufolge lag die Spitzenlast in den letzten Monaten zu keiner Zeit unter der in Deutschland installierten gesicherten Leistung. Mit anderen Worten: Wir hätten unseren Strombedarf auch komplett mit eigenen Kraftwerken decken können – haben das aber nicht getan, weil der Import günstiger und grüner war.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/warum-der-starke-anstieg-der-strom-importe-eine-gute-sache-ist">[link]</a>
Ralph Diermannhttps://www.piqd.de/users/ralph.diermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/the-first-generation-to-reach-real-sustainability2023-09-30T23:36:56+02:002023-09-30T23:36:56+02:00The first generation to reach real sustainability<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Hannah Ritchie ist unüberhörbar Schottin. Sie ist Geowissenschaftlerin, die über die Zusammenhänge von Umwelt und Klima mit Armut, Bildung und Gesundheit geforscht hat. Sie arbeitet seit 2017 bei Our World In Data (OWID), einem Projekt zur Aufbereitung und Darstellung verlässlicher globaler Daten, dessen Grafiken vorbildlich sind. Der Piq ist ihr TED-Talk, der kürzlich online ging und als Gegengift zu dem Ärger und dem Pessimismus gedacht ist, die einen überfallen können, wenn man die beinahe täglichen Meldungen über die sich vor unseren Augen entwickelnde Klimakrise betrachtet. Er ist mit einer Fülle von Kurven aus dem OWID-Fundus gespickt, für die allein das Video sich schon lohnt. Sie beginnt damit, zu konstatieren, dass wir durch die schlechten Nachrichten gelähmt werden können und knallt uns erstmal die hässlichen ansteigenden Kurven von Emissionen, Landverbrauch, Plastikproduktion und so weiter um die Ohren. Dann allerdings kontrastiert sie das mit vielen instruktiven Grafiken, was die Menschheit schon erreicht hat: Alphabetisierung, phantastische Reduktion der Kindersterblichkeit und der extremen Armut. Sie geht weiter über zu den Lichtblicken, die sogar in den Emissionsdaten zu finden sind, wie etwa dass die Pro-Kopf-CO₂-Emission der Menschheit bereits zu sinken begonnen hat. Schließlich entwirft sie die Vision einer Menschheit, die ein gutes Leben für Alle in der Gegenwart mit der Erhaltung der Welt für die Zukunft verbindet - die allerdings nicht von selbst Wirklichkeit wird. Sie sei eine Gelegenheit, die wir ergreifen oder verpassen können. P.S.Ihr Buch zum selben Thema erscheint am 9. Januar 2024.
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Dominik Lennéhttps://www.piqd.de/users/dominique.lennehttps://www.piqd.de/klimawandel/die-phanomenale-erfolgsgeschichte-der-fotovoltaik2023-09-25T13:41:04+02:002023-09-25T13:41:04+02:00Die phänomenale Erfolgsgeschichte der Fotovoltaik<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Bei allem Frust über das Schneckentempo beim Klimaschutz tut es gut, hin und wieder auch mal Erfolgsgeschichten zu hören. Und die schreibt die Fotovoltaik wie keine andere Technologie. Spiegel-Kolumnist Christian Stöcker hat kurz zusammengefasst, welche phänomenalen Fortschritte hier zuletzt zu verzeichnen waren.Das beginnt beim Zubau in Deutschland: Bereits in den ersten acht Monaten dieses Jahres wurde so viel Fotovoltaik neu installiert, wie es die Bundesregierung als Jahresziel gesetzt hatte. Wobei Stöcker gar nicht erst das irre Ausbautempo in China erwähnt – dort werden 2023 wohl rund 200 Gigawatt neu in Betrieb gehen, fast das Dreifache der bis dato insgesamt in Deutschland installierten Leistung.Der starke Zubau ist auch ein Grund dafür, dass die Strompreise für Verbraucher nach dem Hoch im letzten Jahr hierzulande wieder stark gefallen sind. Mit einem dynamischen Stromtarif können sich Haushalte zu vielen Zeiten schon für 10 bis 20 Cent pro Kilowattstunde eindecken.Auch technologisch ist viel passiert: Die heute gängigen Solarzellen sind mittlerweile so effizient, dass das physikalisch mögliche Maximum nicht mehr weit entfernt ist. Daher setzen Forscher auf alternative Materialien, mit denen sie permanent neue Wirkungsgrad-Rekorde erzielen. In spätestens fünf Jahren sind die neuen Zellen marktreif.Die Erfolgsgeschichte der Fotovoltaik soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es etwa bei der Windenergie oder auch beim Wasserstoff viel zu langsam vorangeht. Aber immerhin: Sie zeigt, was möglich ist!
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Ralph Diermannhttps://www.piqd.de/users/ralph.diermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/der-klimagipfel-und-seine-fossilen-pr-berater2023-09-24T11:43:49+02:002023-09-24T11:43:49+02:00Der Klimagipfel und seine fossilen PR-Berater<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Ende November beginnt in Dubai die 28. UN-Klimakonferenz, die COP28. Als Anfang dieses Jahres bekannt wurde, wer Präsident der COP sein soll, gab es Aufruhr: Sultan Ahmed al-Jaber, CEO der staatseigenen Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Unter al-Jabers Aufsicht hat ADNOC seine Öl- und Gasproduktion in einem Ausmaß ausgeweitet, das nicht mit dem Pariser Klimaziel vereinbar ist. Dieser Mann führt also nun die Verhandlungen in Dubai an. Doch natürlich gibt es um einen COP-Präsidenten ein ganzes Team. Bereits im Februar berichtete Ben Stockton im Guardian, dass mindestens 12 Mitglieder des Präsidentschaftsteams direkt aus der fossilen Industrie kämen. Im Juni deckte der Guardian dann auf, dass ADNOC wohl die E-Mail-Kommunikation des COP28-Büros mitlesen konnte und bei der Antwort auf eine Medienanfrage beraten habe. Diese Verstrickungen sind vielleicht wenig überraschend, trotzdem ein Skandal. Von daher macht Ben Stockton einen sehr wichtigen Job, indem er immer wieder neue Details zu diesen Verstrickungen veröffentlicht. Im aktuellen Artikel erklärt er, dass zwei PR-Experten von ADNOC auch das Präsidentschaftsteam der COP beraten:The two Adnoc communications executives named in the leaked document – Philip Robinson and Paloma Berenguer – have a combined 28 years of experience in the fossil fuel industry, according to their LinkedIn accounts. They both previously worked for Shell before joining Adnoc.Unter anderem sollen sie al-Jaber zu seiner Rede beim UN-Nachhaltigkeitsgipfel in New York letzte Woche beraten haben. Dort sprach der Sultan erneut von einem "phase-down" (Runterfahren) aus den fossilen Brennstoffen. Dass wir eigentlich ein "phase-out" brauchen, also das Ende für Öl, Kohle und Gas, wird in der Kommunikation von al-Jaber wohl nicht vorkommen. Tragisch!
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Leonie Sontheimerhttps://www.piqd.de/users/leonie.sontheimerhttps://www.piqd.de/klimawandel/die-bilanz-des-arktischen-sommers-und-antarktischen-winters2023-09-19T14:46:10+02:002023-09-19T14:46:10+02:00Die Bilanz des arktischen Sommers (und antarktischen Winters)<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Das ist seit vielen Tausend Jahren der sich stets wiederholende Kreislauf: Am Nordpol scheint im Sommer 24 Stunden lang die Sonne, viel Energie trifft auf den Arktischen Ozean – das Meereis, das hier schwimmt, taut langsam ab. Am Südpol geht die Sonne dann dagegen gar nicht mehr auf, es ist 24 Stunden dunkel und bitterkalt, weshalb der Ozean zufriert. Mitte September ändert sich das, der Zug der Sonne sorgt dafür, dass es im Winter am Nordpol 24 Stunden dunkel ist und das Eis am Südpol wieder schmilzt.Allerdings ist dieses jahrtausendealte Wechselspiel zwischen Tauen und Schmelzen durch den Klimawandel gehörig durcheinandergeraten: Neuen Untersuchungen zufolge hat der menschengemachte Treibhauseffekt die Arktis in den vergangenen 50 Jahren fast viermal so stark erwärmt wie die Welt im globalen Durchschnitt, wie Forscher:innen aus Norwegen und Finnland belegen. Sie werteten Temperaturdatensätze aus, nach denen sich die Arktis in den vergangenen vier Jahrzehnten durchschnittlich um 0,75 Grad erwärmte, seit 1980 also insgesamt ein Plus von drei Grad.Ein Grund für die überdurchschnittliche Erhitzung ist der sogenannte Albedo-Effekt: Wie ein Spiegel reflektiert die helle Eisoberfläche das Sonnenlicht – und damit auch die Strahlungsenergie. Dort aber, wo das Eis wegtaut, kommt die dunklere Wasseroberfläche zum Vorschein. Diese absorbiert die Strahlungsenergie stärker. Sehr helles Eis weist einen Albedo-Wert von 0,8 auf; es werden also 80 Prozent Strahlungsenergie ins Weltall zurückgestrahlt. Wasser besitzt dagegen nur den Albedo-Wert von 0,1. Bedeutet: 90 Prozent der Energie gehen in den Ozean. Je wärmer das Wasser wird, umso mehr Eis taut, was wiederum den Ozean anheizt. Ein Teufelskreis. Am Sonntag, 17. September, betrug die Fläche des arktischen Meereises nach Erhebung des Norwegian Meteorological Institute 3,3 Millionen Quadratkilometer. Das sind 37,3 Prozent weniger als im Durchschnitt des Zeitraums 1981 bis 2010. Nach den Messungen des Alfred-Wegener-Institutes waren es 4,4 Millionen Quadratkilometer, der US-amerikanische Sea-Ice-Extent registrierte 4,234 Millionen. Die Unterschiede ergeben sich aus verschiedenen Messmethoden, aber sie beschreiben alle den gleichen Trend: Im Jahr 2023 wird es zwar keinen neuen Negativrekord geben, aber die Eisfläche geht insgesamt weiter zurück. In einer Studie des Fachmagazins "Nature Communications" kamen Meeresforscher:innen gerade zu dem Schluss, dass die Arktis in den kommenden Jahrzehnten den ersten eisfreien Sommer erleben wird – selbst dann, wenn ab sofort konsequenter Klimaschutz betrieben würde. Während die Forscher am Nordpol schon lange Alarm schlagen, galt der Eisbildungsprozess in der Antarktis lange Zeit als stabil. Doch in diesem Jahr scheint am Südpol alles anders. Das ging schon mit dem Ende des antarktischen Sommers 2023 (in unserem Winter): Nie war mehr Eis rund um die Antarktis geschmolzen, im Februar waren lediglich noch 1,8 Millionen Quadratkilometer eisbedeckt, ein Zehntel der über die Jahre 1981 bis 2010 gemittelten Messwerte zu dieser Jahreszeit. Der winterliche Eisbildungsprozess ist in diesem Jahr regelrecht zusammengebrochen: Aktuell sind mehr als eine Million Quadratkilometer weniger eisbedeckt als im bisherigen Rekord-Minusjahr 2022. Olaf Eisen, Professor für Glaziologie am Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI), urteilt: „Das, was wir derzeit in der Antarktis sehen, wäre ohne den Klimawandel nur einmal in fünf Millionen Jahren denkbar.“Warum uns die Eismassen an Nord- und Südpol interessieren sollten? Zunächst: Weil sie unser Wetter bestimmen – über den Jetstream, einen Höhenwind, der Hoch- und Tiefdruckgebiete von West nach Ost über die Nord- beziehungsweise ein anderer über die Südhalbkugel bläst. Angetrieben werden diese Winde von der Temperaturdifferenz der Pole zu den Tropen. Weil es am Nordpol aber immer wärmer wird, verliert dieser Jetstream seine Kraft und bewegt sich nicht mehr in den gewohnten Wellenbewegungen über die Nordhalbkugel. Meteorologen schreiben die Trockenheit im Frühjahr 2018, die Hitze im Sommer 2019 oder das Hochwasser an Ahr und Erft 2021 dem lahmenden Jetstream zu.Zweitens leben unter dem Meereis zahlreiche Arten, die direkt vom Eis abhängen, verschiedene Einzeller, Schnecken, kleine Krebse oder die Larven des Krills: Diese garnelenförmigen Krebstierchen sind unerlässlich für das Nahrungsnetz der Ozeane. Weniger Eis bedeutet weniger Krill, bedeutet weniger Nahrung für andere Organismen: Die Organisation „SOS Rescate Fauna Marina“ betrauerte in sozialen Medien geschätzt mehr als 5.000 verendete Magellan-Pinguine, die an die Küste in Uruguay angespült worden waren. Die Tiere hätten wegen Fischmangels im Meer nicht genug Nahrung gehabt und seien wegen fehlender Fettreserven unterkühlt gewesen.Drittens treibt der jährliche Zyklus von Schmelzen und Gefrieren wichtige Meeresströmungen an und versorgt so die Ökosysteme der Ozeane auf der ganzen Welt mit Nährstoffen und Energie – im Norden ist es etwa der Golfstrom, im Süden die Antarktische Umwälzzirkulation. Eine Studie der University of Southampton legt nun nahe, dass die Antarktische Umwälzzirkulation bereits jetzt schwächelt, bis Mitte des Jahrhunderts könnte sie 40 Prozent ihrer Kraft einbüßen. Solche Warnungen gibt es auch für den Golfstrom, der wie ein Wärmeband Europa mit Energie versorgt.Und dann ist da noch die Büchse der Pandora, vor der die Wissenschaft eindringlich warnt: Das antarktische Festland ist von Gletschern bedeckt, die zum Wasser hin von einem Schelfeis-Gürtel festgehalten werden. „Dieses Schelfeis verhindert, dass die Gletscher in die Ozeane fließen“, sagt Glaziologe Eisen. Wenn die Ozeane aber zu warm sind und sich nicht mehr genügend schwimmendes Meereis bilden kann: Was wird dann aus den Gletschern der Antarktis? Olaf Eisen: „Allein wenn der Westantarktische Eisschild schmilzt, steigt der Meeresspiegel um drei bis fünf Meter“.Emden liegt ein Meter hoch.
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Nick Reimerhttps://www.piqd.de/users/nick.reimerhttps://www.piqd.de/klimawandel/studie-dem-planeten-geht-die-puste-aus2023-09-14T00:45:43+02:002023-09-14T00:45:43+02:00Studie: Dem Planeten geht die Puste aus<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Das ging damals schon schief: Anfang des 18. Jahrhunderts hatten die Bergleute im Freiberger Silber-Revier in Sachsen so viel Holz gerodet, das kaum noch Bäume übrig waren. Ohne Holz aber, war Bergbau damals unmöglich: Einerseits wurden Holzpfosten gebraucht, um die Schächte abzustützen, andererseits war das Holz als Heizstoff zum Schmelzen des Erzes unablässig. Die Bergleute hatten natürliche Grenzen überschritten: Immer nur Abholzen und nie etwas Nachpflanzen, das brachte das Gewerbe fast zum Erliegen. Es schlug die Stunde des Hans Carl von Carlowitz: Der Oberberghauptmann des Erzgebirges ordnete an, fortan nur noch so viel Holz zu schlagen, wie gleichzeitig nachwachsen kann. In seinem Lehrbuch „Sylvicultura oeconomica“ über die Forstwirtschaft benutzte er 1713 erstmals den Begriff der Nachhaltigkeit. Der Anbau von Bäumen müsse so erfolgen, „daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weil es eine unentberliche Sache ist“. Was damals durch Wiederaufforstung korrigiert werden konnte, stellt sich heute weitaus schwieriger dar: Ein internationales Forschungsteam hat die natürlichen Belastungsgrenzen der Erde untersucht, die – wenn sie überschritten werden, wie damals im Freiberger Bergbau – den Weiterbetrieb des Systems kollabieren lassen. Die Wissenschaftler:nnen um den Schweden Johan Rockström – er ist Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK – definieren neun solcher Grenzen, beispielsweise den „Süßwasserverbrauch“, die „Funktionsfähigkeit der Biosphäre“, das „Abholzen und andere Landnutzungsänderung“ – etwa das anhaltende Betonieren von Natur für Straßen oder Gewerbegebiete – oder die „Verschmutzung der Umwelt durch Plastik und Chemikalien“. Das Ergebnis, dass gerade im Fachblatt Science veröffentlicht wurde, ist verheerend: Sechs der neun planetaren Grenzen sind bereits überschritten. „Die Erde ist ein Patient, dem es nicht gut geht“, urteilt Co-Autor Johan Rockström. Würden wir uns die Erde als einen menschlichen Körper vorstellen, wären die planetaren Grenzen so etwas wie der Blutdruck. „Ein Blutdruck von über 120/80 bedeutet zwar nicht, dass ein sofortiger Herzinfarkt droht, aber er erhöht das Risiko“, erklärt Hauptautorin Katherine Richardson von der Universität Kopenhagen. Überschritten sei beispielsweise die Grenze für die „Verschmutzung der Umwelt durch Plastik und Chemikalien“: Die Menschheit hat so viel Mikroplastik, Pestiziden oder Atommüll in die Umwelt eingebracht, dass der Planet dadurch nachhaltig verändert wird. Auch die Grenze für „Süßwasser“ ist überschritten: Die Wissenschaftler:nnen unterschieden dabei in sogenanntes „grünes“ Wasser, das in landwirtschaftlichen und natürlichen Böden und Pflanzen enthalten ist, und in „blaues“ Wasser, das in Flüssen, Seen oder Mooren vorkommt. Ersteres wird übernutzt, zweiteres verdreckt oder trocken gelegt. „Neben dem Klimawandel ist die Funktionsfähigkeit der Biosphäre die zweite Säule der Stabilität unseres Planeten“, erklärt Co-Autor Wolfgang Lucht, Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am PIK. Beim Klimawandel sind die Belastungsgrenzen erreicht, beim Artensterben aber bereits überschritten. „Wie beim Klima destabilisieren wir derzeit auch diese Säule, indem wir zu viel Biomasse entnehmen, zu viele Lebensräume zerstören, zu viele Flächen entwalden“, urteilt Lucht. Erstmals wertet die Studie wissenschaftliche Belege für die Quantifizierung der „Grenze für die Aerosolbelastung der Atmosphäre“ aus. Aerosole sind Dreckpartikel, die durch menschliche Aktivität in die Luft gelangen, Rußpartikel aus den Autoabgasen beispielsweise. Zwar ist diese Grenze noch nicht komplett überschritten, allerdings gibt es Regionen, in denen die Wissenschaftler:nnen eine Überschreitung konstatieren, zum Beispiel in Südasien. Stickstoffkreislauf, Erderwärmung, Entwaldung, Artenschwund, Schadstoffe und Süßwasser sind jene planetaren Grenzen, die jetzt schon überschritten sind. Ozeanversauerung, Ozonschicht und Luftverschmutzung sind es noch nicht: Entwickelt hatte das Konzept der planetaren Grenzen 2009 eine Gruppe von 29 Wissenschaftlern, zu denen neben Johan Rockström, Åsa Persson vom Stockholm Resilience Centre, der Nobelpreisträger Paul Crutzen und eben auch die dänische Biologin Katherine Richardson gehörte. Die jetzt vorgestellte Arbeit aktualisiert nicht nur den Wissensstand, sondern liefert auch neue Methoden zur Berechnung der planetaren Grenzen. Johann Rockström „Dieses Wissen zur Verfügung zu haben ist eine ausgezeichnete Grundlage dafür, durch systematischere Anstrengungen Schritt für Schritt die Widerstandsfähigkeit unseres Planeten zu schützen, erholen zu lassen und wieder herzustellen.“ Das Konzept der planetaren Belastungsgrenzen ist nicht das einzige, um den zügellosen Raubbau der Menschheit auf der Erde zu beschreiben: Das Global Footprint Network ermittelt jedes Jahr den Tag, an dem die Gier der Menschheit jenes Angebot an "nachwachsenden Rohstoffen" der Natur wie Holz, Frischluft, Trinkwasser, Fisch oder Weizen in einem Jahr übersteigt. Der so ermittelte "Erdüberlastungstag" war in diesem Jahr der 2. August. Das älteste Konzept hat aber zweifellos Hans Carl von Carlowitz geliefert.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/studie-dem-planeten-geht-die-puste-aus">[link]</a>
Nick Reimerhttps://www.piqd.de/users/nick.reimerhttps://www.piqd.de/klimawandel/rahmstorf-erklart-das-wasserdampf-katastrophengesetz2023-09-12T16:37:11+02:002023-09-12T16:37:11+02:00Rahmstorf erklärt: Das „Wasserdampf-Katastrophengesetz“<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Wenn sich Luft erwärmt, kann sie mehr Wasserdampf aufnehmen. Steigen die Luftmassen auf, können sie das Wasser nicht mehr halten – es regnet. Mit zunehmender Erderhitzung fallen die Regengüsse immer heftiger aus, wie Messreihen zeigen. Und das besonders stark, wo Meere oder große Seen angrenzen, da sie den Luftmassen zusätzlich Wasser bereitstellen.Der dem zugrunde liegende Mechanismus der Wasseraufnahme heißt „Clausius-Clapeyron-Gesetz“, kurz CC-Gesetz – für Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ein „Katastrophengesetz“. Warum? Das erläutert er in seiner Kolumne für den „Spiegel“.Denn neben dem Starkregen ist das CC-Gesetz auch (mit-)verantwortlich für die zunehmenden Dürren, da erwärmte Luft Feuchtigkeit aus dem Boden zieht. Und: Der Wasserdampf wirkt wie ein Treibhausgas, trägt also auch direkt zur Erderhitzung bei.All das erklärt Rahmstorf mit einer sehr angenehmen Informationstiefe: Er stellt die Zusammenhänge so komplex wie nötig, aber so einfach wie möglich dar – und das in einer sehr verständlichen, hervorragend zu lesenden Sprache.
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<a href="https://www.piqd.de/klimawandel/rahmstorf-erklart-das-wasserdampf-katastrophengesetz">[link]</a>
Ralph Diermannhttps://www.piqd.de/users/ralph.diermannhttps://www.piqd.de/klimawandel/studie-wirtschaftswachstum-widerspricht-klimaschutz2023-09-06T15:11:47+02:002023-09-06T15:11:47+02:00Studie: Wirtschaftswachstum widerspricht Klimaschutz <img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2021/03/05/6054p51zxx_piqd_klima_plastik_verhuellt_mensch.png" />
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Kein Land mit hohem Einkommen hat das erreicht, was man zu Recht als "grünes Wachstum" bezeichnen könnte – ein Wirtschaftswachstum, das mit Emissionsreduzierungen im Einklang mit dem Pariser Abkommen einhergeht. Das ist Ergebnis einer Studie, die im Fachjournal "The Lancet Planetary Health" veröffentlicht wurde. Darin verglichen die Autoren Jefim Vogel (University of Leeds) und Jason Hickel (Universität Barcelona) die im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Reduktionsziele von 36 Industriestaaten mit ihren tatsächlichen Emissionen. Nur elf von ihnen schafften im Untersuchungszeitraum 2013 bis 2019 eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und den Treibhausgasemissionen: Australien, Belgien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Schweden, das Vereinigte Königreich und Österreich."Nichts an dem wirtschaftlichen Wachstum dieser Länder ist grün", so Hauptautor Vogel. Die Diskrepanzen zwischen den Klimazielen und den derzeitigen Trends sind enorm: Im Schnitt würde es laut Studie noch rund 220 Jahre dauern, bis die Emissionen dieser Staaten um jene 95 Prozent reduziert werden, die im Pariser Klimaabkommen bis 2050 beschlossen sind. Auf dem Weg dahin würden die Staaten 27-mal so viel emittieren, wie im Pariser Abkommen vereinbart. Durchschnittlich wäre eine Entkopplung notwendig, die zehnmal so hoch ist wie jetzt – erst eine solche könnte als "grün" bezeichnet werden.Die Autoren stellen die wiederholten Behauptungen von Medien und Politikern infrage, dass das Wirtschaftswachstum in Ländern mit hohem Einkommen "grün" gemacht werden kann, und widerlegen Behauptungen, dass "grünes Wachstum" bereits stattfindet.Passend zu der Studie ist eine Analyse des NewClimate Institute, das den Climate Action Tracker betreibt: Demnach ist die aktuelle Klimaschutzpolitik der Bundesregierung insgesamt "ungenügend". Niklas Höhne vom NewClimate Institute: "Die Koalition müsste angesichts der nahenden Klimakatastrophe an einem Strang ziehen, wissenschaftlichen Erkenntnissen folgen und in den Notfallmodus schalten, anstatt sich in Parteipolitik zu verfangen."
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Nick Reimerhttps://www.piqd.de/users/nick.reimerhttps://www.piqd.de/klimawandel/klimaerhitzung-vielleicht-helfen-die-skifahrer2023-08-30T11:27:25+02:002023-08-30T11:27:25+02:00Klimaerhitzung: Vielleicht helfen die Skifahrer? <img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Das ist nur ein Randaspekt des Problems – aber vielleicht hilft dieser ja, das Verständnis in Teilen der Bürgerschaft zu wecken, die bislang geglaubt haben, vom Klimawandel verschont zu werden: Skifreunde müssen bereits ab einer globalen Erwärmung um zwei Grad Celsius auf die Hälfte der Wintersportgebiete in Europa verzichten. Eine Analyse von 2.234 Skigebieten in 28 europäischen Ländern durch die Universität Grenoble zeigt: Das "zu wenig" an natürlichem Schnee können bei zwei Grad Erwärmung nicht einmal mehr Schneekanonen kompensieren. Aktuell befindet sich eine Begrenzung der Klimaerhitzung auf zwei Grad im Bereich der Utopie, aktuell steuert die Menschheit auf mehr als drei Grad bis Ende des Jahrhunderts zu. In Deutschland gibt es aktuell mehr als 1.300 Skilifte und ähnlich viele Pistenkilometer. Was für Tauchtouristen lebendige Korallen und farbenfrohe Fische sind, ist für Skifahrer der Schnee. Schneesicherheit ist der wichtigste Faktor bei der Wahl des Urlaubsorts. Eine Studie der Universität Innsbruck konstatiert, dass "Ziele mit marginalen Schneebedingungen wahrscheinlich starke Nachfrageverluste hinnehmen werden müssen". Für Ziele mit "mittlerer Schneesicherheit" können günstige Angebote eine Zeit lang die abnehmende Nachfrage kompensieren. "Sind jedoch alle Skigebiete von sich verschlechternden Schneebedingungen betroffen, verringert sich die Gesamtnachfrage um 64 Prozent."Kein anderer Tourismuszweig leidet so sehr unter den steigenden Temperaturen wie der Wintersport. Die Saison 2019/20 bescherte dem Sauerland eine der schlechtesten Winter-Bilanzen der vergangenen 20 Jahre: Statt der sonst kalkulierten 800.000 Gäste kamen lediglich 300.000 ins "größte Schneevergnügen nördlich der Alpen", wie die Region im Südosten Nordrhein-Westfalens für sich wirbt. Im Fichtelgebirge war Skifahren nur an 30 Tagen möglich, mancher Lift lief kein einziges Mal. Auf der Wasserkuppe in der Rhön, mit 950 Metern Hessens höchster Berg, gab es 39 Lifttage, im Vorjahr waren es noch 72. Viele Skigebiete versuchen, mit millionenschweren Investitionen gegen das Unvermeidliche Zeit zu kaufen. Im Thüringer Wald wurden vor drei Jahren vier Millionen Euro ausgegeben, um die Infrastruktur der "Winterwelt Schmiedefeld" angeblich zukunftssicher auszurüsten. Trotzdem fiel die Skisaison 2019/20 fast komplett ins Wasser, weil es selbst für Kunstschnee zu warm war: Erstmals abfahren konnte man am 29. Februar. Mehr als 125 Millionen Euro gab die "Wintersport-Arena Sauerland" in den vergangenen 20 Jahren für neue Beschneiungsanlagen, Pistenbullys und Skilifte aus; hier, im höchsten Teil des Rothaargebirges, arbeiten jetzt 650 "Schnee-Erzeuger". Der Liftverbund Feldberg im Hochschwarzwald erarbeitet gerade einen neuen Masterplan, 30 bis 50 Millionen Euro sollen investiert werden, auch ein neues Speicherbecken für Wasser zur Kunstschnee-Produktion ist geplant.Nicht nur in den Mittelgebirgen wurde aufgerüstet, auch in den Alpen. Dort werden nach Erhebungen des Bund Naturschutz derzeit pro Skisaison 280 Millionen Kubikmeter Wasser für die Beschneiung der Pisten verbraucht, dreimal so viel, wie die Stadt München in einem Jahr durch ihre Trinkwasserleitungen schickt. In Österreich werden inzwischen 70 Prozent der Pisten mit Kunstschnee bedeckt, in manchen Regionen Südtirols bereits hundert Prozent. Etwa 2.100 Gigawattstunden Strom werden dafür jedes Jahr aufgewandt, mehr als der Stromverbrauch einer Millionenstadt. Und das alles soll nun nicht mehr ausreichen für das Wintervergnügen auf der weißen Piste? Wäre schön, wenn die Wintersportfreunde Klimaschützer würden, einfach, um ihre Leidenschaft vor dem Untergang zu bewahren.
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Nick Reimerhttps://www.piqd.de/users/nick.reimerhttps://www.piqd.de/klimawandel/replik-zu-hans-werner-sinns-angriff-auf-deutsche-klimapolitik2023-08-28T15:19:47+02:002023-08-28T15:19:47+02:00Replik zu Hans Werner Sinns Angriff auf deutsche Klimapolitik<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Der emeritierte Ökonomieprofessor und ex-Chef des ifo-Instituts hat jüngst in der FAZ (Bezahlschranke) die deutsche Klimapolitik als unsinnig (keine Doppelbedeutung beabsichtigt) gebrandmarkt. Insbesondere ist er mit der kontraintuitiven Behauptung aufgefallen, dass weniger Spritverbrauch in Deutschland (durch E-Autos) einfach zu mehr Spritverbrauch woanders führe und deshalb am Ende zu mehr Emissionen. Der "deutsche Alleingang", der immer wieder in fruchtlosen Diskussionen mit Dekarbonisierungsgegnern auftaucht, sei also bloß ein nutzloser Verzicht auf Wohlstand.Diese befremdliche Ansicht wäre nicht der Rede wert, wenn Sinn nicht trotz vielfacher absonderlicher Einschätzungen immer noch als Autorität gehandelt würde.Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School, hat nun – ebenfalls in der FAZ – , eine Replik dazu geschrieben. Deren wesentlicher Inhalt ist auch ohne Bezahlschranke auf MSN.com zu lesen, was hier gepiqd worden ist. Tenor ist, dass das Basis-Weltmodell der Wirtschaftswissenschaft, in dem Menschen in Märkten nur nach ihrem momentanen lokalen Vorteil handeln, zu unterkomplex ist, um die reale Welt zu beurteilen. Insbesondere gebe es Organisation und Kooperation – auch implizite, die dort nicht enthalten seien. Der Artikel ist kurz und klar.
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Dominik Lennéhttps://www.piqd.de/users/dominique.lennehttps://www.piqd.de/klimawandel/quo-vadis-klimapolitik-die-einschatzung-des-expertenrats2023-08-25T20:28:24+02:002023-08-25T20:28:24+02:00Quo vadis, Klimapolitik? – Die Einschätzung des Expertenrats<img type="image/png" src="https://cache.piqd.de/system/dragonfly/production/2019/01/31/85d7rd6mk9_KlimaUndWandel_s.jpg" />
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Die EU-Klimagesetzgebung ist in zwei große Teile geteilt: Industrielle – und Elektrizitäts-Emissionen werden durch das EU-ETS (European Emissions Trading System) abgedeckt, die übrigen Bereiche, Gebäude, fossil betriebener Transport und Landwirtschaft, fallen unter die ESR (Effort Sharing Regulation) oder auf Deutsch "Lastenausgleich". Hier bekommt jeder Mitgliedsstaat Vorgaben, die er eigenverantwortlich einhalten muss.All die politischen Kämpfe der letzten Monate – Gebäudeenergiegesetz, Sektorziele und andere – haben sich letztlich in zwei große Vorhaben der Bundesregierung kondensiert, die beide auf den ESR-Bereich abzielen und momentan vor der Beratung und Verabschiedung durch das Parlament stehen :
die Novellierung des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) und
das Klimaschutzprogramm 2023 (KSP).
Das Erste setzt die im Kontext der EU-Politik und des Pariser Abkommens zu erreichenden Emissionsminderungen fest: sukzessive Absenkung der Netto-Emissionen bis 2045 auf null, wobei jährliche Emissionsmengen festgelegt sind. Die Novellierung besteht i. W. darin, auf sektorbezogene Ziele zu verzichten und nur noch die Gesamtemissionen zu begrenzen.Das Zweite ist ein Konglomerat aus 130 Einzelmaßnahmen, mit denen diese Emissionssenkung erreicht werden soll. In diesem piq geht es um ein Webinar von "Europe Calling"¹, in dem die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung, Dr. Brigitte Knopf, die vom Expertenrat erstellte Stellungnahme zum KSP vorstellte.²Die Kernaussage ist: Mit den zur Verfügung stehenden Informationen lässt sich vorhersagen, dass die Vorgaben des KSG beinahe, aber nicht ganz, eingehalten werden. Die kumulierte Emission bis 2030 dürfte um rund 200 Mt CO₂äq³ höher liegen als nach KSG erlaubt, dies sei aber mit rund 3 % der gesamten kumulierten Emission nur eine geringe Überschreitung. Ähnliches gilt für die Vorgaben durch den europäischen Lastenausgleich (ESR). Die Überschreitung der Emissionsgrenze kostet Strafzahlungen, die Brigitte Knopf auf ungefähr 15 Mrd. € im gesamten Zeitraum schätzte. Das ist nicht schön – das Geld wäre für Klimaschutzmaßnahmen besser angelegt –, aber auch noch keine Katastrophe. Es wurde eine Fülle von Fragen gestellt und beantwortet, von denen ich hier nur einige ansprechen kann.Eine der 130 Maßnahmen, die schon begonnen hat, ist das nationale Emissionshandelssystem (nEHS). Die Menge der Emissionen durch Kraft- und Brennstoffe ist dadurch nicht begrenzt, sondern die Emissionsrechte werden bis 2026 zu einem festgesetzten Preis⁴ verkauft. Dessen Einnahmen wandern in den Klimatransformationsfonds (KTF).Danach übernimmt das EU-ETS2, ein Cap-&-Trade-System ähnlich dem EU-ETS, das allerdings eine harte, jährlich sinkende Emissionsobergrenze vorgesehen hat. Es gibt zwar einen Mechanismus, nach dem bei Überschreiten der Preisgrenze von 45 €/t CO₂ weitere Zertifikate aus einem Pool zugeschossen werden, aber deren Zahl ist zu gering, um den Emissionspreis wirklich begrenzen zu können. Damit haben wir folgende Situation: Die Emissionspreise in Deutschland sind bis 2026 begrenzt. Nach der momentanen EU-Gesetzeslage erwarten Experten, dass sie danach auf 150–300 €/t ansteigen. Damit würden sowohl die Belastung der meist privaten Emittierer als auch die staatlichen Einnahmen erheblich zunehmen. Brigitte Knopf hielt es aber für nicht unwahrscheinlich, dass die EU dem zu erwartenden Druck ärmerer Nationen und klimafeindlicher Parteien nachgeben und eine echte Preisobergrenze bei 45 €/t einführen wird (Stichwort "Gilets Jaunes"). Das wäre die De-facto-Aufgabe der Emissionsobergrenze und der EU-Klimaschutzziele. Der Klassiker: die Aushebelung des Klimaschutzes über die "soziale Frage".Für diesen Fall empfahl sie eine deutsche Preisuntergrenze für Emissionszertifikate, um zumindest nicht zurückzufallen.Die logische Maßnahme, den ärmeren Schichten die zusätzlichen Belastungen zu ersparen und Ausfälle einschlägig bekannter Presseerzeugnisse zu vermeiden, ist sozialer Ausgleich, hier auch genannt "Klimageld". Es hat drei Aspekte: Auszahlungsweg, soziale Gezieltheit und Geldmenge. Verschiedene Auszahlungsmodi wurden diskutiert, Österreich hat es bereits zum Funktionieren gebracht. Da Lindner den Prozess an sein Finanzministerium gezogen hat, wo ein komplett neuer Apparat dafür aufgebaut wird, wird es in Deutschland nicht vor 2025 kommen. Die Emissionskosten sind noch recht niedrig, das sollte also zu verschmerzen sein. Wichtig ist, dass es funktioniert, wenn die Preise wirklich hoch werden.Soziale Gezieltheit: Die einfachste Lösung ist eine gleiche Pro-Kopf-Auszahlung für alle. Wenn sie hoch genug ausfällt, d. h. ein großer Teil der Einnahmen zurückverteilt werden, können so die ärmeren Schichten weitgehend entlastet werden, da sie weniger emittieren. Leider bleibt dann kein Geld mehr übrig, um Dekarbonisierungsinvestitionen zu unterstützen. Brigitte Knopf unterstützt diesen Weg aus zwei Gründen: 1. ist er schneller, weil weniger komplex und man könne soziale Gezieltheit nachträglich einbauen; 2. seien Dekarbonisierungsinvestitionen nicht Zweck der Emissionsbepreisung, entsprechend sollten sie aus dem allgemeinen Haushalt bestritten werden.Damit hängt das Thema mit der im KTF zur Verfügung stehenden Geldmenge direkt zusammen. In Deutschland sind die Einnahmen aus der Emissionsbepreisung i. W. für klimarelevante Technologieförderung, Gebäudeförderung, EEG-Förderung und Zuschüsse an stromintensive Unternehmen verplant. Damit müsste ein Klimageld aus dem allgemeinen Haushalt bezahlt werden. Brigitte Knopf ist der Ansicht, dass stattdessen mindestens einige dieser Punkte in den allgemeinen Haushalt gehören.Das Problem dabei ist, dass es wegen der Schuldenbremse sehr schwierig ist, irgendetwas in den allgemeinen Haushalt zu setzen. Damit scheint mir der einzige Weg der zu sein, durch Kürzungen im KTF etwas Geld freizumachen, das gerade für ein sozial gezieltes Klimageld reicht. Was nach 2026 geschieht, ist ein bisschen unbekanntes Land ("hic sunt leones" ). Im Übrigen konstatiert sie auch einen Mangel an empirischem Wissen über die Emissionswirksamkeit von Maßnahmen. Wir brauchen sozusagen evidenzbasierte Politik und dafür fehle noch oft die Evidenz. Über die spezifische Kritik des KSP hinaus formulierte Brigitte Knopf die Forderung nach einem Gesamtkonzept:
Monitoring, d. h. laufende Verfolgung der Emissionen und Klimawirkung von Gesetzen
Das Aufgeben der sektorspezifischen Ziele und der Übergang zu einer rein integralen Rechnung – unter Beibehaltung rein sektorspezifischer Werkzeuge – sei schlecht. Ziel und Werkzeuge würden einander nicht mehr entsprechen. Sie plädiert für das Vorziehen der harten Emissionsobergrenze im nationalen Emissionshandel, dem einzigen integral wirkenden Werkzeug.
Angemessene Kommunikation und Diskussion: Wir laufen in Ziel- und Verteilungskonflikte, die benannt und gelöst werden wollen. Hierbei plädiert sie für parteiübergreifenden Konsens, um die Klimaziele nicht bei einem Regierungswechsel zu gefährden. Die Ziele der Politik seien ambitionierter geworden, aber der Bewusstseinsprozess der Gesellschaft habe nicht Schritt gehalten.
Zum Schluss wurde der Rahmen rein administrativer Regelungen verlassen: Was passiert in den Kommunen, den Stadtvierteln, zu Hause? Das ist für die Akzeptanz vielleicht wichtiger als ein Klimageld. Wenn Menschen Möglichkeiten sehen, sich selbst zu beteiligen und einzubringen, entsteht Begeisterung. Wir sind nicht nur Markt-Subjekte, Politumfragen-Subjekte, wir sind auch soziale Subjekte. -------¹ Wir haben bereits zweimal hier berichtet: Die Mühen der Dekarbonisierung und Eine Tour de Force durch die deutsche Klimapolitik ² Es gibt auch einen Twitter-Thread, in dem die wesentlichen Punkte der Stellungnahme skizziert sind.³ Megatonnen CO₂-Äquivalent, d. h. die Emissionen der anderen Treibhausgase, wie Methan, Stickoxid und andere, sind mit einer Formel in eine entsprechende Menge CO₂ umgerechnet worden. ⁴ Die Preise für eine Tonne CO₂ steigen von 30 € (2023) auf 65 € (2026)
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Dominik Lennéhttps://www.piqd.de/users/dominique.lenne