Meine Liebste erzählt mir ständig die wildesten Familiengeschichten, die bis in die sechste und siebte Generation der Familie Castro Arreola Linss Oates zurückreichen und von unglaublichen Abenteuern und absurden Ereignissen handeln, vom Reichwerden und Verlieren, vom Weitermachen und Verrücktwerden, von Deserteuren, Entdeckern, starken Frauen und kindischen Männern, von Flüchen, Tragödien und der Liebe — ganze Roman-Zyklen verbergen sich im weitverzweigten Geäst der Historie ihres Clans, und zuweilen erscheint mir meine Frau wie eine wundersame Pflanze, die aus einem unentwirrbaren Wurzelwerk fantastischer Erzählungen erwachsen ist. Wenn sie mich dann jedoch bittet, mal was von meiner Familie zu erzählen, fällt mir nichts ein. Weil wir uns keine Geschichten erzählt haben. Nicht mal auf Beerdigungen. Von den 20 Fragen der ‚Do You Know?'-Studie des Psychologen Marshall Duke könnte ich kaum die Hälfte mit Ja beantworten, meine Liebste hingegen hätte zu jeder einen Roman zu schreiben.

Vor acht Jahren haben Dr. Duke von der Emory-Universität und seine Kollegin Dr. Fivush einen Zusammenhang zwischen übermittelter Familiengeschichte und allgemeinem Wohlbefinden festgestellt: Je besser die Kinder und Jugendlichen ihre Familienverhältnisse kannten, desto selbstbewusster und erfolgreicher waren sie. “We were blown away”, sagt Dr. Duke. In den USA wurde die Studie durch einen Text in der New York Times bekannt, hierzulande scheint sie kaum jemand wahrgenommen zu haben. Ich empfehle den ‚Do You Know?‘-Fragenkatalog, dann weiß man ungefähr, wo man steht in Sachen Familiengeschichte. Und hat unter Umständen ein paar interessante Fragen für den nächsten Leichenschmaus. Das Fazit, in den Worten des NYT-Autors Bruce Feiler:

„If you want a happier family, create, refine and retell the story of your family’s positive moments and your ability to bounce back from the difficult ones. That act alone may increase the odds that your family will thrive for many generations to come."