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Fundstücke

Unser Austritt aus Vernunft und Wahrheit?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
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Thomas WahlSamstag, 03.04.2021

Sloterdijk im Interview ist immer ein bemerkenswertes Fundstück. Auch oder gerade, wenn er aus seinem Leben mit prekären Erfahrungen  plaudert. Über das Glück, z.B. einer Sekte anzugehören, die glaubte, im Besitz einer alternativen Wahrheit zu sein - dem Meditationszentrum des Bhagwan Shree Rajneesh im indischen Pune. 

Damals gab es eine Phase, als bei uns die marxistisch codierten Rechthabe-Gefühle gegenüber dem Lauf der Welt am Verblassen waren, aber die Bereitschaft für eine alternative Wahrheit immer noch aktuell blieb, ob sie aus Indien kam oder von einem anderen Ende der Welt. Diese Neigung zu einer Konversion gegen das Gewöhnliche, so scheint mir, liegt auch heute wieder in der Luft. Jetzt wie damals wollen viele nicht glauben, dass die Vernunft bei der Mehrheit ist.

Dieser Wechsel in die andere Wirklichkeit hatte damit zu tun, dass damals (wie heute?) ein »alternatives« Wahrheitsverständnis aufkam. Leidenschaften, Emotionen bestimmten zunehmend die Diskurse - in der Subkultur breitete sich eine "gruppentherapeutische Euphorie" aus. Der Glaube, dass Überzeugung, dass die Wahrheit im Gefühlsausbruch liegt. Damals wie heute gilt wohl was Hermann Broch  von den späten 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts in seiner »Massenwahntheorie« formuliert,

moderne Gesellschaften (sind) großformatige Ensembles in präpanischer Erregung, die unter dem Eindruck von Krisenstress mehr oder weniger plötzlich in akute Panikzustände versetzt werden können. Demnach wäre Panik der Stoff, aus dem die irrationalen Masseneffekte sind. Kollektivpaniken manifestieren sich in Massenflucht durch enge Ausgänge oder in der Zuflucht zu einem Retter. Der trägt das Mandat, das Volk wieder groß zu machen, indem er die befreiende Katastrophe herbeiführt.

In den USA stehen demnach  große Massen der Bevölkerung, auf der Schwelle vom präpanischen zum panischen Zustand, schwanken auf Erregungswellen hin und her. Was sind die Gründe, wer oder was bewegt die Massen?

In den USA läuft gerade eine interessante Diskussion darüber, ob es nicht »abwärtsmobile Intellektuelle« sind, zum Teil mit PhD – früher hätte man sie »deklassiert« genannt, die sich in den gegen den Konsensus meuternden Gruppen hervortun, weil sie dort Sprechrollen finden, wie sie sie als Hochschullehrer oder als Beiträger zu Feuilletondebatten nie und nimmer wahrnehmen könnten. Man sollte, scheint mir, solche Ereignisse immer auch mit dem Zynismus des geschulten Berufsberaters betrachten. Die Krise ist eine große Arbeitgeberin, und aus dem ideologischen Chaos entspringen immerzu wilde Karrieren, in die man nur im Modus der Selbsternennung gerät.

Dazu kommt, so Sloterdijk - "Mehrheit ist eine fade Bouillon". Der Austritt aus der (vermeintlichen?) Mehrheit gibt einem (scheinbar) Kontur, wer verneint, spürt sich selbst. Und dann der Beitrag der Medien:

Die Medien sind in funktionaler Sicht Partner des Unfalls, des Verbrechens, des schlimmen Gerüchts. Sie bewirtschaften Ereignisse und Katastrophen. Die kurzfristige Katastrophenpublizistik hat naturgemäß einen irrationalen Anteil. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, die Medien kooperierten allesamt mit dem Irrsinn. Aber denken Sie an die Resonanz auf einen Terroranschlag im eigenen Land oder innerhalb der Europäischen Union: Regelmäßig wird jeder Angriff im Maßstab von eins zu einer Million vergrößert, bis sich alle bedroht glauben. Dabei sollte man längst wissen, dass Terrorismus eine Kommunikationstechnik ist, die nur funktioniert, wenn sie mit medialen Multiplikationen rechnen darf.

Man kann auch sagen, was als Information präsentiert wird, ist eigentlich oft nichts anderes als "Erregung, Vergiftung und Zerstörung der öffentlichen Urteilskraft". Was auch heißt, die Wahrheit liegt nicht im Konsens. Wie nicht nur die Schar der 74 Millionen Trump-Anhänger zeigt:

Der Konsensus ist offenbar nicht imstande, sich dem Schwerefeld des Wahns zu entziehen.

Auch wenn das Verlangen nach Wahnsinn sich noch immer auf die Minderheiten aller Couleur zu konzentrieren scheint, Sloterdijk warnt:

Es gehört ja, wie Canetti in Masse und Macht gezeigt hat, zum Wesen der Sekte, dass sie expandieren muss. Die Sektenmasse erhält sich, indem sie immer mehr vom Außen in sich hineinzieht. Ihre Hymne heißt: Wir werden immer zahlreicher.

Seien wir achtsam .....


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