Manchmal verbringe ich eine ganze Nacht auf einer Party, ohne ein einziges wirkliches Gespräch zu führen. Egal ob es Freunde oder Fremde sind, die mich ansprechen, ich weiß einfach nicht: wie antworten? Jede verkorkste Kommunikation macht mich noch ein wenig schüchterner und ich denke immer mehr darüber nach, warum ich ausgerechnet an diesem Abend offenbar zu blöd bin, mich wie ein soziales Wesen zu benehmen, denn die stummen Außenseiter, die mag keiner, ich doch auch nicht und jetzt steh ich selbst da wie einer, und so über die eigene Schüchternheit zu brüten macht es natürlich nur noch schlimmer, und all die Lachenden und Diskutierenden und Tanzenden werden mir immer fremder und bald merke ich, wie die Selbstschutzreaktion der Abneigung für die Glücklicheren aufwallt und ich versuche, diesen dummen Reflex zu kontrollieren, statt so wütend und betrunken zu werden bis Leute wirklich einen Grund haben, nicht mehr mit mir zu reden und dann kommen mir die anderen vor wie schöne Tiere in einem rauschenden Wald, an dessen Rand zu stehen ich verdammt bin, mir nichts als der Blick auf die wogenden Baumwipfeln bleibt, weil mich jeder Augenkontakt zur Beute macht. Schüchternheit, die dumme Sau.

Megan Garber bespricht in diesem Artikel Joe Morans Buch Shrinking Violets vor, das sich mit dem Phänomen Schüchternheit und deren Evolution beschäftigt - denn die Anzahl der Schüchternen scheint tatsächlich seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, zu steigen und somit eine Art Zivilisationskrankheit zu werden, die mitunter tödliche Folgen haben kann. Moran, zum allgemeinen Trost der Schüchternen, schreibt, dass sie aber auch ein Geschenk sein kann:

But shyness can also be, Moran argues, a great gift, its impulse toward introversion allowing for the inventive thinking and creative genius that might elude the more talkatively inclined.