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Kopf und Körper

Starkes Porträt einer schizophrenen Lyrikerin

Susanne Franzmeyer
Piqer für Radio Features
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Susanne FranzmeyerMittwoch, 23.03.2022

Meine heutige Feature-Empfehlung "Krisenreime - Von Lyrik und Psychosen" von Sebastian Meissner porträtiert eine Frau, die seit ihrem 20. Lebensjahr mit Psychosen zu kämpfen hat und als schizophren diagnostiziert wurde. Umso erstaunlicher ist es, was die Hörerschaft hier über ihren Lebensweg erfährt. Denn Julia Mantel hat die Krankheit gewissermaßen sinnvoll in ihr Leben integriert und einen schöpferischen Umgang damit gefunden.

"Die Dinge in meinem Zimmer haben zu mir gesprochen. Da habe ich in die Rundschau geguckt und hab gedacht, alle Artikel wären über mich geschrieben. Jedes Wort hatte seinen Sinn verloren."

Eigentlich wollte man sie damals als Topmodel groß herausbringen, aber dann bekam Julia Mantel ihren ersten Zusammenbruch bei einem Aufenthalt in Mailand.

"Man sagt ja, Psychosen werden vor allem durch Stress ausgelöst, und das war die absolute Überforderung. Ich war allein in einer Stadt, die ich nicht kannte, ich konnte die Sprache nicht, ich hatte eigentlich gar keinen Bock Model zu sein. Nur hatte ich ne Agentin, die gesagt hat: Du bist jetzt das neue Face der 90-er. Die wollte mich so als neue Nastassja Kinski aufbauen, der ich ja damals auch relativ ähnlich sah, und das war die Katastrophe. Die hat mir jeden Morgen ne Flasche zu trinken gegeben und meine Mappe mit Fotos. Und jeden Abend hatte ich alles verloren. Und das ist das erste Anzeichen von Schizophrenie, dass man ständig alles verliert."

Die junge Frau, eine starke Persönlichkeit, die von sich sagt, sie sei früher eine "Rampensau" gewesen, schreibt heute erfolgreich Lyrik und hat schon mehrere Bände herausgebracht. Die Krankheit, sagt sie, habe ihr geholfen.

"In einer Psychose, man kann es vielleicht am Besten so vorstellen, es ist wie ein Albtraum, aus dem man nicht mehr rauskommt, und wo man nicht mehr unterscheiden kann: Sind meine Empfindungen echt? Kann ich mir selber trauen? Kann ich meiner Realität trauen? Und man kann ihr ja eben nicht trauen! Und das ist diese tiefe Verunsicherung, die einen jahrelang, jahrzehntelang nicht loslässt. Sind zum Beispiel gerade Leute in der Wohnung, wenn man die hört, oder sind sie nicht? Die Psychosen lassen die Seele, klingt jetzt ein bisschen pathehtisch, aber so zerschellen, dass man jahrzehntelang braucht, um sich wieder zusammenzuflicken. Man weiß ja gar nicht mehr, was echt ist. Also das ist ja irre! Man zersplittert!"

Die Protagonistin schildert nicht nur offen und eindrücklich, wie es ihr mit der Krankheit geht, sie spricht auch passend zum Geschilderten einige ihrer Gedichte, die unter der Regie des Autors kunstvoll in das Feature integriert werden.

"Meeresrauschen im Nordwind
Ich komme schließlich, um dich zu holen
In der Höhle halte ich deine Finger gefangen
Und brate dein Fleisch auf meinem Körper
Du und ich gleich wir
In der Herbertstraße
Durch Zufall, Schicksal, Arbeitsverhältnis
Biertrinken
Das Licht ist aus
Das Meer geht an
Ich lausche uns
Und höre die Wellen sich brechen"

Einmal schildert Julia Mantel, wie sie unter dem Einfluss ihrer Krankheit plötzlich die einfachsten Redewendungen nicht mehr versteht. Wie sie sich über die Bedeutung der Worte "geben Sie mir Bescheid" den Kopf zerbricht: Welchen Bescheid? Fragt sie sich - und beschreibt, wie ihre Sprache zersplittere. Im Endstadium der Paranoia, sagt sie, verlören die Wörter komplett ihren Sinn. Unter diesen Voraussetzungen scheint es um so erstaunlicher, wie sie über ihre Krankheit zur Lyrik fand.

"Ich war komplett hilflos, was die Sprache anbelangt."

Und dann hört die Hörerschaft plötzlich tatsächlich, wie sich Wörter auch klanglich zersetzen und zersplittern, wie nur noch Sprachlaute, ein Krächzen der Stimme, abgebrochene Silben zu hören sind und sich einem einzigen Sprach- und Lautwust neu zusammensetzen: War das eine knarzende Tür? Oder das Gebrüll eines Löwen? Eine kunstvolle Gestaltungsform des Autors und Regisseurs, die versucht, das sprachliche und gedankliche Chaos der Protagonistin in eine akustische Form zu bringen.

Die Hörerschaft lernt hier eine beeindruckende psychisch kranke Persönlichkeit kennen, die nebenher noch Humor zeigt.

"Eine (...)spritze kostet 500€. Und ich hab immer so nen Gag gemacht: Also die Spritzen sind teurer als das, wovon ich lebe. Also ne Zeit lang war das so."

Starkes Porträt einer schizophrenen Lyrikerin

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