Vergangene Woche wäre Roger Willemsen 66 Jahre alt geworden. Er war mehrmals nach Afghanistan gereist und hatte als Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins Schulen, Kliniken und von ihm gespendete Brunnen besucht. Das Schweizer Magazin REPORTAGEN hat nun Willemsens 2013 erschienene Afghanistan-Reportage 'High Heels am Hindukusch‘ frei zugänglich online veröffentlicht. Die ist nicht nur ein schönes Stück Reportagenkunst und Erinnerung an den schmerzhaft vermissten Publizisten und Moderatoren, sondern gerade in diesen Tagen empfehlenswert, auch wenn es einem das Herz zerreißt, von all den Mädchen und Frauen zu lesen mit ihren Hoffnungen, von ihrem mutigen Aufbruch in eine bessere Welt — und nun? Wie wird es ihnen jetzt ergehen?

Was Willemsen … einfängt, ist eine fragile Ahnung von Freiheit: Häuser in Kabul sind frisch in Blau und Hellrosa gestrichen, im Babur-Park turteln Liebespaare, im Stadion trainiert die Frauenfussball-Nationalmannschaft. Im Hinterland hat eine Mädchenschule aufgemacht, obwohl das Gebäude zuvor zwei Mal zusammengeschossen wurde. Willemsen trifft eine feministische Schriftstellerin, die das klassische afghanische Frauenbild aufbrechen will und deshalb bedroht wird. Er besucht die Universität und diskutiert mit Studenten, die nicht mehr an den Westen als Ordnungsmacht glauben wollen. Am Ende sitzt Willemsen mit Kämpfern am Grab von Ahmad Schah Massoud, der im Widerstand gegen die Taliban zum Nationalhelden wurde. Wer will, der kann anhand der Sätze der Soldaten bereits den Kollaps Afghanistans vorausahnen. Willemsen aber will seine Reportage nicht mit einer Anklage beschliessen. Also fängt er zum Abschied ein, wie einer der Kämpfer geduldig eine winzige, schwankende Gebirgsblume auf einem Stein fotografiert.