Kurzer, informativer Essay des Historikers Stefanos Geroulanos und des Anthropologen Todd Meyers über schockierende Kriegsverletzungen und wie sie die Medizin und Psychiatrie individualisierten. Denn vor dem Ersten Weltkrieg galten alle menschlichen Körper als identisch, einer Maschine gleich, deren Komponenten man einzeln repariert, wenn sie kaputt sind. Die neue Grausamkeit des Stellungskriegs, von Chemiewaffen und schweren Geschützen führte aber zu völlig neuen, multiplen Verletzungen des Körpers und des Gehirns. Die alten Behandlungsmethoden konnten da kaum noch etwas ausrichten. Um jemanden zu heilen, musste man den gesamten Körper in seinen individuellen Ausprägungen in den Blick nehmen. Der holistische Ansatz der Medizin hat hier seinen Ursprung, er veränderte sie grundlegend:

While so well-ordered when healthy, bodies were always on the verge of implosion. For years following the war, scientists and doctors theorised about how to reconcile collapse with the mechanisms of bodily stability. Goldstein developed a theory of health, injury and catastrophe: the brain-injured patient needed to be treated closely for years, even decades, maintained within a restricted environment where she could manage life without abstractions, and avoid deep anxiety and ‘catastrophic’ situations.

Vorsicht, Nachsicht, Stabilität, die Dinge umfassend betrachten, das sollte zur Heilung beitragen. Diese Ansicht setzte sich nach und nach in vielen Bereichen der Gesellschaft durch, auch in der Wirtschaftslehre.

To be ‘healed’, Europe needed to be better integrated. John M Keynes used this language on integration and instability to open The Economic Consequences of the Peace (1919), to highlight the ‘unstable, complicated, unreliable, temporary nature of the economic organisation’ of western Europe.

Bis heute wurde diese Forderung von Keynes nicht gut genug umgesetzt. Um geheilt zu werden, braucht Europa mehr Integration seiner auseinanderstrebenden Teile. Das gilt bis heute.